Kämpft um ein besseres Recht!

Das deutsche Informationsfreiheitsgesetz (Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes, IFG) ist seit dem 1. Januar 2006 in Kraft. Im Jahr 2012 wurden auf Basis des IFG 6.077 Informationsgesuche gestellt, mehr als ein Drittel davon über das zivilgesellschaftlich organisierte Portal fragdenstaat.de. Wie die Enthüllung der überzogenen Medaillenerwartung des Bundesinnenministeriums für die Olympischen Sommerspiele 2012 zeigt, werden dabei von den auskunftgebenden Behörden hohe Hürden aufgestellt (siehe auch Beitrag von Jan Schneider Seite 48 ), die kaum thematisiert werden. Das Nischendasein des IFG wird besonders im Vergleich mit Open-Data-Projekten der öffentlichen Hand deutlich. Diese haben dem IFG klar den Rang abgelaufen. Verschiedene deutsche Großstädte und kürzlich der Bund haben derartige Initiativen gestartet, die allesamt darauf abzielen, Daten der öffentlichen Verwaltung zugänglich zu machen und damit Politik- und Verwaltungsprozesse transparenter zu gestalten.

Gemeinhin wird das Öffnen der Datenbestände mit einem erweiterten Aktionspotenzial und geringeren Hürden zur Mitgestaltung öffentlicher Prozesse durch den Volkssouverän verknüpft. Damit wird eine Kernforderung aufgegriffen, die im öffentlich-politischen Diskurs seit mehreren Jahren eine zentrale Rolle spielt, nämlich dass behördliche Daten als wichtiges öffentliches Gut offen zugänglich gemacht werden müssen.

Doch welchen Einfluss haben Open-Data-Initiativen für Journalisten? Ermöglichen sie investigative Berichterstattungen über Vorgänge und Prozesse in Politik und öffentlicher Verwaltung, und was grenzt sie als Zugangsmöglichkeit zu öffentlichen Daten von IFG-Anfragen ab?

Aus aktueller journalistischer Perspektive ist hier die Unterscheidung zwischen Scoop und Stream entscheidend. Informationsfreiheitsgesetze ermöglichen einzelne unregelmäßige Anfragen von Journalisten, die eher geeignet sind, zu Berichterstattungen mit hohem Nachrichtenwert zu führen (Scoop).

Dem gegenüber steht der kontinuierliche Informationsfluss von Open-Data, der vielfach von Datenjournalisten genutzt wird (Stream). Letzterer kommt im Rahmen der demokratiefördernden Funktion des Journalismus bisher allerdings viel weniger zum Tragen als gesetzlich geregelte Informationsfreiheit. Es bleibt zu vermuten, dass durch die Kultur von „wenig Offenheit“ (Peter Carstens und Henrike Roßbach in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, 6. Mai 2010) besonders brisante Daten mit hohem Nachrichtenwert noch vor dem Anfang des Informationsflusses herausgefiltert werden.

Mit den klassischen Mitteln und Methoden des Journalisten können auf Basis von Open-Data demnach nur sehr eingeschränkt, wenn überhaupt, investigative Berichterstattungen forciert werden. Ebensolche journalistischen Leistungen versprechen allerdings in besonderem Maße demokratietheoretische Mehrwerte, indem sie die Funktion der Nachrichtenmedien als Wächter über den Staat, Agenda Setter im öffentlichen Interesse und Gatekeeper mit einem Augenmerk auf Pluralität, Ausgewogenheit und Diversität ermöglichen und unterstützen.

Open-Data-Zugänge reichen nicht

Investigative Berichterstattungen über Politik und Verwaltung werden bei klassischen Rechercheansätzen vielmehr durch Informationsfreiheitsgesetze und nicht durch Open-Data-Initiativen ermöglicht. Dabei brauchen Journalisten, die auf Daten aus IFG-Anfragen zurückgreifen, gute Kenntnisse von Aktenbeständen und den Datenschutzgesetzen der Länder. Durch die vielen Ausnahmetatbestände und unklaren Regelungen im unzeitgemäßen Gesetzeswerk müssen sie in Deutschland häufig um ihr Recht auf Daten kämpfen und die Bearbeitung von Anfragen teuer bezahlen. In Zeiten, in denen traditionelle Geschäftsmodelle von Nachrichtenmedien bröckeln oder sich durch den digitalen Wandel stark verändern, stehen zunehmend weniger Ressourcen für investigativen Journalismus zur Verfügung.

Um aufwendige investigative Berichterstattungen auch in Zukunft zu gewährleisten, benötigen deutsche Informationsfreiheitsgesetze also zwingend eine Überarbeitung. Hamburg kann hier als ein Vorbild dienen. Auf Basis des dortigen Transparenzgesetzes hat die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag im September 2012 immerhin den Entwurf für ein Bayerisches Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetz vorgelegt und auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es dementsprechende Bemühungen.

Darauf gilt es aufzubauen. Politik und Verwaltung müssen zu einer weitreichenderen proaktiven Veröffentlichung von Informationen gedrängt werden.

Für Öffentlichkeit und Gesellschaft können Open-Data-Initiativen, wie zum Beispiel das neue Datenportal des Bundes govdata.de, Mehrwerte bedeuten. Aus einem weiter gefassten investigativ-journalistischen Blickwinkel sind sie bisher nicht viel mehr als eine PR-Maßnahme, die vom restriktiven Zugang zu eigentlich relevanten Informationen ablenkt. Nur durch dringend notwendige Reformen von Informationsfreiheitsgesetzen wird die Vierte Gewalt auch in Zukunft ihren demokratischen Wert voll erfüllen können.

Christian Potschka ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centre for Digital Cultures (CDC) an der Leuphana Universität Lüneburg und wissenschaftlicher Beirat im Forschungsprojekt „Facing the Coordination Challenge: Problems, Policies, and Politics in Media and Communication Regulation“ an der Universität Helsinki.

christian.potschka@inkubator.leuphana.de

Christian Heise ist ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter am CDC an der Universität Lüneburg und Vorstandsmitglied der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.

christian.heise@inkubator.leuphana.de

Erschienen in Ausgabe 04/202013 in der Rubrik „Medien und Beruf“ auf Seite 49 bis 49 Autor/en: Christian Potschka, Christian Heise. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.