In die Presse geraten

Zwei Zitate: „Der Blick dieser Männerredaktion, das ist ein Blick, der ins Außen setzt, der signalisiert: du bist anders. Als Frau bin ich ein Eindringling, der tradierte Kommunikationsformen und Männerrituale stört – manchmal nur geduldet, manchmal erwünscht, für die ‚andere‘ Atmosphäre, für die ‚kleinen‘ Themen.“ Und hier das zweite: „Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Mann mit Stift und Zettel in die Konferenz kommt. Nie. Sie wissen, da sind ohnehin Frauen im Team, die das Wesentliche mitschreiben und diese Infos nachher an den gesamten Verteiler geben.“

Zwischen diesen beiden Sätzen liegen 26 Jahre. Der erste stammt von einer jungen Journalistin, die 1985 für den Sammelband „In die Presse geraten“ über ihre Erfahrungen im Redaktionsalltag schrieb. Den zweiten zitiert die „Welt“-Redakteurin Judith Luig, die uns einen Kommentar über „Breitbeiner“ in Redaktionen schrieb (s. S. 11). Es ist ein wenig unheimlich, diesen Sammelband zu lesen, der vor einem Vierteljahrhundert entstand. Schließlich sind wir der optimistischen Annahme, gerade in Zeiten der Frauenquotendiskussion, wir seien dann doch etwas weitergekommen. In der Tat: Es gibt Veränderungen, jenseits der Frage, ob „Frauenseiten“ in Tageszeitungen Sinn machen, das wird auch im Generationengespräch zwischen Ingrid Kolb und „Missy Magazine“-Chefredakteurin Chris Köver (s. S. 18) deutlich. Dass eine wie Christine Kröger, die in diesem Jahr mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet wurde, diejenige ist, die sich der harten Investigativthemen annimmt, sich Bedrohungen aussetzt, auch, weil es sonst keiner macht, ohne dass es einen wundert, ist bezeichnend. Wir finden, dass andere an ihrem Beispiel lernen können, und ließen sie von Kirsten Küppers porträtieren (s. S. 4).

Man sieht es an Kröger: Die Haltung ist anders als 1985, wo man darum kämpfen musste, inhaltlich ernst genommen zu werden. Heute scheint vieles zumindest machbar. Geschenkt wird den Frauen nichts – findet auch die ehemalige NDR-Direktorin und „ML mona lisa“-Macherin Maria von Welser. Sie stellt zwar erleichtert fest, dass bei den TV-Frauen gilt: „Content toppt Frisur!“, fordert aber, dass die Fernsehfrauen, die als freie Moderatorinnen arbeiten, sich entscheiden sollten, sich fest anstellen zu lassen – und so auf „Süßlupinen“ zu verzichten, aber dafür strategische Macht zu gewinnen (s. S. 12).

Das Auffälligste ist jedoch: Die Frauenquotendiskussion ist gesellschaftsfähig geworden, egal ob wirtschaftlich oder moralisch legitimiert. In der letzten „Journalistin“ vor einem Jahr fragten wir uns, ob der Springer-Vorstoß in Sachen Quote in der Branche Schule machen würde. Senta Krasser hat einmal nachgefragt (s. S. 8), sah Positives und Stagnation. Dass sich etwas bewegt, langsam, liegt an der offensiven Frauenförderung.

Der Wille allein reicht nicht.

 

Annette Milz / Anne Haeming

 

 

Erschienen in Ausgabe Journalistin 2011 in der Rubrik „Editorial“. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.