Redaktionsbesuch von der Polizei

Der Fall

Wie fast jede Tageszeitung hat auch die „Augsburger Allgemeine“ eine Website mit Kommentarfunktion. Dort hatte ein Leser unter Pseudonym dem Augsburger Ordnungsreferenten Volker Ullrich vorgeworfen, geltendes Recht zu beugen und Tankstellenbetreiber zu bedrohen. Hintergrund: Ullrich war gegen den Verkauf von Alkohol an Tankstellen nach 20 Uhr vorgegangen. Der Ordnungsreferent hatte daraufhin einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss beim Augsburger Amtsgericht erwirkt, um den Klarnamen des Nutzers zu erlangen und gegen diesen strafrechtlich wegen Beleidigung vorgehen zu können. Die Redaktion hatte sich dem Beschluss zunächst gebeugt, legte aber Beschwerde vor dem Landgericht ein. Dieses erklärte den Beschluss für rechtswidrig – bei einer „wertenden Betrachtung“ handele es sich um eine nicht strafbare Äußerung: Im politischen Meinungskampf sei auch Härteres zulässig.

Die Rechtslage

Bei Material, das dem redaktionellen Quellenschutz unterliegt, gilt das Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbot der Strafprozessordnung. Dann dürfen die Behörden nur tätig werden, wenn wegen Landesverrats, Friedensverrats, einer Gefährdung des Rechtsstaats, einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen Geldwäsche ermittelt wird – und selbst dann nur, wenn es keinen anderen Weg zur Aufklärung gibt.

Allerdings gilt der Quellenschutz nicht, wenn der Journalist selbst einer Straftat verdächtigt wird. Er gilt ebenfalls nicht, wenn es sich um Informationen handelt, die nicht im Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit stehen – wie in dem oben geschilderten Fall. Trotz dieser eigentlich klaren Rechtslage versuchen Behörden oft, die rechtlichen Schranken zu umgehen. Etwa bei „Cicero“, wo aus der Veröffentlichung eines normalen Dienstgeheimnisses vom BKA der Verdacht eines rechtlich schwerwiegenden „Geheimnisverrats“ wurde – denn das wäre einer der Ausnahmefälle. Das Bundesverfassungsgericht korrigierte diese Entscheidung genauso wie die des Landgerichts München, das die Durchsuchung der Redaktionsräume von „Max“ anordnete, nachdem ein Fotograf ein Shooting mit plastinierten Leichen organisiert hatte. Die Verfassungsrichter stellten zwar eine „Störung der Totenruhe“ fest, warfen dem Münchener Landgericht aber vor, die Pressefreiheit nicht ausreichend berücksichtigt zu haben.

Die Praxis

Zwar werden Durchsuchungen nachträglich oft für rechtswidrig erklärt, doch: Wenn die Polizei mit einem Beschluss vor der Tür steht, hat man keine Wahl. Denn der Beschluss ist unmittelbar vollstreckbar; selbst eine sofort eingelegte Beschwerde hätte keine aufschiebende Wirkung. Tatsächlicher Widerstand gegen die Durchsuchung zieht schnell einen weiteren Vorwurf nach sich: Behinderung der Staatsgewalt. Auch darf die Polizei Zwangsmittel zur Durchsetzung anwenden. Liegt ein Durchsuchungsbeschluss vor, ist man deshalb gut beraten, zu kooperieren. Man sollte sich allerdings eine Kopie des Beschlusses aushändigen lassen, wenn möglich jeden Beamten von einem Mitarbeiter begleiten lassen und protokollieren, was durchsucht und was beschlagnahmt wurde. Und am nächsten Tag prüfen, ob man gerichtlich gegen die Durchsuchung vorgeht.

Für die Ermittlungsbehörden bedeutet dies im Erfolgsfall, dass die beschlagnahmten Dokumente nicht verwertet werden dürfen. Für die Redaktion bleibt lediglich der moralische Sieg.

Stephan Zimprich ist Rechtsanwalt im Hamburger Büro der internationalen Sozietät Field Fisher Waterhouse.

stephan.zimprich@ffw.com

Erschienen in Ausgabe 04/202013 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 76 bis 76 Autor/en: Stephan Zimprich. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.