„Frauenquote? Das ist mein Lieblingsthema!“ Die junge Verlegerin war schon vorher aufgekratzt, es ist 8.50 Uhr am Morgen, aber jetzt ist sie nicht mehr zu bremsen. Sie schwingt sich in ein Taxi vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof und erklärt mit schneller, heller Stimme, was das Problem an der Sache sei. Grundsätzlich, also „gefühlt“, lehne sie die Frauenquote ab, aber es gehe wohl nicht ohne, zumindest „temporär“ sei sie wichtig. Katarzyna Mol, seit einem Jahr Verlegerin und Geschäftsführerin des Frauen- und Psychologie-Magazins „Emotion“, sagt, Frauen machten zwar bessere Universitätsabschlüsse als Männer, aber danach gingen sie verloren. Sie trauten sich weniger zu als Männer, zögerten bisweilen so lange, bis eine gute Stelle weg sei, sie müssten stärker netzwerken, solidarischer sein, an ihre Kraft glauben. Dann bräuchten sie auch keine Frauenquote. Das Taxi hält vor dem Maritim-Hotel am Flughafen. Mol trifft eine Autorin, die sie für eine Kolumne und Vortragsreihe gewinnen will.
„Sportlich!“
Der 36-jährigen promovierten Juristin vergeht nicht so leicht die gute Laune. Im vergangenen Sommer etwa: „Emotion“, das damals noch zu Gruner+Jahr (G+J) gehört, büßt vom 1. zum 3. Quartal 13 Prozent im Einzelverkauf und 18 Prozent bei den Abonnenten ein. Die Bertelsmann-Tochter verliert im Jahr der Krise die Lust an dem Blatt und muss 200 Millionen Euro einsparen, „Emotion“ gerät auf eine Todesliste, die Mitarbeiter in Angst. Nur Katarzyna Mol bleibt ruhig. Sie habe die Fähigkeit, Unangenehmes nicht an sich ranzulassen, sagt Peter Hummel, früherer Redaktionsleiter des Blattes. „Sie ist eine Meisterin in positiver Stimmung.“ Und entscheidungsfreudig. Sie wirbt um Geldgeber, nimmt Darlehen auf, leiht sich von Mutter und Freund Geld. Am 11. November 2009 kauft die Geschäftsführerin Gruner+Jahr „Emotion“ ab. Den Mietvertrag für den neuen Redaktionssitz unterschreibt sie drei Tage, bevor die letzten Geldgeber zusagen. G+J-Chef Bernd Buchholz sagt: „Sportlich!“
Heiner Bente ist der Hauptinvestor von „Emotion“ und hält 28 Prozent der Anteile. Der Doktor der Physik kam mit einer Unternehmensberatung zu Geld. Er sagt: „Sie können sich Zahlen ansehen, aber die lassen sich immer von zwei Seiten betrachten, am Ende hängt sehr viel vom persönlichen Einsatz und Unternehmergeist ab und den hat Katarzyna Mol bewiesen.“ Woher sie diesen Willen und Mut hat, weiß sie nicht. Vielleicht vom Großvater, der in Polen eine Seifenfabrik besaß, vielleicht von der Mutter, mit der sie 1981 vor Kriegsrecht und Kommunisten nach Deutschland floh.
„Wir fühlen uns so frei wie nie.“
Seit einem Jahr ist sie nun ihr eigener Boss, Verlegerin und Herausgeberin, in den neuen Redaktionsräumen in Hamburg-Hoheluft. Vor 100 Jahren wurde auf dem Fabrikgelände Tabak mit Honig veredelt. In einem restaurierten Backsteinbau hinter einer schweren Metalltür entsteht nun monatlich ihr Magazin. Parkett, weiße Säulen, schwarze Sessel mit lila Kissen. Zehn Festangestellte arbeiten hier. Vor dem Wegzug aus München waren es 20, die wären aber trotz geringerer Kosten in einer mittelständischen Unternehmensstruktur zu teuer gewesen. Offiziell heißt es, die Investoren wären für den Standortwechsel, den viele nicht mitmachen konnten, ausschlaggebend gewesen. Nun füllen mehr freie Journalisten die monatlich 130 Seiten.
„Die Selbstständigkeit war die richtige Entscheidung“, sagt Katarzyna Mol. Chefredakteurin Dorothee Röhrig, die das Heft bereits 2006 mitgegründet hat, sagt: „Wir fühlen uns frei wie nie.“ Den letzten Halbsatz schrieben sie im August wie zur Selbst-Vergewisserung gleich auf den Titel. Bloß die Anzeigenkunden verdarben ein wenig den Spaß. Mol sagt: „Die meisten Kunden planen ihre Jahresbudgets jeweils im Oktober und November. Leider waren wir bei ihnen aber erst im Januar, Februar auf dem Radar. Das war für viele zu spät. Für das nächste Jahr sieht es besser aus.“ In der Oktober-Ausgabe fanden sich immerhin zwölf Anzeigenseiten, während es im März nur sechs waren.
„Ich glaube an mich“
Trotz allem: Vom 1. zum 2. Quartal 2010 fiel die verkaufte Auflage von 62.000 auf nicht mal 56.000 Hefte. Röhrig sagt, die falschen Frauen waren auf dem Cover. Models. Drei Mal. Zu jung auch noch. „Mittlerweile wissen wir, dass uns eher Frauen um 40 lesen. Unsere neue Coverstrategie hat sich darauf eingestellt.“ Die Leserinnen erwarten Vorbild-Frauen. Auf dem Titelblatt der Oktoberausgabe lächelte Julia Roberts und spricht im Interview über fragwürdige Schönheitsideale, Karriere und Familie, in der aktuellen Ausgabe verkündet Michelle Pfeiffer: „Ich brauche keinen Glamour.“ Und die Schlagzeile des Dossiers „Ich glaube an mich“ wirkt wie ein programmatisches Signal.
Dorothee Röhrig sagt: „Wir müssen das Magazin immer wieder justieren, sind aber auf einem guten Weg.“ Unterstützt wird sie dabei ab dem 1. November von Julia Möhn als Stellvertreterin. Möhn kommt von „Healthy Living“ (G+J), wo sie seit Februar stellvertretende Chefredakteurin war. Das Gesundheitsmagazin wurde jedoch im Juli eingestellt. Gleichzeitig hat Redaktionsleiter Clemens von Luck, seit April dabei, „Emotion“ wieder verlassen und arbeitet nun unter anderem als freier Mitarbeiter für das „stern“-Fotomagazin „View“.
Inhaltlich hat „Emotion“ immer noch den Anspruch, mehr als ein Frauenmagazin zu sein. „Unsere Zielgruppe liest auch Tageszeitungen oder den Spiegel“, sagt Röhrig. Die Titelergänzung „PsychologieMagazin“ ist zwar verschwunden, das klingt in Deutschland zu negativ, dennoch spielen psychologische Themen mit einer positiven Botschaft eine große Rolle im Blatt. Auch in der Krise die Chance sehen, lautet das „Emotion“-Mantra. Themen sind beispielsweise eine Frau, die ihrem kranken Mann eine Niere gespendet hat oder eine Businessfrau, die alles aufgibt, weil sie Mode entwerfen möchte.
Einen besonderen Stellenwert im Verlag haben Coachings und Business-Vortragsreihen für Frauen („Die Macht der Stimme“ oder „Die Marke: Ich“). Zehn Prozent des Gewinns sollen bald dadurch eingefahren werden. Mol sagt, sie möchte Frauen voranbringen, möchte, dass mehr Frauen erfolgreicher im Beruf seien, dazu müssten sie sich aber weiterentwickeln, coachen lassen. Denn: „Erst, wenn eine Frau die gleichen Qualifikationen wie ein Mann hat und genauso selbstbewusst auftritt, kommt die Frauenquote ins Spiel.“
Erschienen in Ausgabe Journalistin 2010/20Journalistin 2010 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 18 bis 19 Autor/en: Jan Söfjer. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.