Die OECD hat kürzlich festgestellt, dass die Gehaltskluft zwischen Männern und Frauen in kaum einem anderen Industrieland so groß ist wie in Deutschland. Laut Statistischem Bundesamt verdienten im Jahr 2007 Frauen durchschnittlich 20 Prozent weniger als Männer in vergleichbarer Position, Geschäftsführerinnen sogar 31 Prozent weniger. Wo- ran liegt’s?
Sonja Bischoff: Da gibt es ein Bündel von Ursachen. Zum einen sind Frauen in der Regel weniger mobil als Männer. Sie haben – bei Vollzeitstellen – im Durchschnitt geringere Wochenarbeitszeiten. Zudem vereinbaren sie seltener erfolgsabhängige Gehaltsbestandteile. Dazu kommt, dass Frauen am Anfang ihres Berufsweges deutlich weniger aufstiegsorientiert sind. Je höher sie steigen, desto geringer wird der Anteil der Frauen, die noch weiter aufsteigen wollen. In meinen Studien habe ich aber auch klar nachweisen können, dass es zum Teil massive Vorurteile sind, die sich im geringeren Verdienst der Frauen niederschlagen. Männern werden mehr Kompetenzen zugetraut. Dies wiederum wird als Begründung genommen, um Frauen ein geringeres Gehalt zu zahlen. Ein weiterer wichtiger Faktor für ungleiche Bezahlung ist, dass Frauen häufiger weniger Mitarbeiter haben als Männer in vergleichbaren Positionen, das schlägt sich direkt auf die Höhe des Gehalts nieder. Für Frauen bedeutet das doppelte Diskriminierung: Weniger Mitarbeiter, was mehr Arbeit für alle, auch für die Frau an der Spitze, bedeutet. Und diese erhält dafür dann auch noch weniger Geld.
Sie haben herausgefunden, dass Frauen erst zufriedener werden, wenn sie höher aufsteigen. Woher kommt der Frust auf den unteren Karrierestufen, der auch in Redaktionen spürbar ist?
Der Grund, der hier bei Führungskräften in der Wirtschaft am häufigsten genannt wird, ist die mangelhafte Qualität der vorgesetzten Führungs- ebene.
Das heißt, die Chefs sind mies?
Ja, genau das wird kritisiert – übrigens von Frauen und Männern in den unteren Karrierestufen gleichermaßen. Einen deutlichen Unterschied gibt es dagegen bei der Frage nach dem Geld: Frauen in den unteren Positionen äußern sich seltener unzufrieden über ihr Gehalt als Männer. Umgekehrt ist aber eindeutig erkennbar, dass mit steigendem Einkommen auch der Anteil der aufstiegswilligen Frauen wächst – ein attraktiveres Gehalt motiviert.
In einem Interview zu Ihrer 2005 veröffentlichten Studie „Wer führt in (die) Zukunft“ haben sie gesagt: „Nicht Kinder sind die Karrierekiller, sondern die Vorurteile Frauen gegenüber.“ Hat sich seither etwas geändert?
Ich denke, nein. Die Ergebnisse meiner neuen Studie werden erst Mitte 2009 vorliegen. Aber die Zahl der Managerinnen, die Kinder haben, ist in den letzten zwanzig Jahren beständig gestiegen. 1986 hatten von den befragten weiblichen Führungskräften 38 Prozent Kinder. 2003 waren es schon 59 Prozent. Trotzdem ist die Zahl derer, die Kinder für ihren beruflichen Aufstieg als Hindernis empfunden haben, gleichgeblieben – nur jede 20. der Managerinnen empfand das so. Vorurteile gegenüber Frauen dagegen werden unverändert stark als Karrierebremse wahrgenommen.
Stehen die Frauen ‚die’s nicht nach oben schaffen, manchmal auch sich selbst im Weg?
Frauen haben ein grundsätzliches Problem: Sie studieren nicht karriereorientiert. Zwar ist die Zahl der jungen Frauen, die Natur-, Wirtschafts- oder Ingenieurwissenschaften studieren, kontinuierlich gestiegen: Von rund 20 Prozent aller Absolventinnen Anfang der 1990-er Jahre stieg die Zahl zehn Jahre später auf rund 30 Prozent. Aber auch innerhalb dieser Studienfächer findet aus meiner Sicht die falsche Auswahl statt: Viele junge Frauen studieren Biologie oder Bauingenieurwesen, also Fächer, in denen sie immer noch im Schnitt schlechtere Berufsaussichten haben.
Sie vertreten die Ansicht, dass Teilzeit karriereschädlich ist. Das empfinden viele, gerade auch Frauen im Journalismus, als provokativ. Welche Alternativen sehen sie?
Frauen, die Teilzeit arbeiten, sind zu wenig im Betrieb. Das ist für den Aufstieg schädlich. Besser wären Vollzeitstellen, bei denen die Flexibilität bei der Einteilung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes höher ist. Unternehmerinnen arbeiten zwar länger, aber sie können ihre Zeit freier einteilen und eher auch mal zu Hause arbeiten. Bei unseren Befragungen war unter den Unternehmerinnen die Zahl derer mit Kindern ganz deutlich höher als unter den angestellten Managerinnen.
Sie finden, „Führungskräfte, die weniger karrierebewusst sind, sind für Unternehmen die besseren Manager“. Inwiefern?
Karrierebewusste Männer haben ihren eigenen Aufstieg im Blick und nennen Charisma, Führungseigenschaften, Durchsetzungsfähigkeit und Mobilität als Erfolgsfaktoren. Für nicht aufstiegsorientierte Männer stehen dagegen Persönlichkeit, Weiterbildung, Freude an der Arbeit, Zuverlässigkeit und die Identifikation mit dem Unternehmen im Mittelpunkt. So wie sie nennen auch aufstiegsorientierte Frauen häufiger Erfolgsfaktoren, die dem Unternehmen gut tun. Ideal wäre also eine Führung, die sich aus weniger karrierebewussten Männern und aufstiegsorientierten Frauen zusammensetzt – das würde dem Unternehmen guttun.
Frauen fördern, fordern oder Karriere besser planen?
Frauen sollten auf jeden Fall ihre Karriere als selbstverständliche Option im Kopf haben. Unternehmen sollten beides tun: Fördern und fordern. Auch bei Frauen wachsen eindeutig der Aufstiegswille und die Motivation mit dem Gehalt. Mentorenprogramme können auch hilfreich sein.
Sie raten dazu, Frauen wie Männer sollten Firmen mit hohem Frauenanteil meiden, weil dort das Einkommen niedriger sei. Welche Schlüsse können Journalistinnen daraus für ihr eigenes Fortkommen ziehen?
Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Einkommensniveau in einem Unternehmen sinkt, wenn der Anteil der schlechter verdienenden Führungskräfte höher ist. Davon sind dann Männer wie Frauen betroffen. Männer allerdings wehren sich eher dagegen und fordern bei einem Wechsel in eine neue Firma einen viel höheren Gehaltssprung ein.
Wer führt in (die) Zukunft?
Das werden wohl vorerst noch überwiegend Männer sein. Aber wir sind auf einem guten Weg.
Wie nehmen Sie die Berichterstattung in den Medien über Frauen in Spitzenpositionen wahr?
In der Öffentlichkeit insgesamt wird das Kinderthema zu sehr in den Vordergrund gestellt, während die Vorurteile als Karrierekiller kaum eine Rolle spielen. In den Medien werden vor allem Führungsfrauen in den Mittelpunkt gerückt, die glamourös sind oder sich auf Fotos gut machen. Selbst bei den männlichen Führungskräften hat die äußere Erscheinung als Erfolgsfaktor Karriere gemacht. 45 Prozent der zuletzt von mir befragten überdurchschnittlich erfolgreichen Manager bezeichneten ein attraktives Äußeres als „wichtig“ für ihr berufliches Fortkommen. Statistisch betrachtet rückte damit die äußere Erscheinung zum zweitwichtigsten Faktor auf – gleich nach dem Fachwissen.
Lesetipp:
Bücher von Sonja Bischoff:
„Wer führt in (die) Zukunft? Männer und Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft in Deutschland“; Schriftenreihe Deutsche Gesellschaft für Personalführung (Band 77), Bielefeld 2005 (Hrsg.)
„Top-Arbeitgeber für Frauen – wer sie sind, was sie bieten“, Mannheim 1996 „Frauen zwischen Macht und Mann – Männer in der Defensive – Führungskräfte in Zeiten des Umbruchs“, Reinbek 1990
Erschienen in Ausgabe Journalistin 2008/20Journalistin 2008 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 14 bis 14 Autor/en: Interview: Liane von Droste. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.