Sie schauen nicht nur gut aus

„Frauen müssen schön sein, weil Männer besser sehen als denken können“: einer meiner Lieblingssprüche, wenn es mal wieder in irgendeiner Diskussion um die Präsenz von Frauen im Fernsehen geht. Da regen sich dann die Herren auf und die Damen grinsen.

Dabei hat sich manches geändert, seit ich im März 1980 im damals zarten Alter von 34 Jahren meine erste „Rundschau“ im Bayerischen Fernsehen moderiert habe. Damals haben viele Zuschauer vor allem die Farbe der Bluse moniert, die Frisur kritisiert, den Lippenstift kommentiert. Zu den Inhalten kam wenig. Fernsehen, das wurde mir spätestens da klar, ist ein äußerliches Medium. Das Bild überlagert Texte. Die Gesten noch so fein formulierte Sätze. In einem Seminar habe ich dann später auch noch gelernt, wie viel wir als Zuschauer über den sogenannten „weißen Fleck“ aufnehmen: 75 Prozent der Informationen erreichen uns nonverbal. Über Farben, den Bildaufbau, das „Layout“ einer Sendung. Darum ist das „Äußere“ eben wichtig.

Auch heute sehen wir unverändert viele hochattraktive und intelligente Frauen auf dem Schirm. Als Moderatorinnen, als Talkmasterinnen. Immer mehr auch als Reporterinnen vor Ort oder in Krisen- und Kriegsgebieten an der Front. Das ist neu. Das ist gut so. Denn während die Moderatorinnen und Talkerinnen im Studio ein perfektes Bild abgeben, ist es inzwischen jedem Zuschauer klar, dass eine Reporterin während des Krieges in Libyen, bei einem Bericht von der dramatischen Hungerkatastrophe am Horn von Afrika oder nachts im Norden Japans nach dem Tsunami nicht gestylt sein muss: Es geht um den Inhalt, nicht um die verwurstelten Haare im Wind, das zerdrückte Hemd, das kaum geschminkte, oft müde Gesicht. Content toppt Frisur!

Reifeprüfung mit Schönheits-OP

Diese Reporterinnen sind fast alle – wie ihre männlichen Kollegen – fest angestellt. Sie werden im Sender ihren Weg machen. Vielleicht sogar in eine Leitungsposition, wo Auslandserfahrung, Auslandseinsätze geschätzt sind. Auf der Leiter nach oben helfen. Anders freilich die Sprecherinnen oder Moderatorinnen der Nachrichtensendungen: Die sind – anders als ihre männlichen Kollegen – meist frei und mit Jahresverträgen an die Sendung gebunden. Und da beginnt aus meiner Sicht für viele das Problem.

Meine ehemalige „ML mona lisa“-Mitstreiterin und jetzt „heute“-Moderatorin Petra Gerster hat zu dieser Thematik ein kluges Buch geschrieben: „Reifeprüfung. Die Frau von 50 Jahren“. Sie stellt gnadenlos die zentrale Frage: Wann ist Frau im Fernsehen alt? Und räumt in einem späteren Kapitel ein, dass sie sich mit 40 Jahren die Schlupflider habe korrigieren lassen. Mehr ist nicht von ihr zu weiteren Korrekturen am Gesicht zu lesen. Denn wie für alle Fernsehfrauen oder Schauspielerinnen gilt auch hier: kein Sterbenswörtchen über Facelifts oder sonstige Korrekturen. Egal was die anderen hinter einem Rücken tratschen und ratschen. Ganz selten sind Printmagazine so gemein und stellen die Fotos aus den vergangenen Jahrzehnten in einer Reihe nebeneinander. Da gibt es bei einigen doch gewaltige Veränderungen. Man mag gar nicht glauben, dass das nur auf das Konto von gesundem Leben, viel Wasser und gutem Schlaf gehen könnte. Petra Gerster schreibt in ihrem Buch viel über die vermeintlichen Verfallsdaten von Fernsehgesichtern. Natürlich nur von Frauen. Denn weder bei einem Erich Böhme, noch bei einem Uli Wickert oder Gerd Ruge ist je über Tränensäcke oder Nasenlabialfalten, über graue oder zu wenige Haare oder eine nicht mehr so deutliche Aussprache auch nur ein Wort verloren worden.

Warum müssen Frauen auf dem Schirm eben doch schön sein, aber Männer nur „interessant“? Wir werden uns zwar alle nicht so schnell ändern in unserer über Jahrhunderte tradierten Wahrnehmung. Aber wir Frauen auf dem Fernsehschirm können uns klug entscheiden. Sprich: wie Männer rechtzeitig Verantwortung übernehmen. Aus dem freien Mitarbeiterverhältnis in eine Festanstellung springen. Sicher, die „Süßlupinen“ wie Moderationen bei großen Veranstaltern, gut dotierte Vorträge und Ähnliches, die fallen dann weg. Aber: Eine Festanstellung für eine Fernsehfrau bedeutet nicht nur eine meist ordentliche Pension für die Zeit danach (und die kommt, glauben Sie’s mir!). Sondern sie ermöglicht auch Leitungsfunktionen, Entscheidungsmöglichkeiten. Unter anderem auch darüber, wenn jemand eine Sendung nicht mehr moderieren soll, ausgewechselt wird gegen vielleicht eine jüngere Kollegin. Ich fordere darum stets alle Frauen in privaten wie öffentlich-rechtlichen Sendern auf, Leitungspositionen anzustreben. Und quasi von der Basis her dafür zu sorgen, dass eben niemand wegen vermeintlicher Falten oder zu altem Aussehen vom Schirm muss.

Es kann doch nicht sein, dass bis heute überall nur Männer entscheiden! Drei Intendantinnen, Dagmar Reim vom RBB, Monika Piel vom WDR, und Anke Schäferkordt als RTL-Chefin, stehen den zu 89 Prozent von Männern besetzten Führungsetagen der deutschen Fernsehsender gegenüber.

Aber sehen wir uns einmal die Talklandschaft genauer an: zwei der neu eingeführten fünf ARD-Talks werden von begabten und schönen Frauen geleitet: Sandra Maischberger und Anne Will. Beiden gehört auch die Produktionsfirma, die ihre Talkreihe erstellt, im Auftrag der ARD. Bei Maischberger ist auch ihr Mann beteiligt. Ein kluger Schachzug, sie produzieren hoch geachtete und mit Preisen überhäufte Dokumentationen. Hier baut sich also die Fernsehfrau Maischberger ein zweites Bein auf, das sie unabhängig von ihrem Alter und dem Votum der ARD-Hierarchen weiter im Job sein lassen wird. Auch Anne Will besitzt die Produktionsfirma ihrer Sendung. Auch ihre Verträge werden alle zwei, drei Jahre vom federführenden ARD-Intendanten den Rundfunk-Gremien zur Verlängerung vorgelegt. Aber das ist eben keine Garantie bis zu einem Eintritt in das „dritte Leben“, die Zeit danach.

Die anderen drei ARD-Talker Frank Plasberg, Reinhold Beckmann und seit diesem Herbst auch Günther Jauch arbeiten nach demselben Muster: Sie besitzen die Produktionsfirma, die ihren Talk erstellt, produzieren dort aber noch andere Formate für andere Sender. Sie sind also breiter aufgestellt, um im Falle einer Absetzung ihrer Sendung nicht in ein finanzielles Loch zu fallen. Aber bei diesen dreien wird es wohl nie um ihr Alter und ihr Aussehen, höchstens um nicht erfüllte Quotenvorstellungen gehen.

Die Realität auf den Schirm

Bei TV-Frauen ist das bis heute anders. Das mag man anklagen, bedauern, ist aber nur langsam zu ändern. Und dafür müssen sie eben nicht nur vor der Kamera präsent sein, sondern in den Sendern Entscheidungspositionen erobern. Jedes Jahr stellen die Führungsriegen der Fernsehsender fest, dass mehr begabte junge Frauen alle Hürden für ein Volontariat genommen haben als männliche Anwärter. Wenn eine dann auch noch gut aussieht, eine Sprechausbildung hat, dauert es nicht lange, bis ein Fernsehhierarch zupackt und sie vor die Kamera setzt. Nur: Die Moderatorin, wie gesagt meist ohne festen Vertrag, wird älter, vielleicht Mutter – und sollte spätestens dann anfangen, sich Gedanken über ihre Zukunft zu machen. Und sich etwa fest anstellen lassen. Es gibt sie, die Vorgesetzten, die Frauen einstellen, nur Mut! Sicher, manchmal ist der Preis dafür, nicht mehr auf dem Schirm zu erscheinen. Na und? Ich bin überzeugt: Sind erst einmal mehr Frauen in Führungspositionen der Sender, wird eben nicht mehr hinter ihrem Rücken getuschelt über vermeintliches Lifting, zu viele Falten oder einen „dringend anstehenden Wechsel“ auf dem Schirm. In den Vereinigten Staaten ist das längst so. Barbara Walters, die erste Nachrichtenfrau und Anchorwoman der USA und Starmoderatorin der Politsendung „60 Minutes“, moderierte ihren eigenen Talk bis sie Mitte 70 war. Christiane Amanpour, Jahrgang 1958, berichtete zehn Jahre für CNN in Krisen- und Kriegsgebieten, bis sie vor einem Jahr die sonntägliche ABC-Nachrichtensendung übernahm. Und Oprah Winfrey, vier Jahre älter, zog sich erst im Mai als wohl erfolgreichste US-Talkerin vom Schirm zurück.

Nach Japan gibt es nirgends auf der Welt so viele ältere Menschen wie in Deutschland. Die Fernsehsender definierten immerhin schon die werberelevante Zielgruppe neu, schauen nun auch auf die Über-49-Jährigen: Die haben schließlich das Geld und die Zeit einzukaufen. Doch jetzt wird es auch Zeit für mehr: Wir wollen auf dem Fernsehschirm ein Ebenbild unserer Wirklichkeit erleben dürfen. Und nicht nur geklonte junge Menschen sehen, die suggerieren, dass man nur krachdürr, strohblond und mit aufgeplusterten Lippen eine Chance im Leben hat.

 

DIE AUTORIN
Die Publizistin Maria von Welser ist NDR-Direktorin a. D. und leitete das ZDF-Frauenjournal „ML Mona Lisa“. www.mariavonwelser.de

 

Erschienen in Ausgabe „Journalistin 2011“ in der Rubrik „Medien“. Fotos: Screenshots Youtube. Autor/en: Maria von Welser. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.