Q+A Wolfram Weimer

Ein seit Längerem vereinbartes Interview mit Wolfram Weimer wurde kurzfristig aus persönlichen Gründen abgesagt. Die Fragen der beiden Autoren unserer Titelgeschichte „Was nun, Herr Weimer?“ im neuen „medium magazin“, Christian Meier und Stephan Weichert, wurden darum schriftlich gestellt und von Weimer beantwortet. Hier die vollständigen Antworten Weimers in Ergänzung zu unserer Titelgeschichte „Was nun, Herr Weimer?“ über die medienpolitischen Baustellen und die Erwartungen der Branche an Wolfram Weimer im „medium magazin“ 05/25.

Sie haben selbst sehr lange Redaktionen geleitet und später einen eigenen Verlag gegründet: Wenn Sie heute auf die Medienlandschaft blicken – Printkrise, regionale weiße Flecken, KI-getriebene Disruption – wie wird der Journalismus in Deutschland im Jahr 2030 aussehen?

Wolfram Weimer: Der Journalismus in Deutschland – und im Rest der Welt – ist in einem rasanten Umbruch. Auflagen sinken rapide, durch die neue Google-Suche mit KI-Ergebnissen sind nun auch die Aufrufzahlen vieler Nachrichten-Websites stark rückläufig. Wie viele Tageszeitungen im Jahr 2030 noch gedruckt werden, mag ich nicht voraussagen. Aber nicht wenige Leser wollen morgens einen kleinen Stapel Papier auf dem Frühstückstisch liegen haben und die Zeitung in die Hand nehmen. Das kann ich verstehen. Allerdings werden wir uns alle daran gewöhnen, News bald nur noch auf dem Tablet oder Mobiltelefon zu lesen. Künstliche Intelligenz kann auch zu einem positiven Antreiber werden, kosteneffizienter in Verlagen zu arbeiten. Die Risiken, die damit einher gehen, darf man aber nicht übersehen. Am Ende geht es immer um Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit. Und das muss handwerklich gut gemachter Journalismus auch 2030 leisten. Journalismus, gemacht von Journalisten, ist die beste Medizin gegen den Virus der Fake-News.

Die Bundesregierung prüft auch darum eine Plattformabgabe für Google & Co. Wie realistisch ist das – und wer profitiert davon: der Staat, die Verlage oder die Bürger?

Wir prüfen aktuell zwei Varianten: Abgabe und Steuer. Der Vorteil der Abgabe ist, dass wir sie dann zweckgebunden verwenden können. Bei einer Steuer würde das Geld direkt im Gesamthaushalt landen. Eine Abgabe sollte dann aber auch den klassischen Medien und ihren Inhalten und damit letztlich auch der Medienvielfalt zu Gute kommen. Das erscheint mir logisch und dieses Ziel gibt ja auch der Prüfauftrag des Koalitionsvertrages vor.

Ihre beiden Vorgängerinnen haben Förderungen für Medienkompetenz und Innovation aufgelegt. Was davon wollen Sie fortführen, was nicht?

Medienkompetenz sehe ich vor allem bei Jugendlichen als ein Feld, was noch ausgebaut werden muss. Viele Schulen machen da gute Arbeit. Aber wenn bei vielen Mädchen und Jungen Tiktok oder Instagram die Informationsquelle Nummer Eins und Zwei sind, dann haben wir ein Problem. Denn hier findet oft keine journalistische Aufbereitung von Informationen statt.  Jedem muss klar sein, dass vieles, was bei Insta und Tiktok zu sehen ist, keine geprüften Nachrichteninhalte sind. Durch die KI wird sich die Situation noch mal verschlechtern, ist mein Eindruck. Medienkompetenz müssen wir stärken. Keine Frage.

Gemeinnütziger Journalismus wächst, aber politisch fehlt eine klare Anerkennung. Werden Sie den Status gemeinnütziger Medienhäuser gesetzlich verankern? (…bzw. warum nicht)?

Auch jetzt sind ja bereits unter bestimmten Voraussetzungen journalistische Angebote als gemeinnützig anerkennungsfähig. In der letzten Legislaturperiode war dies ja schon ein Thema. Ziel war aber auch da bereits, vor allem Rechtssicherheit im Sinne von Klarstellung zu erreichen. Dafür bedarf es nicht zwangsläufig eines Gesetzes. 

Auch wenn dies Ländersache ist: Wie stellen Sie sich eine echte Reform von ARD und ZDF vor – Struktur, Inhalte, Finanzierung?

ARD und ZDF sind mit der aktuellen Reform des Medienstaatsvertrages auf einem guten Weg. Er muss jetzt umgesetzt werden. Es ist offenkundig: Die Medienbranche ist in einer dynamischen Transformation. Das Sehverhalten ändert sich über die Generationen rapide. Und immer mehr Ältere klicken sich durch Medientheken auf der Suche nach Unterhaltung – nicht nur von ARD und ZDF. Ich habe Vertrauen in die Verantwortlichen der Öffentlich-Rechtlichen Sender, dass sie sich immer wieder fragen, sind wir auf dem richtigen Weg und dann nachsteuern. Die Zuschauerinnen und Zuschauer, die das Programm ja bezahlen, werden auch genau beobachten, wie groß der Reformwille ist. Ich bin ein großer Unterstützer des ÖRR und ich will, dass er erfolgreich und beliebt bei den Zuschauerinnen und Zuschauern bleibt. In den Mediatheken haben ARD und ZDF auch Erfolge bei jüngerem Publikum. Das ist der richtige Weg, damit der ÖRR von den Bürgerinnen und Bürgern auch unterstützt wird.

Sie haben im Juli gesagt, München als Standort von P7S1 solle auch Standort einer Plattform für eine europäische Privatsendergruppe werden, wenn Media for Europe das umsetzen will. Ist das nicht Wunschdenken?

Pier Silvio Berlusconi, der Chef von MFE, hat mir glaubwürdig im Kanzleramt versichert, dass er den Erfolg von P7S1 will. Und der Standort München ist für Medien, die in Europa angreifen wollen, optimal. Ich bin da guter Dinge, dass die Italiener ihre Zusagen einhalten.

Sie haben sich in Ihren ersten Monaten zu vielen Einzelfragen geäußert. Gibt es darüber hinaus ein Gesamtkonzept für die medienpolitischen Herausforderungen? Was darf man hier von Ihnen erwarten – und was nicht?

Ja, es stimmt. Ich habe die Medienpolitik bereits in den ersten Monaten zu einem Schwerpunkt meiner Arbeit gemacht. Aus dem Kulturstaatsminister ist aus Sicht vieler erstmals auch ein Medienstaatsminister geworden. Die große Reform der Filmförderpolitik und die Streamer-Initiative könnten so zum größten Investitionsprogramm aller Zeiten für die deutsche Filmbranche führen. Auch für die Privatisierung der Bavaria Filmstudios habe ich Weichen stellen können, der Plattform-Soli ist auf dem Weg und vieles mehr. Wenn Sie nach der Leitlinie fragen: Medienpolitik wird sich wesentlich stärker engagierten müssen in den kommenden Jahren. Die Medienwirtschaft wird in der digitalen Informationsgesellschaft nicht nur Schlüsselindustrie, sondern auch Garant für das Fortbestehen von Demokratien. Darum müssen wir die Märkte offenhalten, Wettbewerb ermöglichen, auch den Wettbewerb der Meinungen und Ideen, die Vielfalt und Freiheit der Medien stärken, breiten Qualitätsjournalismus ermöglichen, Monopole und Kartelle bekämpfen – etwa wie sie sich bei digitalen Plattformen gebildet haben. Deswegen brauchen wir eine aktive, ordnungspolitisch geleitete Medienpolitik – und für die will ich eintreten.

Lesen Sie jetzt unsere Titelgeschichte „Was nun, Herr Weimer?“ über die medienpolitischen Baustellen und die Erwartungen der Branche an Wolfram Weimer.


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