Wir sind toll!

Es ist Neid ‚geben wir’s doch zu. Ja, das ist unangenehm, aber es führt am Ende doch weiter, als sich einzureden, dass die Typen doch ein Problem haben müssen. Dass sie vielleicht unsicher sind. Oder man ihnen irgendwie helfen müsste. Nein, die Herren können auf weibliche Bemutterung und therapeutische Ratschläge ganz gut verzichten. Die haben kein Problem. Eher im Gegenteil. Eitle Männer sind, was sie sind: eitel. Was am Ende vermutlich dazu führt, dass Frauen bei Chefredakteurs-, Ressortleiter und sonstigen Führungspositionen immer noch in der Unterzahl sind, obwohl sie in vielen Redaktionen inzwischen die Mehrheit stellen. Eitle Branche – eitle Chefs, wahrscheinlich ist das so einfach.

Welche Frau etwa würde auf die Idee kommen, sich von sich aus zu melden, um sich als Podiumsdiskussionsteilnehmerin anzubieten – selbst, wenn sie sich selbst für die einzige wahre, wirkliche Expertin auf dem zu diskutierenden Gebiet halten würde. Es gibt Männer, die machen so was. Frauen aber wollen gefragt werden – und sind insgeheim schwer beleidigt, wenn dann doch niemand anklopft. Was genau genommen nicht weniger eitel ist, dafür aber weniger erfolgsversprechend.

Ähnliches gilt für den Umgang von Frauen mit Fotos. Frauen ärgern sich schwarz, wenn sie auf einem Bild gucken wie ein Kamel – selbst, wenn sie unverkennbar der Mittelpunkt der abgebildeten Gruppe sind. Die meisten Männer zucken kurz mit der Schulter, wenn sie kamelgleich daherkommen, solange sie im Mittelpunkt zu sehen sind, ist die Welt in Ordnung. Sind sie das nicht, halten sich aber selbstredend für mittelpunktverdächtig, rufen sie an und bitten um Austausch des Fotos. Ja, dahinter kann man Unsicherheiten oder die Folgen einer schlimmen Kindheit wittern. Aber spätestens, wenn der eitle Kerl Chef wird, man selbst außer einem Bescheidenheitsorden aber nichts gewonnen hat, ist es Zeit, die Sache mal anders zu sehen.

Denn Frauen sind ja mitnichten uneitler als Männer. Weibliche Eitelkeit heißt nur anders. Nämlich: Perfektionismus. Und damit stehen sich Frauen besonders gerne selbst im Weg. Alles muss sitzen, von den Haaren auf dem Foto bis zur Sprechpause auf dem Podium – andernfalls verzehrt Frau sich in Selbsthass. Eine ausgesprochen masochistische Form von Eitelkeit. Die allerdings führt zu nicht viel, außer vielleicht zu ein paar Fotos in der Schublade, auf denen man sich wirklich gut aussehend findet.

Frauen nennen solches Verhalten deshalb auch nicht eitel: Sie nennen es inhaltsorientiert – und beschimpfen Männer als statusfixiert. Und kommen mit der uralten Mär von der Höhle und der Behauptung, dass die Natur das doch so vorgesehen habe, denn bei den Pfauen haben die Männchen doch auch … Männer seien eben stärker an Wettbewerb interessiert, so geht das Märchen, die Gene und Hormone seien darauf ausgerichtet. Dumm nur, dass Studien in matrilinearen Gesellschaften – solchen, in denen Frauen die entscheidende Rolle spielen – solche Geschichten widerlegen. Die nämlich zeigen, dass Frauen in solchen Gesellschaften deutlich wettbewerbsorientierter agieren als Männer. Sie sind sogar mehr auf Vergleich und Status aus als Männer aus vergleichbaren patriarchalen Gesellschaften.

Tja, die Entschuldigung mit den Genen gilt also wieder einmal nicht. Aber warum überhaupt Entschuldigung? Eigentlich sind wir doch nur neidisch, weil Männer so prima damit durchkommen, wenn sie ihren Anspruch offen geltend machen. Während wir immer noch darauf hoffen, dass Todsünden wie Eitelkeit wenigstens mit schlechtem Karma bestraft werden. Aber da hilft auch keine Hoffnung auf eine irgendwie bessere, weibliche Zukunft. Das Beispiel der matriarchalen Stammesgesellschaften zeigt: Wenn Frauen den Laden erst einmal übernommen haben, wird es auch nicht anders.

Lesetipp

In der Serie sind bisher erschienen:

Teil 1 – 2007: Der Verstand.

Teil 2 – 2008: Das Gefühl.

Teil 3 – 2009: Der Humor.

Erschienen in Ausgabe Journalistin 2010/20Journalistin 2010 in der Rubrik „Schlusspunkt“ auf Seite 20 bis 20 Autor/en: Eva-Maria Schnurr. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.