Gegen den Hass

In Zeiten allgegenwärtiger digitaler Gewalt bezahlen besonders Journalistinnen und Reporter, die über unbequeme Themen berichten, einen hohen Preis: Beschimpfungen, Hasskampagnen, auch Morddrohungen gehören zum Alltag von Journalistinnen wie Sophia Maier. Doch Aufgeben ist keine Option. Den gesamten Beitrag können Sie im „medium magazin“ 03/2025 lesen.
Text: Jeanne Wellnitz
Vor eineinhalb Jahren saß Sophia Maier beim Bürgeramt und war nervös. Was, wenn der Sachbearbeiter ihr nicht glauben würde? Was, wenn die Flut an digitalen Morddrohungen nicht schlimm genug wäre für eine Auskunftssperre? „Du bist die nächste!“, steht da zum Beispiel als Tiktok-Direktnachricht. Oder „Wir beobachten dich“ auf X. Maier musste dem Sachbearbeiter all die Screenshots zeigen, damit er ihr glaubte, dass sie in Gefahr ist.
„Man fühlt sich so ausgeliefert in diesem Moment“, sagt die 37-jährige Journalistin. So allein. „Da, vor diesem Menschen, wurde mir auf einmal bewusst, in welcher Lage ich mich befinde.“ Sophia Maier ist Kriegsreporterin und Investigativjournalistin, sie war lange bei Stern TV, kurz bei RTL, und ist mittlerweile wieder als Freie unterwegs. Sie hat Missstände in Flüchtlingslagern auf der griechischen Insel Lesbos aufgedeckt, aus Afghanistan, Syrien und aus ukrainischen Frontgebieten berichtet, Taliban- und Hamas-Mitglieder interviewt und AfD-Demonstrationen begleitet.
Der Sachbearbeiter im Bürgeramt verstand und trug schließlich eine Auskunftssperre ins Melderegister ein. Maier kommt zugute, dass der Gesetzgeber seit 2024 auch Journalisten als potenziell schutzbedürftig eingestuft hat. Deshalb kann nun niemand mehr ihre Privatadresse bei der Behörde anfragen. Ein kleines Stück Sicherheit in Zeiten grassierender digitaler und analoger Gewalt gegen Journalistinnen und Reporter, Politikerinnen, Aktivisten und generell Menschen, die sich öffentlich für Menschenrechte einsetzen. In der Studie „Free Press Under Pressure?“ (2023) der Universität Bielefeld gaben 60 Prozent der 322 befragten Medienmenschen an, dass sie mindestens schon einmal Opfer von digitaler Gewalt geworden sind. 41 Prozent erleben sie regelmäßig. Die Folge: Viele Journalisten und Reporterinnen ziehen sich aus den sozialen Medien zurück, zensieren sich selbst oder steigen ganz aus dem Beruf aus, um sich zu schützen.
Für Sophia Maier ist all das keine Option. Auch wenn sie der Hass aus allen Ecken anspringt. Je mehr TV-Präsenz, je mehr polarisierende Themen, desto schlimmer sei es geworden, sagt sie. Als sie diese grausame Konsequenz ihres Erfolgs verstanden hatte, war sie schon mittendrin. Aber es hätte auch keine Alternative für sie gegeben: „Meine Aufgabe ist, zu berichten, was ist. Ich bin dem gefolgt, was ich als wichtig und richtig empfinde.“ Doch wie hält sie den digitalen Hass aus?
Emotionale Distanz
Es gab eine Zeit, da wühlte sich Sophia Maier regelmäßig durch die Feeds und Direktnachrichten ihrer Social-Kanäle. „Ah, da hat jemand Sophia, der Journalistin, den Tod gewünscht“, denkt sie dann. Und hier steht, sie sei hässlich, eine Fotze, habe fettige Haare, solle totgebumst werden. „Ich habe das alles gelesen, um es für meine Arbeit zu dokumentieren“, erzählt die Journalistin. „Auf diese Weise habe ich mich zur Protagonistin meines eigenen Lebens gemacht. Ich beobachtete mich sozusagen von außen.“ Wie eine unsichtbare Grenze zur Seele.
Schließlich machte sie die Hassnachrichten-Flut zum Content, indem sie die Angriffe 2023 in ihrer RTL-Doku „#Why – Woher kommt der Frauenhass?“ veröffentlichte. In dem Format befragt sie etwa AfD-Politiker Maximilian Krah am Rande einer Kundgebung zu seiner Polemik über Feministinnen. Die seien in seinem Verständnis einfach nur „grässlich und hässlich“. Das bekräftigt er auf Maiers Nachfrage sogar noch. Wenig später postete Krah auf X, dass Maier eine Aktivistin sei, die nicht mal versuche, objektiv zu sein. Daraufhin rollte ein heftiger Hatestorm über die Journalistin. Berichterstattung über Frauenhass, endet in: Frauenhass.
„Ich dachte lange, ich müsse das aushalten. Dass das nun einmal dazugehöre“, sagt sie. Dann habe sie gemerkt: Schweigen mache es nur schlimmer. „Es frisst sich in einen rein. Und irgendwann war der Punkt erreicht, an dem ich das nicht mehr wollte, und nicht mehr konnte.“ Das war 2022, im Zuge der Corona-Demos, von denen sie zu jener Zeit berichtete.
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Den gesamten Beitrag können Sie im „medium magazin“ 03/2025 lesen.
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Raus aus der Isolation
Menschen, die durch Hassnachrichten, Morddrohungen, sexualisierte Deepfakes oder Vergewaltigungsandrohungen belästigt und digital angegriffen werden, sind davon so überwältigt, dass sie innerlich erstarren. So erzählt es Franziska Benning, Head of Legal bei der Hilfsorganisation HateAid. Allein kämen Betroffene da schwer wieder heraus. Deshalb kann ein erster Schritt sein, die kostenlose Betroffenenberatung von HateAid anzurufen. „Sich aus der Starre zu befreien, heißt nicht sofort zu kämpfen, sondern nach und nach wieder handlungsfähig zu werden“, sagt Benning. Die nächsten Schritte nach der Beratung können sein:
1. Emotionale Stabilisierung
Benning: „Gefühle wie Ohnmacht, Angst oder Scham sind eine normale Reaktion auf Gewalt.“ Die Beratung hilft deshalb zunächst, die emotionale Lage zu sortieren: Bin ich stabil genug, um aktiv zu werden? Wenn nicht, wird zuerst durch Gespräche wieder Sicherheit hergestellt.
2. Beweissicherung
Erst dann werden konkrete Schritte besprochen. An erster Stelle steht nun die Beweissicherung – idealerweise in Form einer rechtssicheren Dokumentation: mit sichtbarem Täterprofil, Datum, Uhrzeit und dem vollständigen Kontext. „Viele wissen nicht, dass man auch den Ursprungspost mit sichern muss, nicht nur die Hassnachricht selbst“, sagt die Juristin. Benning empfiehlt, das vom Desktop aus zu machen mit Tools wie Atomshot. Allerdings sollte man sich den Feed nicht allein anschauen oder das auch ganz aus der Hand geben. Journalistin Sophia Maier sagt dazu: „Früher habe ich alles gelesen – jedes Wort, jeden Hasskommentar. Mittlerweile weiß ich: Ich muss mich nicht jedem Müll aussetzen, nur weil er da ist.“
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Den gesamten Beitrag, u.a. darüber, wie Investigativjournalistin Franziska Klemenz mit Gewalt umgeht und was Medienhäuser gegen Digitale Gewalt tun können, lesen Sie im neuen „medium magazin“. Außerdem: Im Interview mit Dana Buchzik, Journalistin, Autorin und Expertin für Radikalisierungsprävention, erfahren Sie, wieso Online-Gegenrede in der Regel wirkungslos ist.

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