„Frauen sind oft zu ehrlich“

1. Frauenwege an die Spitze – Fördern, fordern oder besser planen?

2. Gezielter Hochsprung oder Hürdenlauf – wie haben Sie selbst ihren Werdegang beruflich und privat erlebt?

3. Was schätzen, was vermissen Sie als Journalistin am Leben und erfolgreichen Arbeiten in Ihrem Land besonders?

Claudia Knauer (47)

Werdegang: Studium Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Philosophie in Kiel und Pennsylvania, Mitarbeit Lokalzeitung. Pressesprecherin und Geschäftsführerin der FDP-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft.

Nach Geburt des Sohnes 1991 freie Journalistin; seit 1996 Redakteurin beim „Nordschleswiger“, Deutsche Tageszeitung in Aabenraa, Dänemark.

Derzeit: stellvertretende Chefredakteurin „Nordschleswiger“, verheiratet, zwei Kinder (7 und 17).

1. Auf jeden Fall muss man sich darüber im Klaren sein, wohin man will. Wenn die Journalistin das nicht weiß, kommt sie irgendwo hin, aber oft nicht an die Stelle, die sie ausfüllen möchte. Fördern durch Arbeitgeber ist ungemein wichtig, vor allem auch ermutigen: „Du kannst das, du schaffst das“ und ein familiäres Umfeld, wo auch Mann und Kinder sagen, „ich find‘ das toll, dass du an die Spitze willst“. Planung ist nicht verkehrt, kann aber den Blick verstellen für die Nebenwege, die sich vielleicht auftun und die auch zum Ziel führen.

2. Mein eigener Werdegang ist genauso ein „Umwegegang“. Ich wollte immer Journalistin werden. Während des Studiums habe ich eine Studentenzeitung gemacht und als PR-Mitarbeiterin bei einer Partei begonnen (großer Fehler eigentlich, weil eine Parteimitarbeit später viele grade Wege verbaut), weil wir das Einkommen brauchten. Nach der Geburt meines Sohnes habe ich mich recht erfolgreich als Free Lancer etabliert, was aber nur ging, weil mein Mann gut verdiente und mich intellektuell immer in meinem Tun unterstützt hat. Dann habe ich beim „Nordschleswiger“ die feste Anstellung bekommen und bin mittlerweile stellvertretende Chefredakteurin, dazu ermuntert und gefördert von meinem Chef. Dahin, wo ich im Journalismus bin, bin ich gekommen, weil ich daran gearbeitet habe und weil ich immer wusste: Ich will schreiben.

3. Ich schätze in Dänemark die Kinderbetreuungsmöglichkeiten, dass in der Regel alle Frauen in meinem Alter arbeiten, die guten Recherchemöglichkeiten, die Überschaubarkeit und die Gemeinschaft. Ich vermisse ganz entschieden die deutsche Sprache. Natürlich schreibe ich auf Deutsch, aber alles andere spielt sich ja auf Dänisch ab. Das kann ich natürlich, aber Deutsch ist meine Herzens-, Mutter- und Vatersprache.

Alexandra Föderl-Schmid (37)

Werdegang: Studium Publizistik, Politik, Geschichte, Promotion; Mitarbeit „Der Standard“, Wien, als Deutschland- und EU-Korrespondentin, dann Ressortleiterin Wirtschaft.

Derzeit: seit 2007 Chefredakteurin „Der Standard“, verheiratet.

1. Unbedingt Fordern. Von Karriereplanung halte ich persönlich nicht sehr viel. Frauen müssen Chancen bekommen – sie dann aber auch ergreifen. Und sich etwas zutrauen.

2. Ich habe keine Karriere angestrebt. Für mich sind aber Herausforderungen wichtig. Als die Frage kam, ob ich Chefredakteurin werden will, habe ich zuerst Nein gesagt. Mir ist dann noch einmal Bedenkzeit eingeräumt worden, schließlich habe ich zugesagt.

3. Mir fehlt häufig die Weite hier, auch im Denken. Österreich ist ein Land, in dem (fast) jeder jeden kennt.

Inge Seibel-Müller (50)

Werdegang: Studium Volkswirtschaft, Romanistik u. Philosophie in München; Aufbau und Mitarbeit, später Programmleiterin und Chefredakteurin Radio Charivari München; Chefredakteurin und Programmchefin Antenne Thüringen.

Derzeit: Freie Journalistin, Dozentin, Moderatorin; Mitglied des Projektteams Hörfunk der Bundeszentrale für politische Bildung; Redakteurin Online-Plattform www.hoerfunker.de, verheiratet, ein Kind.

1. Ich denke nicht, dass es da spezieller Rezepte bedarf. Frauen sollten ihre Karriere genauso planen wie Männer. Zu viele Frauen begnügen sich mit weniger, da Kind und Familie immer eine alternative Lebensplanung darstellen. Von diesem typischen Rollenverhalten müssen sich die Frauen bewusst verabschieden. Frauen sind oft zu ehrlich. Sie trauen sich selbst weniger zu, gestehen offen – und ungefragt! – Fehler ein, verkaufen sich schlecht. Männer hingegen kehren heraus, wie toll sie dies und jenes gemeistert haben. Frauen sollte man fördern, ja. Aber nicht durch eine Quote, sondern durch gezielte Stärkung des Selbstbewusstseins.

2. Ich hatte keinen festen Karriereplan. Es war auch Glück dabei. Als 1986 der Privatfunk überall in Deutschland entstand, gab es für Quereinsteiger gute Chancen. Ich habe neben dem Studium meinen Lebensunterhalt mit einem Reporterjob bei einem Münchener Lokalblatt verdient. Fünf Münchner lokale Radiostationen suchten Leute. Ich bewarb mich bei Radio Charivari. Das war harte Aufbauarbeit. Ich habe nicht gefragt: „Was bekomme ich dafür?“ Ich habe jede Chance zur Weiterbildung genutzt, oft zehn bis zwölf Stunden im Sender verbracht. Dann wurde mir die Stelle als Redaktionsleiterin des Senders und wenig später die als Programmchefin angeboten. Da habe ich natürlich zugegriffen.

Der nächste Schritt war Eigeninitiative: die Leitung von Antenne Thüringen, ein landesweiter Sender mit mehreren Außenstudios und wesentlich mehr Mitarbeitern. Es machte Spaß, die Konkurrenz – ausschließlich Männer – aus dem Rennen zu schlagen. Privat habe ich lange Jahre nichts vermisst, der Sender war mein Lebensinhalt. Als meine Tochter auf die Welt kam, war ich vierzig Jahre alt. Das war der Zeitpunkt für mich, innezuhalten und loszulassen von weiteren Karriereplänen. Ich musste weder mir noch anderen etwas beweisen. 10 oder 15 Jahre früher hätte ich sicher immer das Gefühl gehabt, etwas versäumt zu haben.

3. Den Journalistenberuf finde ich nach wie vor aufregend. Man trifft interessante Menschen, lernt neue Dinge und Orte kennen. Was ich vermisse, ist mehr Mut und Courage in unserem Beruf. Zu vieles wird nicht hinterfragt. Journalisten lassen sich von geschickter PR-Strategie der Unternehmen, Kommunen, Stars oder Politiker einlullen. Zu viele trauen sich keine eigene Meinung zu, laufen den „Leithammeln“ unserer Gattung hinterher. In den Führungspositionen sitzen viel zu selten noch Vorbilder, Menschen, zu denen man aufschauen möchte. Manche Führungskräfte scheinen Angst zu haben, gute Leute zu fördern aus Furcht um die eigene Position. So fördert man das Mittelmaß.

Jana Klameth (45)

Werdegang: Journalistikstudium Leipzig, Volontariat „Sächsische Zeitung“; Stationen: verantwortliche Lokal- dann Kreisredakteurin Freital und Dippoldiswalde; in der Chefredaktion verantwortliche Koordinatorin Lokales und Mantel, Hauptausgabe West; Prokuristin in der Redaktions- und Verlagsgesellschaft Freital.

Derzeit: Seit 2003 geschäftsführende Gesellschafterin und Leiterin der Regionalredaktion der Redaktions- und Verlagsgesellschaft Freital/Pirna; verheiratet, zwei Kinder

1. Wichtig ist ein guter Mix von allem. Ich selbst bin nach der Wende ins kalte Wasser geworfen worden und habe 1990 mit 27 Jahren und zwei Kindern im Alter von vier und einem Jahr die Leitung der Lokalredaktion der „Sächsischen Zeitung“ in Freital übernommen. Meine Erfahrung: Man muss laut und deutlich sagen, dass man mehr kann und mehr will. Dann findet man auch Förderer. In meinem Fall alles Männer: mein Mann, der Chefredakteur und der Verlagsleiter. Mit guter Planung und dem Verständnis der Kollegen hat immer beides irgendwie gepasst: Familie und Beruf. Ich hatte auch den Vorteil, dass es in den neuen Bundesländern seit Jahrzehnten akzeptiert ist, dass Mütter arbeiten. Meine Kinder wurden beide vom ersten Jahr an bis zur vierten Klasse tagsüber in Krippe, Kindergarten und später im Schulhort gut betreut.

2. Man muss wissen, was man will, sonst kann man es gleich lassen. Ich habe „hier“ gerufen, als ein Kreis-Chef für zwei Lokalredaktionen gesucht wurde. Nach zehn Jahren bin ich auf eine Stelle
in die Chefredaktion gewechselt. Die eher strategische Arbeit dort war nicht meine Welt und ich bin zurück ins Lokale gegangen, als Gesellschafterin und Geschäftsführerin. Die „Sächsische Zeitung“ hat 1999 begonnen, ihre Lokalredaktionen in GmbHs auszugliedern. Mit mehr Schwierigkeiten hatte ich zu kämpfen, als zwei Gesellschaften zu einer verschmolzen werden sollten. Da gingen plötzlich alle selbstverständlich davon aus, dass der männliche Kollege der Nachbargesellschaft die Leitung der künftig vier Lokalredaktionen umfassenden Redaktions- und Verlagsgesellschaft übernehmen sollte. Mir wurden Alternativen angeboten, die unakzeptabel waren. Ich lehnte ab, habe der Chefredaktion und der Verlagsspitze meine Vorstellungen erläutert – und habe den Job bekommen.

3. Ich war und bin froh, dass ich in Sachsen dank der guten Kinderbetreuung immer voll arbeiten gehen konnte. Der Beruf ist mir wichtig und macht auch nach 22 Jahren noch Spaß. Die Kehrseite: Vor allem in den letzten zwei, drei Jahren ist der Druck auf die Redakteure weit größer geworden, nicht zuletzt durch höhere Anforderungen bei gleichbleibender oder sogar geringerer personeller Ausstattung. Die Folge sind täglich zehn bis zwölf Stunden in der Redaktion und ein Privatleben, das auf der Strecke zu bleiben droht. Für junge Kollegen wird es zunehmend schwerer, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Gut, dass meine Kinder 19 und 22 Jahre alt sind.

Katja Riefler (45)

Werdegang: Redakteurin „Allgäuer Zeitung“, Studium Politikwissenschaft, Philosophie und Amerikanistik Universität München, Journalistenweiterbildung FU Berlin; freie Projektarbeit, verschiedenste Fachpublikationen, u. a. Buchveröffentlichung „Zeitung online. Neue Wege zu Lesern und Anzeigenkunden“ (1995).

Derzeit: Inhaberin des Medienberatungsunternehmens RISolutions, München, Beratung von Zeitungsverlagen, BDZV und IFRA; European Director der US-amerikanischen AIM Group; Schwerpunkt Online-Projekte;

1. Es müsste eine Mischung aus diesen Ingredenzien sein. Ohne eine gewisse Förderung haben Frauen es nach wie vor schwer, ganz an die Spitze zu kommen. Ohne gefordert zu werden, gibt niemand Höchstleistungen – egal, ob Mann oder Frau. Wer nicht zumindest etwas plant, also ein berufliches Ziel oder Idealbild vor Augen hat und verfolgt, wer nicht zumindest ungefähr weiß, was er oder sie will, wird kaum an der Spitze ankommen. Bei Frauen kommt noch hinzu, dass sie häufig ihr Licht unter den Scheffel stellen. Das ist in unserer Kultur keine gute Strategie für den Weg nach oben.

2. Von einem gezielten Hochsprung kann man in meinem Fall sicherlich nicht reden, von einem Hürdenlauf aber auch nicht. Ich hatte das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Sprich: Ich habe bei Recherchen zu einem meiner Lieblingsthemen – der Zukunft der Zeitung – sehr früh die kommende Bedeutung des Internets für die Medienwelt erkannt. Just zu dem Zeitpunkt, als dann mein erstes Buch zu diesem Thema erschien, begannen sich auch die Zeitungsverlage dafür zu interessieren. Die Möglichkeiten, die sich daraus ergaben, habe ich konsequent genutzt. Die größte Schwierigkeit war, als Frau mit journalistischem Hintergrund von der noch immer männer- und wirtschaftsdominierten Verlagswelt ernst genommen zu werden. Das ist mir inzwischen wohl gelungen. Dabei kam mir die Neuheit des gesamten Themenbereichs sicherlich zugute, ebenso meine Neugier. Ich lerne einfach gerne und stelle Dinge in Zusammenhang. Und privat habe ich das Glück, in einem Umfeld zu leben, das mir alle Freiheiten lässt.

3. Zeit! Es gibt so viele spannende Projekte, so viele interessante Aspekte, die nachzuverfolgen sich lohnen würde. Aber der Tag hat nur 24 Stunden. Und die Auftraggeber haben in der Regel nur ein begrenztes Budget. Und beides muss man in Einklang bekommen …

Sabine Schicke (52)

Werdegang: nach einem Pädagogik-Studium nicht Lehrerin, sondern „aus Überzeugung“ Journalistin geworden.

Derzeit: stellvertretende Lokalchefin „Nordwest-Zeitung“, Oldenburg; Mitglied des Projektteams Lokaljournalismus der Bundeszentrale für politische Bildung.

1. Eine Mischung aus allem. Zu jedem Volontärskurs sollte heute das Thema Karriereplanung gehören. Mentorinnen-Programme, wie sie etwa der Journalistinnenbund anbietet, helfen ebenfalls weiter.

2. Eindeutig Hürdenlauf. Ich habe ursprünglich Lehramt studiert, mehr aus Verlegenheit als aus Berufung. Als junge Journalistin war mir Macht nie wichtig. Mein Ehrgeiz und meine Leidenschaft hatten ein Ziel: Ich wollte eine exzellente Schreiberin werden und mich für eine gerechtere Welt einsetzen. So gut, so naiv. Erst sehr viel später habe ich begriffen, dass – wer etwas gestalten oder verändern will – auch die Position dazu braucht.

3. Ich schätze die Freiheiten, die ich als Journalistin in diesem Land habe. In den crossmedialen Zeiten verändert sich unser Beruf rasend schnell. Komplexität erfordert Intuition im Labyrinth. Mit dem Motto „höher, schneller, weiter“ landen wir höchstens auf der Intensivstation. Stattdessen: kreatives Klima in den Ressorts, das junge Frauen ermutigt, Fehler nicht als Desaster, sondern als Ermutigung beim Experimentieren zu betrachten. Ich wünsche mir außerdem bei den Chefredakteuren angedockte Trainee-Stellen, damit Frauen ausprobieren können, ob sie das wollen. Und Conditio sine qua non: Arbeitsbedingungen, die eine Karriere mit Kindern zulassen.

Catherine Duttweiler (46)

Werdegang: Ausbildung Ringier-Journalistenschule; Mitglied Chefredaktion „Basler Zeitung“; Redaktionsleiterin Radio DRS3.

Derzeit: Seit 2005 Chefredakteurin „Bieler Tagblatt“, Schweiz.

1. Journalistinnen sind oft selbstkritischer und zögern, sich für Chefinnenposten zu melden. Nach meiner Erfahrung muss man beispielsweise Ressortleiterinnen gezielt aufbauen und auch ermuntern, sich für Führungspositionen zu bewerben.

2. Ich selber habe zuerst über zehn Jahre lang Erfahrungen als Redaktorin, freie Journalistin, Bundeshauskorrespondentin und Buchautorin gesammelt; erst danach konnte ich mir überhaupt vorstellen, eine leitende Funktion zu übernehmen. Es war dann ein Sprung ins kalte Wasser, Führungs- und Managementwissen habe ich mir später in einem Executive MBA (Managementausbildung mit Abschluss „Master of Business Administration“, Anm. d. Red.) angeeignet. – Im Laufe meiner Karriere war ich stets mobil und stark engagiert; das Privatleben hat darunter gelitten, mit Kindern wäre das nicht möglich gewesen.

3. Journalismus ist für mich nach 23 Jahren immer noch sehr, sehr spannend. Allerdings wird der kreative Spielraum angesichts des Spardrucks als Folge von Medienkonzentration, Internet und Gratiszeitungen immer kleiner. Ich muss von meinen Leuten manchmal mehr verlangen, als mir lieb ist. Und ich selber würde mir eine bessere Work-Life-Balance wünschen.

Erschienen in Ausgabe Journalistin 2008/20Journalistin 2008 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 10 bis 13 Autor/en: Umfrage Liane von Droste. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.