Innocheck: CampfireFM – Audio zum Mitquatschen

Die Branche braucht dringend frische Ideen. Aber nicht jeder hat das Zeug zum erfolgreichen Gründer oder Innovator. Wir nehmen deshalb spannende Start-ups und neue Formate unter die Lupe. Diesmal: CampfireFM. Dieser Beitrag ist im „medium magazin“ 04/2025  erschienen.

Text: Stephan Weichert


Was ist das?

Tobias Bauckhage will eine Marktlücke schließen – und Audio zum Social-Erlebnis machen: „CampfireFM ist eine Community-App für Podcasts“, sagt der Mitgründer von Studio Bummens (gründete auch Moviepilot mit). Beta-Start war im deutschsprachigen Raum 2024, offizieller Launch bei den Online-Marketing-Rockstars 2025 in Hamburg. Im Portfolio sind bisher vor allem Studio-Bummens-Produktionen wie „Baywatch Berlin“, „Apokalypse & Filterkaffee“ und „Einfach mal Luppen“, aber auch Formate wie „Geschichten aus der Geschichte“.

Der Kopf hinter CampfireFM ist Tobias Bauckhage. Foto: www.julianhuke.com, Julian Huke
Der Kopf hinter CampfireFM ist Tobias Bauckhage. Foto: www.julianhuke.com, Julian Huke

Wer steckt dahinter?

Die Idee, Podcast-Folgen zu Community-­Erlebnissen zu machen, hatte Bauckhage mit Marco Benjamin Kubota und Jon Handschin. Neben den drei Studio-Bummens-Chefs und CampfireFM-Gründern taucht im Impressum auch Sascha Lobo auf, zuständig für KI-gestützte Kommentarfunktion und Meldewesen. „Campfire­FM hat dazu eine ganze Reihe von Angel-Investoren, wie etwa die Podcaster Toni und Felix Kroos, Klaas Heufer-Umlauf, ­Micky Beisenherz und Philipp Westermeyer“, verrät Bauckhage.

Warum braucht es das?

Die Second-Screen-Mentalität ist beim linearen Fernsehen und Streaming verebbt. Allerdings gibt es nach wie vor Hartgesottene, die von Podcasts nicht genug kriegen und mehr als Hörpurismus erwarten. Ihnen geht es um kollektive Medienerfahrungen: während des Hörens entlang der Timeline live kommentieren, liken und posten. „Podcasts sind das vermutlich persönlichste Medium unserer Zeit“, sagt Bauckhage. Dabei sind Podcasts bislang vornehmlich Audio-Einbahnstraßen und wahrlich kein Ort für Partizipation. Außer dürren Shownotes können Creator bei Deezer, Spotify & Co keine Fußnoten im Feed hinterlassen. Und echte Interaktion mit den Hörerinnen und Hörern – Likes und Abos sind das nicht – fehlt komplett. Es gibt also weder richtige Feedback-Features für Hosts noch Möglichkeiten für Hörer, sich mit ihnen und als Community auszutauschen. In Bauckhages Worten: „Es fehlt der Social Layer“ – und den soll CampfireFM bieten.

Was ist das Besondere?

Bescheren Fotos, Sprachnachrichten und Pennäler-Kommentare („hahaha, wo ist der alte Ficker“) dem Medium Audio wirklich den ersehnten Lagerfeuer-­Effekt? „Passive Hörerinnen werden zu einer ­loyalen, aktiven und wertvollen Community“, sagt Bauckhage überzeugt, dass CampfireFM die Social-Audio-Interaktion befeuern kann. Aus wöchentlichen Veröffentlichungen werde ein „täglicher ­Stream an Interaktionen“. Die bislang knapp 100.000 Nutzenden sprächen für sich, der Ton auf der Plattform ist zumeist humorvoll bis wertschätzend, deutlich freundlicher als in anderen Netzwerken. Fragt sich dennoch, ob es lohnt, Audio interaktiv mit einer Scroll- und Chat-Kultur aufzuladen – zumal Community-Pflege und Moderation robusten Aufwand bedeuten.

Wie finanziert sich das?

Neben den Angel-Investoren sieht Bauckhage das Erlöspotenzial vor allem in Produktlinien oder im „Werbeinventar“ rund um die hartgesottenen Communitys: Denkbar sind Tickets für Events, Merchandising oder Bonus-Inhalte, aber auch ein Podcast-Abo mit Premium-Features. Die Communitys sind allerdings per se die härteste Währung – zumindest für die Podcaster, deren Zusatzaufwand bislang unvergütet bleibt: „Aktuell geht es darum, ein tolles Produkt zu bauen: einen Ort, wo Hörer regelmäßig zusammenkommen, um sich über ihre Lieblingspodcasts auszutauschen, Zusatzmaterial zu finden, in Diskussionen zu treten“, sagt Bauckhage.

Hat das Zukunft?

„Absolut“, meint Community-Aficionado Bauckhage, die Zahlen seit dem Launch seien sehr vielversprechend. „Jetzt geht es darum, die Communitys ­aufzubauen, neue Podcasts an Bord zu holen und das Produkt weiter auszubauen.“ Schon 2026 will man auch in den USA launchen – wie in Deutschland „mit einigen großen Podcasts, ihren Hosts und ihren Communitys“. Für mitteilsame Leute, die sich quer durch Folgen kommentieren wollen, könnte das App-Design ein Hingucker sein. Für die breite Masse ist die Plattform eher ein Nice-to-have. Clubhouse hat gezeigt, dass Social-Audio-Apps ­ohne klaren Mehrwert schnell wieder verschwinden. Und für viele gehört zum Podcast-Hörerlebnis vor allem Ruhe, Konzentration, Intimität. Der Campfire-Reiz liegt für die Fan-Communitys wohl eher im Traum, ihren Lieblingshosts näherzukommen. Fraglich bleibt, ob Promi-Podcaster diesen überhaupt erfüllen wollen.

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