01. … dass aus der Imagekampagne der Zeitungen nichts wird?
Viele Zeitungsverleger konnten es selbst kaum fassen: Sie standen kurz davor, mit ihrem Verband, dem BDZV, etwas Gemeinsames auf die Beine zu stellen: eine groß angelegte Imagekampagne in eigener Sache. Sie haben sich womöglich zu früh gefreut.
Alles schien gut vorbereitet. Beim jüngsten BDZV-Kongress waren zwei scheinbar unbeteiligte Dritte eingeladen. Zum einen Holger Schwannecke, der Generalsekretär des Zentralverbands des deutschen Handwerks.
Schwannecke sagte, Zeitungen und Handwerker hätten etwas Gemeinsames: Sie würden als selbstverständlich angesehen und daher zu wenig wertgeschätzt. Zum anderen trat Uli Veigel von der Werbeagentur Grey auf. Er redete den Verlegern ins Gewissen: Anstatt nur das eigene Zeitungshaus im Blick zu haben, würde es der Branche gut tun, Zeitungen als Dachmarke zu verstehen und in Gattungsmarketing zu investieren, sagte er. Schließlich bekamen die Verleger einen Werbespot über „das Handwerk, die Wirtschaftsmacht von nebenan“ zu sehen. Die Kampagne von Schwanneckes Verband laufe auf allen Medienkanälen und sei auf mehrere Jahre angelegt, hieß es dazu. Die Verleger waren beeindruckt. So etwas wollten sie auch. Eine Steuerungsgruppe sollte das umsetzen, bestehend aus Verlagsmanagern wie Hans Georg Schnücker (Verlagsgruppe Rhein-Main) und Christian Nienhaus (WAZ-, jetzt Funke-Gruppe), Hans-Joachim Fuhrmann vom BDZV, Peter Stefan Herbst („Saarbrücker Zeitung“) und besagtem Uli Veigel. Die ersten Reaktionen auf den Entwurf sollen äußerst positiv gewesen sein, mancher will gar Euphorie verspürt haben. Eines der Motive zeigt eine Gruppe bärtiger Männer in Schützenuniform, das Gewehr in der Hand, dazu sinngemäß die Botschaft: Es ist okay, wenn du denkst, dass wir ein neues Gesetz zum Gebrauch von Schusswaffen brauchen – wenn du weißt, warum. „Die deutschen Zeitungen. Wissen, warum.“ Nach demselben Muster funktionieren alle Motive. Mal geht es um die Homo-Ehe, mal um Frauenrechte, mal um den Bau einer Umgehungsstraße. Es gibt eigene Motive für Sonntags- und für Lokalzeitungen, geplant sind neben Anzeigen in den Zeitungen Plakat-, Fernseh- und Kinowerbung. Im Spot heißt es zum Beispiel: Es ist okay, wenn du Paul McCartney für den größten Punk aller Zeiten hältst – wenn du weißt, warum. „Die deutschen Zeitungen. Wissen, warum.“ Alle schienen die Ideen gut, sogar lustig zu finden. Doch dann meldete sich Martin Balle zu Wort.
Auf Anfrage des „medium magazin“ bekräftigt der Verleger des „Straubinger Tageblatt“ seine Kritik. Grundsätzlich, sagt er, begrüße er „eine Werbekampagne, um unser Bild in der Öffentlichkeit zu verbessern“. Und falls die anderen Verleger die von Veigel konzipierte Kampagne unbedingt wollten, werde er sich „der Mehrheit beugen und mitmachen, allerdings nur wegen des Gemeinschaftsgedankens“. Die Kampagne halte er nämlich für „handwerklich und qualitativ schlecht. Viele meiner Studenten bringen schon nach wenigen Semestern geistreichere Ansätze zu Papier“, sagt Balle, der als Professor Journalismus an der FH Deggendorf unterrichtet. Weiter moniert er, die Kampagne basiere auf einer Fehlannahme, nämlich der, „dass wir ein Überlebensproblem hätten. Damit redet sie ohne Not die Zeitung schlecht. Mag sein, dass die Zeiten härtere sind. Uns geht es aber gut.“ Wem es schlecht gehe, möge eine bessere Zeitung machen. Ein „kostspieliger Schnellschuss“ wie diese Werbekampagne „hilft da gar nichts“.
Rund 30 Millionen Euro sind für die Kampagne veranschlagt, verteilt auf drei Jahre. Das Geld summiert sich, wenn jeder Mitgliedsverlag des BDZV pro Jahr und Auflagenexemplar seiner Zeitungen einen Euro zahlt. Freilich fanden sich schnell Verleger, die nicht einsehen wollen, warum sie eine Kampagne finanzieren sollten, von der Nicht-Mitglieder des BDZV für lau profitieren. Kurzum: Die Bedenkenträger aller Landesverbände vereinigten sich. Derzeit sieht alles danach aus, als verende das ambitionierte Projekt in üblichen verbandsinternen Debatten.
Die letzte Hoffnung ist ein Fragebogen, den der BDZV vor Ostern an sämtliche Mitgliedsverlage verschickt hat. Fuhrmann bestätigt das. Es gehe darum zu erfahren, ob die Verleger a) die Idee einer Imagekampagne überhaupt unterstützen, b) zur Finanzierung bereit sind, c) die Motive in den eigenen Blättern veröffentlichen würden und d) bereit wären, die Entscheidung über die Kreation besagter Steuerungsgruppe zu überlassen (statt sie basisdemokratisch zu Tode zu diskutieren).
Stimmen bis zur nächsten Delegiertenversammlung im Mai diesen vier Punkten 80 Prozent der vom BDZV repräsentierten verkauften Auflage zu, dürfte es zusätzlich zu Veigels fertiger Kampagne eine Ausschreibung geben: Weitere Agenturen sollen Ideen einreichen. Läuft alles glatt, könnte das Ergebnis beim BDZV-Kongress im Herbst präsentiert und bald darauf gestartet werden. Falls nicht, war die Liebesmüh vergeblich und alles läuft weiter wie bisher. Veigel fände das bedauerlich. Nicht nur, weil aus seiner bereits fertigen Kampagne nichts würde, sondern „weil die Zeitungsbranche damit eine riesengroße Chance vergeben würde“.
02. … dass Bertelsmann-Chef Thomas Rabe auch an seinem Image arbeitet?
Momentan versuchen viele an ihrem Image zu arbeiten. Die Verleger (siehe oben), auf ihre ganz eigene Weise auch die drei Springer-Abgesandten in Palo Alto. Wie sich Kai Diekmann, Peter Würtenberger und Martin Sinner da im „Spiegel“ haben abbilden lassen – alle drei in Jeans und Turnschuhen mit herausgezogenen Schnürsenkeln. Imageberater Frank Dopheide sagte dazu: Man müsse eben Anzug und Krawatte ablegen, um in der Community anzukommen. Die neue Konvention ist: Möglichst unkonventionell sein. Dazu passt Mathias Döpfners Satz: „Jetzt müssen wir uns auf die einstellen“, mit dem der Springer-Vorstandschef kürzlich den Wandel der Unternehmenskultur als „erfolgsentscheidend“ für die digitale Zukunft des Konzerns anmahnte. Springer reloaded? Wir sind gespannt!
Bertelsmann-Chef Thomas Rabe wiederum kokettiert vor Journalisten ja gern damit, dass er einmal Bassist in einer belgischen Punkband gewesen sei. Das sieht man ihm allerdings weniger an als seine Liebe zu kalten Zahlen. Wohl, um gegen genau dieses Image anzukämpfen, wurde nun Jim Rakete an Rabes Seite geholt. Der berühmte, aus der guten, alten Berliner Kreativ- und Musikszene stammende Fotograf erhielt von Bertelsmann den Auftrag, die Strategie des Konzerns fotografisch umzusetzen. Das Ergebnis war erstmals Ende März in der Berliner Repräsentanz zu sehen.
Rakete erzählte dort, wie er bei der Präsentation seiner ersten Entwürfe „wie ein Sechstklässler“ bei Bertelsmann-Sprecherin Katrin Schlautmann gesessen habe. Sie habe ihm dann erklärt, dass das so nicht geht, und gesagt, was sie sich vorstellt. Das Ergebnis sind die unten abgebildeten Motive, je eines für die vier Stoßrichtungen „Stärkung des Kerngeschäfts“, „Digitalisierung“, „Wachstumsplattformen“ und „Wachstumsregionen“.
Die Fotos haben wenig gemein mit den für Jim Rakete typischen Schwarz-weiß-Porträts. Wie kein Zweiter versteht Rakete das Charakteristische eines Menschen im Augenblick festzuhalten. Anders hier: Das Motiv „Kerngeschäft“ zeigt einen 08/15-Beau, als ginge es um Herrenmode. Am erstaunlichsten ist das Motiv „Wachstumsregionen“. Eigentlich soll es um die Expansion in Schwellenländer, in neue Kulturen gehen. Zu sehen sind Gesichter, ohne Falten, bar jeder Individualität.
Die Fotoserie sagt mehr über Bertelsmann, als dem Unternehmen lieb sein kann.
Ulrike Simon ist freie Medienjournalistin in Berlin.
autor@mediummagazin.de
Erschienen in Ausgabe 04/
202013 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 16 bis 17 Autor/en: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.