Stimmen zur dpa-Diskussion

Geht s auch ohne dpa?  Statements aus Redaktion und Wissenschaft:

1) Aus redaktioneller Sicht: Peter Stefan Herbst, Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung

„Die Grundversorgung einer Tageszeitung mit Agenturmaterial von dpa halte ich grundsätzlich für wichtig und richtig. Hier ist die dpa so einfach nicht zu ersetzen, weil sie zu vielen Themen und von vielen Standorten in der Regel schneller und umfassender informiert als andere Agenturen. Das kann niemand ernsthaft bestreiten. Davon profitieren Redaktionen und Leser.“

„Man muss sich schon die Mühe machen und jeden Fall einzeln analysieren. Während etwa die Lausitzer Rundschau auch deshalb wieder zu dpa zurückkehrte, weil sie eine solide und umfassende Berichterstattung aus damals drei Bundesländern ihres Verbreitungsgebietes bei hohen Qualitätsansprüchen von Redaktion und Lesern nicht günstiger selbst stemmen konnte, können wir bei der Saarbrücker Zeitung auf den Landesdienst der dpa problemlos verzichten. Wir haben im Saarland rund 100 Redakteure und Volontäre im Einsatz, die dpa aber nur einen festen und einige freie Mitarbeiter. Hier sind wir zwangsläufig näher dran.“

„Natürlich kann eine größere Regionalzeitung für ihren Mantel auf dpa verzichten. Das haben wir bei der Lausitzer Rundschau und der Saarbrücker Zeitung ja auch getan. Dann kommt man aber schnell an den Punkt, an dem man sich fragt, wie sinnvoll das ist und ob man zum Schluss wirklich Geld spart. Es ist doch keinem geholfen, wenn er das Geld, das er ohne dpa spart, in andere Agenturen steckt und zudem eigene Leute dafür einsetzen muss, die Defizite der dpa-Konkurrenz aufzufangen. Wir setzen die eigenen Kolleginnen und Kollegen lieber für individuelle und möglichst exklusive Geschichten aus dem eigenen Verbreitungsgebiet ein. Das ist immerhin unser Kerngeschäft. Wer sagt, ohne dpa gewinne er Kreativität im Mantel, unterschlägt, dass er so auch schnell Exklusivität im Regionalen verlieren kann.“

„Eine Zeit ohne dpa kann für eine Redaktion positive pädagogische Effekte haben. Aber mal ehrlich: Auch ohne so eine radikale Maßnahme können Arbeitsabläufe optimiert und Kreativität gesteigert werden.“

„Ich würde es sehr bedauern, wenn durch neue Kündigungen die dpa weiter geschwächt würde. Damit könnte nämlich auch die Messlatte für die anderen Agenturen sinken. Und machen wir uns doch keine Illusion: Die anderen Agenturen sind keine gleichwertigen Wettbewerber, sondern gute Spezialisten mit eigenen Kernkompetenzen, die in der Regel gute Ergänzungen, aber keinen vollständigen Ersatz für dpa bieten. Agenturen lassen sich nicht ohne Abstriche bei Qualität und Quantität des Materials beliebig austauschen.“

„Kluge Verleger haben Nachrichtenagenturen gegründet, um Geld zu sparen. Sie wollten nicht an allen Standorten, die für die Berichterstattung ihrer Zeitung wichtig sind, eigene Mitarbeiter beschäftigen. Der Grundgedanke der Solidarität muss in Zeiten der Ensolidarisierung der Medienbranche wieder an Bedeutung gewinnen.

„Der Vorwurf der Überproduktion bei einer Agentur zieht bei mir nicht. Da geht es ja um Vollständigkeit und unterschiedliche Interessen. Als Saarbrücker Zeitung können wir auch nicht einfach den Sport- oder Kulturteil weglassen, nur weil einzelne Lesergruppen sich für diese Themenbereiche nicht interessieren.“

 „Wenn das Geschäftsmodell dpa nicht mehr funktionieren sollte, wären die größten Verlierer die kleinen und mittleren Zeitungen, die sich keine eigenen Korrespondenten an wichtigen Standorten leisten können und auch in Konzernen keine Möglichkeit für Synergien haben. Ihre Redaktionskosten würden steigen oder die Leser schlechter informiert werden. Die Medienkonzentration könnte zunehmen. Gerade in einer Krise muss eine Branche auch auf so vermeintlich biedere Werte wie Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit und Solidarität setzen. Wenn wir das jetzt nicht mehr tun, wird es nach der Krise umso schwerer.“

„Ich halte nichts von einer zentralen Produktion des gesamten Mantels für Standorte, die weit auseinanderliegen. Das lässt sich nicht sinnvoll umsetzen, weil die Sichtweisen auf wichtige Ereignisse in Deutschland und der Welt ganz unterschiedlich sind. Ein starker Mantel lebt von seiner starken Regionalisierung. Bei einem einheitlichen Mantel würden die beteiligten Zeitungen ihr Gesicht verlieren und damit ihren größten Erfolgsfaktor, nämlich die regionale Verwurzelung. Ein Einheitsmantel macht die Zeitung sehr schnell ersetzbar. Was sich aber sehr wohl realisieren lässt, sind Synergien bei Themen mit geringeren regionalen Bezügen, wie zum Beispiel bei Immobilien-, Reise-, oder Autoseiten. Hier arbeiten wir seit Jahren mit anderen Regionalzeitungen intensiv zusammen. So wird auch die tägliche Internetseite der Saarbrücker Zeitung an vielen Erscheinungstagen von der Lausitzer Rundschau und dem Trierischen Volksfreund übernommen, die nur noch regionale Bezüge ersetzen müssen. Dabei helfen uns ein gemeinsames Redaktionssystem und ein vergleichbares und dennoch individuelles Seitenlayout.“

zur Debatte, als dpa-freie Redaktion die Themenlage verstärkt im Internet zu beobachten:
„Eine Beobachtung anderer Medien im Internet mit Blick auf exklusive Nachrichten ist wichtig. Der Berufsstand der Journalisten darf aber nicht zu einem der Abschreiber verkommen. Gerade Journalisten müssen das Urheberrecht ernst nehmen und Quellen sauber zitieren. Hochwertige Leistungen und exklusive Nachrichten müssen auch in Zukunft vernünftig honoriert werden. Wir dürfen nicht einfach in eine Art Wild-West-Mentalität verfallen, nur weil wir gerade in einer Krise stecken. Die Selbstbedienung bei der Leistung anderer, ohne dafür zu bezahlen, schadet letztlich der ganzen Branche.“

Peter Stefan Herbst war  Chefredakteur der Lausitzer Rundschau in Cottbus vom 15.02.1999 bis 31.12.2004 und ist seit 1. Januar 2005 in gleicher Position bei der Saarbrücker Zeitung. 

 Die Lausitzer Rundschau arbeitete ohne dpa-Nachrichtendienst von 1995 bis 1999 (Wiederaufnahme des Bezuges von Basis- und Landesdiensten zum 1. Januar 2000), die Saarbrücker Zeitung ohne dpa-Nachrichtendienst von 1997 bis 2002 (Wiederaufnahme des Bezuges des Basisdienstes zum 1. Januar 2003). Beide Zeitungen haben auch zusätzliche dpa-Dienste abonniert (Foto-, Themendienste etc.)

2) Aus wissenschaftlicher Sicht: Horst Röper, Leiter des Formatt Institut (Dortmund)

„Wenn sich Agenturen das Geschehen in der Fläche von Regionalzeitungen zuliefern ließen, hätten wir ein Problem, weil wir dann vor allem in der Provinz nur noch eine Quelle hätten. Das wäre nicht unbedingt verlässlich.“

„Wenn das vor 60 Jahren gegründete Modell dpa einigen Verlagen inzwischen zu teuer ist, muss man sich vielleicht etwas Neues einfallen lassen. Ich habe aber keine Idee, wie das aussehen könnte.“

„Der größte Kostenbrocken einer Nachrichtenagentur sind die Personalkosten. Wenn jetzt größere Verlage nicht mehr zum Solidarmodell stehen, kann eine Agentur wie dpa nicht anders. Sie muss am Personal sparen. Das kann entweder die Quantität treffen oder die Qualität oder beides. In jedem Fall muss sie aber ihr Angebot eingrenzen. Und das geht zulasten der übrigen Verlage.“

„Natürlich ist es nachvollziehbar, wenn Verlage in Zeiten der Krise überlegen, an den Agenturabos zu sparen. Ich bin aber der Meinung, dass die meisten Verlage gar nicht in der Lage sind, auf die dpa zu verzichten. Viele sind nämlich viel zu klein, um die Grundversorgung selbst sicherstellen zu können.“

„Gleichzeitig ist es natürlich so, dass an einem heute dank des Internets die dicken Hunde nicht vorbeigehen, wenn man es ohne dpa probiert. Das ist für dpa ein großes Problem. Aber dass Redaktionen den Meldungsfluss einfach aus dem Internet klauen, kann nicht sein.“

„dpa macht allen Kunden viel Arbeit, weil sie ja neben Zeitungen auch die Rundfunkanstalten bedient. Die senden im Stundenrhythmus Nachrichten und erwarten, dass jede Entwicklung auf den Ticker geht, bevor Zusammenfassungen für Zeitungsredaktionen geliefert werden. Dieser Aufwand ist also systembedingt, wie auch der Versuch, verschiedene Themen für verschiedene Kunden anzubieten. Deshalb gleich von einer Ineffizienz und einer Überproduktion zu sprechen, ist nicht fair.“

„Die Regionalzeitung der Zukunft druckt keine Meldungen mehr sondern bettet jeden Nachrichtenkern in einen Hintergrund und eine Analyse ein. Das kann aber eine Mantelredaktion gar nicht alleine leisten. Und überhaupt muss sie sich ja mindestens den Nachrichtenkern liefern lassen. Zeitungen bleiben also auf die Dienste der Agenturen angewiesen. Das Reitz’sche Argument, wer auf dpa verzichtet bekommt den Journalismus zurückgeschenkt, halte ich deshalb für vorgeschoben.“

Protokolliert von Daniel Bouhs