Der Druck nimmt zu

?Vor 20 Jahren wurde der Journalistinnenbund gegründet. Was waren die Probleme von Frauen im Journalismus damals?

Eva Kohlrusch: Journalismus war ein reiner Männerberuf. Frauen mussten sich permanent rechtfertigen und ihren Stand erkämpfen, ob als gute Autorin, Expertin oder Reporterin. Wir wurden als Eindringlinge wahrgenommen und auf Randthemen oder sogenannte weibliche Themen festgenagelt: Soziales, Haushaltstipps, Kosmetik und Mode. Das ist zum Glück heute vorbei. Frauen sind in allen journalistischen Bereichen präsent, besonders bei der Informationsvermittlung oder als Moderatorinnen in Talkrunden.

Klingt, als wären alle Probleme gelöst?

Eben nicht. Frauen sind zwar in allen Bereichen des Journalismus vertreten, aber sie sind nicht in die Führungspositionen aufgestiegen. Sie setzen nicht die Themenauswahl fest und bestimmen nicht den Tonfall einer Sendung oder Zeitschrift.

Fehlen Frauen die weiblichen Vorbilder?

Ich denke, Vorbilder gibt es. Vielleicht fürchten Frauen, dass sie in Führungspositionen zu sehr in Verwaltungsarbeit eingebunden sind und ihnen die inhaltliche Arbeit verloren geht. Viele Frauen haben eine sehr idealistische Vorstellung von ihrem Beruf. Die wenigen Vorbilder, die es gibt, ermutigen aber.

Sehen Sie sich als so ein Vorbild?

Nein. An mir kann man zwar sehen, dass man viele Dinge im Leben ausprobieren und mit eigenem Anspruch machen kann, aber als Vorbild sehe ich mich nicht. Denn ich habe eigentlich nicht erreicht, was ich wollte. Ich wollte eine Journalistin sein, die vor Ort arbeitet und Geschichten ausgräbt. Stattdessen deute ich Menschen aus der Ferne und bin auf das Psychologisieren ausgewichen. Journalistische Vorbilder gäben für mich Kämpferischeres ab.

Angela Merkel ist Kanzlerin, Monika Piehl WDR Intendantin, es gibt doch Vorbilder in Top-Positionen. Wofür braucht man heute noch den Journalistinnenbund?

Erstens besteht immer noch die Notwendigkeit, etwas für die Rolle der Frau in der Gesellschaft und für Frauen in Führungsaufgaben zu tun, aber das ist nur ein Teil unserer Arbeit. Uns geht es auch darum, einen Ort zu bieten, an dem man Frauen mit ähnlichen Problemen und Fragestellungen trifft. In unserem Internet-Forum zum Beispiel können Journalistinnen sich austauschen, ermutigen und aktuelle Themen diskutieren. Dort geben Frauen sich auch gegenseitig Tipps, von der Kameraempfehlung bis zur Honorarberatung, aber auch Trost und Bestärkung.

Das klingt nach Lebenshilfe für Journalistinnen.

Nein, das Wort finde ich verkleinernd. Wir sind eine berufsständische Vereinigung, in der wichtige Sachfragen oder ethische Fragen zu unserem Selbstverständnis gestellt werden. Wir organisieren Austausch mit ausländischen Institutionen und vergeben Preise für hervorragenden, insbesondere gendergerechten Journalismus. Zudem stehen wir in unserem Mentorinnenprogramm jungen Journalistinnen ein Jahr lang beratend zur Seite.

Es fällt auf, dass Feminismus als Begriff gar nicht auftaucht. Konnte man vor 20 Jahren eher Anhänger mit feministischen Ideen locken?

Im Wort Feminismus liegt eine Barriere. Es hat den Klang, als sei darin eine bestimmte, fertige Weltsicht gefangen. In dem Sinne aber, in dem ‚feministisch‘ meint, die Welt willentlich aus dem eigenen Erfahrungszusammenhang heraus zu betrachten und speziell Dinge für Frauen durchzusetzen, ist der Journalistinnenbund durchaus feministisch. Die berufliche Situation, der Trend zur Eile, die unablässig anbrandenden Informationsfluten, der Drang, alles zur Unterhaltung werden zu lassen, stellt zwar mehr und mehr Klärungsbedarf in den Vordergrund, den Männer genauso haben, aber trotzdem müssen wir unsere Antworten auf unsere Art finden und uns zusammenschließen, um auch politisch etwas durchzusetzen. Niemand außer wir selber können etwas für uns tun.

Wie positionieren Sie sich zu den Gewerkschaften?

Gewerkschaftliche Fragen wie Arbeitsverträge aushandeln oder Tarifverhandlungen liegen eindeutig bei den Gewerkschaften. Wir beraten, aber vertreten niemanden.

Versteht sich der Journalistinnenbund also als Netzwerk im Stillen wie die Rotarier?

In unserem Grundsatz steht, der Journalistinnenbund fördert die Kommunikation, den Erfahrungsaustausch, den Zusammenhalt und die gegenseitige Hilfe zwischen seinen Mitgliedern – das ist im Kern eine sehr stille Angelegenheit. Ich wäre allerdings dafür, dass wir uns nach 20 Jahren mehr nach außen wenden.

20 Jahre sind doch eine recht lange Zeit für einen Verein, um sich zu etablieren.

Ja. Obwohl die Themen des Journalistinnenbundes wichtig waren, haben wir uns damit nie sehr in die Öffentlichkeit gedrängt. Das ist nur zum Teil eine Sache der Bescheidenheit: Medien berichten nun einmal selten über das, was aus dem Innern der Medien kommt. Da müssten wir gezielter rangehen.

Haben Sie denn eine Vorstellung, wie Sie das erreichen wollen?

Frauen, die als Mitglieder des Journalistinnenbundes kenntlich sind, müssten in Talkshows sitzen, nicht nur, wenn es um Pressefragen geht. Man dürfte bei bestimmten Themen gar nicht auf die Meinung des Journalistinnenbundes verzichten können. Aber das entwickelt sich erst mit den Jahren. Mein Lieblingsprojekt ist daher eine Expertinnenbank. Jeder, der und jede, die eine Expertin zu einem bestimmten Fachgebiet sucht, soll sich an den Journalistinnenbund wenden können und wir vermitteln dann. Wichtig ist, dass Frauen ganz selbstverständlich in Gremien und Talkrunden vertreten sind. So kämen diese neuerdings wieder üblichen reinen Männerrunden gar nicht mehr zusammen.

Was haben Sie seit Ihrem Amtsantritt konkret geändert?

Zum einen habe ich das Forum im Journalistinnenbund vorangetrieben. Das mündete unter anderem in der „Angela Watch“ – eine Beobachtung darüber, wie Frau Merkel und Herr Schröder in den Medien dargestellt werden. Da die Artikel über Angela Merkel eindeutig überwogen, entstand daraus eher eine Merkel-Analyse, statt wie geplant eine Kanzler-Betrachtungsanalyse. Im Moment fließen meine Zeit und meine Aktivität hauptsächlich in die Planung unseres Jubiläums.

Auf Ihnen lag die Hoffnung, dass die Mitgliederzahlen steigen, Ende 2005 waren es 386, wie viele sind es jetzt?

Heute haben wir 431 Mitglieder.

Führen Sie das auf sich zurück?

Nein. Ich bin zwar kein absolut bescheidener Mensch, aber an diese Wirkung glaube ich nicht. Vielleicht bringt mein Name mehr Aufmerksamkeit, weil man ihn irgendwo schon gelesen hat- und mediale Aufmerksamkeit ist eine harte Währung heutzutage. Eher könnte ich mir vorstellen, dass meine Beziehung zum Boulevard und zum People-Journalismus eine Belastung für den Journalistinnenbund sein könnte, weil das den seichten Bereich so in den Vordergrund rückt. Dass wir mehr Mitglieder bekommen haben, liegt wohl eher daran, dass der Druck des Marktes zugenommen hat. Beklemmend viele Journalistinnen können gar nicht mehr von ihrem Beruf leben, sondern müssen irgendeinen Zusatzberuf ausüben. Das ist eine sehr traurige Entwicklung und beeinflusst natürlich Frauen, sich anderen anzuschließen.

LinkTipp:

Zur Jubiläumstagung erscheint eine fast 100 seitige Festschrift 20 Jahre Journalistinnenbund u. a. mit einem lesenswerten Interview der beiden Intendantinnen Dagmar Reim und Monika Piel und vielen weiteren Beiträgen, keineswegs nur zur Vereinsgeschichte. Das Buch ist zu beziehen unter: www.journalistinnenbund.de

Erschienen in Ausgabe 9/2007 in der Rubrik „Netzwerken“ auf Seite 30 bis 33 Autor/en: Interview: Mareike Fuchs. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.