Die Journalistin Stefanie Bilen und die Medienmanagerin Nicole Mai haben viel zu tun, seit sie vor genau einem Jahr die Plattform „Saal Zwei“ gegründet haben. Hier eine Podiumsdiskussion zu E-Commerce in der Mode, da ein Round Table zu Start-ups, dort eine Lady’s Night – die beiden Hamburgerinnen suchen auch offline den direkten Kontakt zu ihrer Zielgruppe.
Denn die „Saal Zwei“-Leserinnen, das sind Frauen in Führungspositionen bzw. Frauen mit Ambitionen, dort einmal hinzukommen. Frauen, die sich für Wirtschaft und Kultur, für Kinder und Karriere interessieren – aber wenig Zeit haben für ausgiebige Zeitschriften- und Zeitungs-Lektüre. „Wir begreifen uns als Scouts, die die nationale und internationale Presse sichten – und für Frauen eine Schnittmenge an Themen bieten, wie es sie sonst nirgends gibt“, sagt Stefanie Bilen, die als freie Wirtschaftsjournalistin unter anderem für „Harvard Business Manager“ und FAZ schreibt.
Kernstück des Konzepts ist der wöchentliche Newsletter, von den „Saal Zwei“-Macherinnen „Online-Magazin“ genannt: Lesenswerte Artikel werden hier kommentiert und zu den entsprechenden Seiten verlinkt. Ein geschickter Griff, mit dem „wir rechtlich auf der sicheren Seite sind“, betont Mai – anders als das Online-Magazin „Perlentaucher“, das im Newsletter ganze Textpassagen wiedergab. Information und Nutzwert will „Saal Zwei“ mit den ausgewählten Artikeln liefern, Denkanstöße geben und den Frauen Mut machen – nämlich unternehmerisch etwas zu wagen, sich Beruf und Familie zuzutrauen, Rechte gegenüber den Männern (ob Gatte, Chef oder Kollegen) einzufordern.
Wie die Klick-Raten zeigen, kommen Geschichten über „Role Models“ bei den Leserinnen gut an. Doch ein Thema muss nicht „menscheln“, damit es für „Saal Zwei“ relevant wird. Häufig geht es schlicht um einen „weiblichen Blick“ auf die Welt: „Die Wirtschaftswelt besteht eben nicht nur aus Banken, Telekommunikation und Autos. Es gibt viele Themen, die in der Wirtschaftspresse kaum stattfinden, etwa aus der Konsumgüterwelt, vom Bildungsmarkt und im Social Entrepreneurship“, sagt Bilen. Und wenn zwei Konzerne fusionieren, wäre die „Saal Zwei“-Frage: Gibt es unter den Strippenziehern auch eine Frau?
Unterstützung erfahren Bilen und Mai bei der Themenauswahl und -aufbereitung von einem Dutzend Journalistinnen, die für die Rubrik „Diese Woche aufgefallen“ Artikel aufspüren – wie Eva Buchhorn von „Manager Magazin“ aus der Welt des Management, Sabine Kartte vom „Stern“ aus dem Tagesgeschehen und aus London die „Handelsblatt“-Korrespondentin Katharina Slodczyk. Die übrigen Rubriken – wie „Von Menschen und Märkten“ und „Die persönliche Perspektive“ zu Karrierethemen – bestückt Stefanie Bilen derzeit noch alleine, ebenso führt sie die „Exklusiv“-Interviews wie kürzlich mit Silvana Koch-Mehrin.
Aber das ist keineswegs Programm: „Langfristig wollen wir in allen Rubriken die Meinungsvielfalt unter den, Saal Zwei‘-Autorinnen widerspiegeln“, sagt Bilen. Nämlich dann, wenn „Saal Zwei“ Honorare zahlen kann. Noch engagieren sich die Gast-Autorinnen aus Überzeugung. Und weil der Marketing-Etat schmal und der Bezug des Newsletters kostenlos ist, setzen Nicole Mai und Stefanie Bilen darauf, dass mit einer steigenden Zahl an Leserinnen auch das Interesse der Kunden für Produkt- und Stellenanzeigen steigt – noch fallen sie optisch und finanziell nicht weiter ins Gewicht.
3.000 Leserinnen versammelt „Saal Zwei“ Mai zufolge derzeit in einer „Community“, die sie nicht nur informieren, sondern auch mit passenden Arbeitgebern zusammenbringen möchte – ganz im Sinne des Slogans „Saal Zwei verbindet Wesentliches“. Deshalb beantwortet in nächster Zeit eine Personalberatung für weibliche Führungskräfte Leserinnen-Fragen zur Karriere, und die Managementberatung der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesarbeitsagentur berät sogar telefonisch. Und wer es nicht zu einem der Events von und mit „Saal Zwei“ in Hamburg schafft – der kann über Facebook mit den Macherinnen und den anderen Leserinnen ins Gespräch kommen.
Eva Keller
ist freie Journalistin in Frankfurt.
eva-keller@web.de
Erschienen in Ausgabe 10+11/2012 Journalistin in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 0 bis 0 Autor/en: Eva Keller. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.