Nutzt den Machtcode

Ich treffe regelmäßig auf sie – nennen wir sie einmal „Julia“. Sie ist 29 Jahre alt, hat ihr Studium erfolgreich abgeschlossen, bei einer namhaften deutschen Tageszeitung volontiert und dort eine Redakteursstelle angetreten. Die erste Stufe der Karriereleiter. Und da steht sie jetzt.

Gespräche mit Julia drehen sich schnell um ein gemeinsames Thema: Wie schafft frau es, eine Karriere aufzubauen? Vielleicht sogar im Einklang mit einer Familie? Gute Frage an jemanden, der auf einem Plateau angekommen ist und sich den Kopf an der „gläsernen Decke“ einrennt.

Denken Sie strategisch. Einiges hat sich seit meinem Volontariat 1987 geändert. So kann sich Julia im Oktober 2009 zu einer wachsenden Gruppe am Arbeitsmarkt und im Journalismus zählen: den Frauen. Mehr Mädchen als Jungen machen Abitur. Der Anteil der Frauen in den Medien ist in den vergangenen 30 Jahren stetig gestiegen. Über 50 Prozent aller Auszubildenden im Berufsfeld Journalismus sind weiblich, über 30 Prozent aller fest angestellten Journalistinnen Frauen.

Ist damit die Zukunft in den Medienberufen weiblich? Ich meine, nein, solange der Prozentsatz der Chefredakteurinnen im einstelligen Bereich liegt. Platt gesprochen: Wer nicht macht, der wird gemacht. Und Macht ist auf den Chefetagen angesiedelt. Kraft Position wird dort die Agenda gesetzt, Budgets verwaltet, Arbeitszeiten geregelt, Inhalte bestimmt.

Ich denke, wenn frau bei voraussichtlich 45 Jahren Arbeitsleben nicht auf der Stelle treten will, müssen die Julias dieser Welt deutlicher und strategischer ihre Karriere planen. Denn Karriere wird in unserer Gesellschaft gemessen an Position, Macht und Einkommen. Ob uns das gefällt oder nicht.

Stellen Sie (sich) Fragen. Gute Planung fängt damit an, dass jede Kollegin ihre Stärken analysieren muss. Was kann ich gut? Besser als andere? Kann ich meine Stärken zu einer Marke entwickeln? Vielleicht mit Alleinstellungsmerkmal?

Als Zweites käme die Marktanalyse: Wer tummelt sich auf meinem Spielfeld? Gegen wen trete ich an? Davon ausgehend sollte sich frau anschließend Ziele setzen. Wo will ich in drei Jahren stehen, was in zehn Jahren erreichen? Was muss ich dafür tun? Als nächster Schritt müssen Zielvereinbarungen mit dem Vorgesetzten entwickelt werden. Keiner sagt, das ist einfach.

Mein nächster Gedanke zielt auf die Umsetzung. Wir sollten spielerischer an unsere Karriere-Entwicklung herangehen. Beim Spiel geht es um den Spaß, aber auch ums Gewinnen. In der ersten Klasse wählte mein Sohn für ein Fußballspiel zu meiner großen Überraschung nicht seinen besten Freund in die Mannschaft. Der Grund, den er mir nannte, war überzeugend: Der Freund war ein schlechter Fußballspieler. Der Freundschaft hat seine Entscheidung keinen Abbruch getan.

Warum betrachten wir das Geschehen am Konferenztisch nicht einmal als Spiel? Klar, wir kennen die Regeln oft nicht. Aber Regeln lassen sich lernen wie Fremdsprachen und zum Thema männliches Führungsverhalten stehen ausreichend Bücher im Regal. Und im Frauenfußball sind wir mittlerweile auch ganz vorne.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich möchte aus Julia keinen Julian machen. Es geht mir nicht um „Vermännlichung“. Es geht mir darum, den „Code der Macht“ auf unsere Vokabelliste zu setzen und unser Spektrum zu erweitern. Dazu könnte auch gehören, sich einen Mentor herauszupicken. Wer im Unternehmen könnte ein „väterlicher Lehrmeister“ sein? Wer kann frau helfen, die Strukturen zu begreifen, die Syntax zu verstehen und den Code zu knacken?

Mein dritter Gedanke gilt dem Selbstmarketing. Gute Leistung und fachliche Qualitäten führen nicht automatisch zu Anerkennung und Aufstieg. Frauen haben häufig jahrelang eingetrichtert bekommen, sich nicht in den Vordergrund zu stellen. Nun, aus meiner Sicht sind die Aussichten dieser Strategie so erfolgreich wie das Warten auf den Prinzen hoch zu Ross.

Viertens fällt mir ein bedeutender Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Karriereplanung auf. Männer entscheiden sich zielstrebig für eine Führungskarriere, Frauen wägen das Pro und Contra gründlich ab. Sie gewichten ihr privates Umfeld stärker. Folglich schlägt die Waage häufig für Familie und Kinder aus. Das ist gut so. Aber das Ziel darf nicht aus den Augen verloren werden.

Zu guter Letzt kommen die Netzwerke, der Austausch und die Information unter Gleichgesinnten. Ein professionelles Coaching kann zudem dabei unterstützen, mutig einzufordern, was frau zusteht und helfen, den eigenen Weg nicht aus den Augen zu verlieren. Dann sollte es schon klappen mit der Karriere.

Erschienen in Ausgabe Journalistin 2009/20Journalistin 2009 in der Rubrik „Standpunkt“ auf Seite 9 bis 9 Autor/en: Elenor Pospiech. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.