Ziemlich schlechte Freunde

„Wie sollen die Medien professioneller und verantwortlicher werden, wenn die Journalisten unter extrem prekären Bedingungen arbeiten müssen?“, fragt sich der Blogger und Publizist Costi Rogozanu. Der Mann hat in den letzten 15 Jahren in vielen Bukarester Redaktionen gearbeitet und kennt die Hochs und Tiefs der rumänischen Presse wie kaum ein anderer. Regelmäßig kritisiert er in seinen Zeitschriftkolumnen und Blogbeiträgen vor allem die Missstände bei den großen Nachrichtensendern, die die Agenda der Politik praktisch bestimmen. Und oft prangert er, wie andere Kollegen auch, die zweifelhafte Motivation an, die hinter vielen Attacken und Kampagnen dieser Sender steckt.

Genau über solche Kampagnen wird jetzt überall in Bukarest debattiert, nachdem die EU-Kommission diese scharf kritisiert hat. Das Ungewöhnliche daran: Die Kritik kam im jüngsten Kontrollbericht über die Lage der rumänischen Justiz zum Ausdruck. Der Bericht spielt eine wichtige Rolle bei der Entscheidung des EU-Rates, ob Rumänien dem grenzkontrollfreien Schengen-Raum endlich beitreten darf. Und diese Entscheidung wurde im März wieder vertagt. Brüssel behauptete, viele rumänische Zeitungen und Fernsehsender ließen sich von ihren Inhabern instrumentalisieren, trieben gezielte Diskreditierungs- und Einschüchterungskampagnen gegen prominente Richter oder Staatsanwälte. Dies beeinträchtige die Unabhängigkeit der Justiz und erfordere eine bessere Medienkontrolle.

Nicht namentlich genannt, aber zweifellos damit gemeint ist der Nachrichtensender Antena 3. Er gehört dem zwielichtigen Geschäftsmann und Politiker Dan Voiculescu, dessen kleine „Konservative Partei“ (PC) in den vergangenen Jahren bei jeder Regierungsbildung eine Schlüsselrolle gespielt hat. Zwar ist die PC noch nie auf eigene Faust ins Parlament eingezogen, dennoch war allen großen Parteien die aktive Unterstützung der Mediengruppe „Intact“ dermaßen wichtig, dass sie immer bereit waren, Voiculescu und seinen Mitarbeitern ein paar gute Plätze auf den Wahllisten und sogar Ministerposten einzuräumen.

Auch die heutige Regierung der Sozialliberalen Union (USL) wurde vor den Parlamentswahlen im Dezember von Antena 3 und anderen Medien der Intact-Gruppe unterstützt, die eine Kampagne gegen das andere politische Lager um Staatspräsident Traian Basescu führten. Der Preis: Ministerpräsident Victor Ponta musste zwei Minister der Voiculescu-Partei akzeptieren. Basescu spottet seit Jahren über den „Medien-Mogul“ und seine „Fernsehpartei“. Doch auch er koalierte 2004 für eine Parlamentsmehrheit mit der PC.

„Sowohl Ponta als auch Basescu ist seit Jahren sehr klar, dass Voiculescus Medienkonzern keinen Journalismus und seine Partei keine Politik betreibt“, stellt Publizist Rogozanu fest. „Sie dienen einfach den privaten und geschäftlichen Interessen des Inhabers.“ Ebenfalls instrumentalisierte der Fernsehmoderator Dan Diaconescu jahrelang seinen eigenen Sender OTV, um mit seiner neuen Partei ins Parlament zu ziehen. Die populistische „Volkspartei Dan Diaconescu“ (PPDD) bekam zwar erstaunliche 14 Prozent bei der Parlamentswahl, allerdings blieb Diaconescu selber ohne Mandat. Im nächsten Jahr will der Talkshow-Moderator, dessen tägliche Sendungen in der Regel sieben Stunden dauern, Staatspräsident werden. Doch weil OTV nicht in der Lage war, die Geldstrafen für Verstöße gegen die Grundnormen der Berichterstattung zu zahlen, entzog ihm die rumänische Fernsehaufsichtsbehörde CNA vor kurzem die Sendelizenz.

„Dass Medienkonzerne sich auflösen müssen, nachdem der Inhaber eine politische Niederlage einsteckt, ist nur logisch“, erklärt Sorana Stanescu, die für den öffentlich-rechtlichen Fernsehsender TVR arbeitet. Profitabel sei keines der Medienunternehmen, sie seien nur Vehikel für die sonstigen Interessen der Inhaber. In der Tat: Die jüngsten Jahreszahlen zeigen, dass fast alle Privatsender Verluste machen. Antena 3 etwa kostete Voiculescu 2011 rund eine Million Euro, bei einem Umsatz von knapp zwölf Millionen.

Publizist Rogozanu sieht darin vor allem ein strukturelles Problem: „In Rumänien wurden mit den Sparprogrammen 2010 die Rechte der Arbeitnehmer noch weiter abgebaut, obwohl sie bereits sehr prekär waren im Vergleich zu anderen EU-Ländern. Der Kündigungsschutz ist in der Praxis bedeutungslos. Die meisten Journalisten haben wie jeder andere Bürger in den guten Jahren vor der Wirtschaftskrise Hypotheken oder andere Kredite aufgenommen, die sie jetzt zurückzahlen müssen. Die EU-Kommission muss sich also nicht wundern, wenn die rumänischen Journalisten dem Druck nachgeben.“

Platz auf der Rangliste der Pressefreiheit 2013 geht an Finnland. www.reporter-ohne-grenzen.de

Erschienen in Ausgabe 04/202013 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 9 bis 9 Autor/en: Silviu Mihai. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.