Networking, Mentoring, Coaching, Karriere – Begriffe, die jungen Medienfrauen heute leicht über die Lippen gehen. Viele sind Mitglied bei Xing, Facebook & Co. und investieren alljährlich 55 Euro, um beim Herbsttreffen der Medienfrauen Workshops zu Themen wie „Think big – Erfolg beginnt im Kopf!“, „Die Gorilla-Taktik: Mut zu Stimme und Auftritt“ oder „Der Samurai-Impuls fürs Business“ zu besuchen und neue berufliche Kontakte zu knüpfen. Nur wenige wissen, dass sie es Feministinnen der Generation ihrer Mütter zu verdanken haben, dass sie sich bei der Herbsttagung fast ausschließlich Fragen der Persönlichkeitsbildung oder Fachthemen wie „HDTV – wie scharf ist unser Fernsehbild?“ oder „Was geht im virtuellen Fernsehstudio?“ widmen können und Frauenförderpläne, Geschlechterperspektiven im Programm oder Frauen und Sprache längst keine Arbeitsgruppenthemen mehr sind. Doch wie war das, als damals junge Medientalente den Aufstand probten? Was haben sie erreicht, was bleibt zu tun?
Protestbewegung. Es muss in etwa so zugegangen sein wie bei den ersten Grünen-Parteitagen, als 1978 130 Medienfrauen von ARD und ZDF auf Einladung der ZDF-Frauengruppe in der Frankfurter Jugendherberge zu ihrem ersten Herbsttreffen zusammenkamen. Ute Mies-Weber, bis Juni 2008 Frauenbeauftragte der Deutschen Welle und eine der Teilnehmerinnen, erinnert sich anlässlich des Jubiläums 2007: „Ich konnte nicht stricken. Und was ich vorfand, waren ein voller Saal, lebhafte Diskussionen und viele Frauen, die beides gleichzeitig konnten – debattieren und stricken.“ Was die Medienfrauen von ARD und ZDF Ende der 70er zusammenbrachte und zuvor bereits zur Gründung diverser Frauengruppen in den einzelnen Häusern geführt hatte, war Wut. Wut über die bestehenden Machtverhältnisse in den Medienanstalten und die offensichtliche Benachteiligung von Frauen (unter den zirka 130 Männern in den Geschäftsleitungen von ARD und ZDF findet sich damals nur eine Frau – die Justiziarin des Süddeutschen Rundfunks; die 14 Intendanten von ARD und ZDF sind allesamt Männer). Wut aber auch über das überkommene Frauenbild im Fernsehen wie es Prof. Erich Küchenhoff 1975 in seiner Studie „Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen“ nachgewiesen hatte: Frauen sind im Programm des deutschen Fernsehens erheblich unterrepräsentiert, stellt er fest. Und: Wenn Frauen überhaupt vorkommen, werden sie stereotyp dargestellt und einseitig auf Attribute äußerlicher „Attraktivität“ festgelegt. Hausfrau und Mutter oder Geliebte – mehr gab es nicht im Fernsehen der 70er-Jahre.
Geschlechterdemokratie in Beruf und Gesellschaft ist von Anfang an Ziel der Medienfrauen. Bereits ein Jahr nach Gründung des Netzwerks entsteht auf dem Treffen in Berlin der Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes, das die Grundlage bildet für spätere Gesetzgebungsverfahren zur Frauenförderung. Visionäre Forderungen wie „Wir wollen alle Stellen mit 40 % Frauen und 40 % Männern besetzen, die restlichen 20 % könnten flexibel disponiert werden“ oder – heute kaum mehr vorstellbar – „Wir fordern das Babyjahr in den Tarifverträgen“ tragen den Teilnehmerinnen der Herbsttreffen den Spott männlicher Kollegen ein, führen Anfang der 80er-Jahre aber auch zum Quotierungsbeschluss der Rundfunkgewerkschaft RFFU, wonach Frauen ihrem Anteil in der Gewerkschaft entsprechend auch in den Gremien vertreten sein müssen. Mitte der 80er-Jahre nehmen Frauenförderpläne immer mehr Gestalt an. Orientierung bietet den Medienfrauen das „Zielpapier des WDR zur Durchsetzung der Gleichstellung“ der WDR-Frauengruppe. Der Westdeutsche Rundfunk war es auch, bei dem 1989 die erste hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte einer Landesrundfunkanstalt berufen wurde und ein Frauenförderplan in Kraft trat, in dem erstmals das Ziel festgeschrieben wurde, Frauen und Männern in allen beruflichen Bereichen, Vergütungsgruppen und auf allen hierarchischen Ebenen gleiche Chancen zu eröffnen. Andere Anstalten ziehen nach; Mitte der 90er-Jahre ist die Frauenfrage auf unterschiedlichen Grundlagen in allen Sendern des öffentlich-rechtlicher Rundfunks institutionalisiert – ein Erfolg, den es ohne die Herbsttreffen der Medienfrauen mit ihren Resolutionen an Gewerkschaften und Intendanten nicht gegeben hätte. Ebenso wenig wie die Ernennung von Dagmar Reim und Monika Piel zu Intendantinnen des RBB bzw. WDR 2003 und 2007.
Frauensolidarität. Bis heute profitieren Frauen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk von dem, was Medienfrauen von ARD, ZDF und seit 1980 auch ORF über ihre Frauenförderpläne erstritten haben. Wenn je nach Anstalt alle zwei oder vier Jahre die Gleichstellungsbeauftragten mit Vertretern der Direktionen, des Personalrats und der Hauptabteilung Personal zusammenkommen, geht es um mehr als Prozent- angaben in Tabellen: „Alle reden über Quoten. Nur wenige sehen, was hinter den Zielvorgaben eigentlich steckt. Nämlich konkrete Angebote für Wiedereinsteigerinnen, Eltern im Spagat zwischen Familie und Beruf, zur Nachwuchsförderung und Personalsuche im technischen Bereich“, sagt Katja Habermehl-Fuchs, seit Januar Beauftragte für Chancengleichheit beim SWR in Baden-Baden und Projektkoordinatorin des diesjährigen Herbsttreffens. „Trotzdem dürfen Frauen ihre Karriere nicht dem Zufall überlassen. Berufliche Kontakte, wie wir sie auf unseren Herbsttreffen knüpfen, können freien Kolleginnen neue Auftraggeberinnen und Führungsfrauen miteinander ins Gespräch bringen. Denn Frauenkarrieren, so zeigt sich bis heute, werden in den seltensten Fällen von Männern gemacht.“
Erschienen in Ausgabe Journalistin 2009/20Journalistin 2009 in der Rubrik „Netzwerk“ auf Seite 12 bis 12 Autor/en: Katy Walther. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.