Medium Magazin 05/25
EDITORIAL / Frederik von Castell, Chefredakteur
Vom Reden und vom Tun
Reden hilft – etwa, wenn man ein Amt antritt und erst mal erklären muss, wofür man eigentlich steht.
Das tut Wolfram Weimer zuhauf. Er produziert als Bundesbeauftragter für Kultur und Medien seit Mai Schlagzeilen in Größenordnungen, die man sonst nur aus dem Kanzleramt und den großen Ressorts kennt. Dass in den Statements des Ex-Verlegers und früheren Chefredakteurs die in der Vergangenheit oft stiefmütterlich betriebene Medienpolitik als sein Schwerpunkt im Amt klar erkennbar wird, ist für viele in der Branche erst einmal eine gute Nachricht. Nicht so sehr, welche Themen Weimer bisher (zumindest öffentlich) angeht. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit schien ihm kaum etwas wichtiger zu sein, als Breitseiten gegen das Gendern zu verteilen und kulturkämpferisches „Cancel Culture“- und „Wokeness“-Verdammen kundzutun.
Immerhin: Auch wenn die Formulierung vom „Digitalen Kolonialismus“ – Jana Ballweber kommentiert lesenswert bei „turi2“ – reichlich danebenging: Im Kampf gegen KI-Unternehmen um Erlösmodelle scheinen die Medienhäuser auf die Lautstärke des Ex-Verlegers Weimer und sein Pochen auf eine Digitalabgabe von Google und Co setzen zu können. Damit hat er zumindest eine der vier medienpolitischen Großbaustellen, die Christian Meier und Stephan Weichert in der Titelgeschichte ab Seite 28 ausmachen, auf der Agenda.
Mit Weimer, so war es lange geplant, hätten unsere beiden Autoren über den Kampf gegen die KI-Giganten genauso gerne gesprochen wie über die Zukunft der Presseförderung, die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, des Medienstandorts Deutschland und die Frage nach Gemeinnützigkeit im Journalismus. Dass ein Interview wiederholt nicht zustande kam, müssen wir akzeptieren, zumal der zuletzt vereinbarte Termin kurzfristig aus persönlichen Gründen von Weimer abgesagt werden musste. Er beantwortete uns stattdessen einige Fragen schriftlich.
Umso mehr haben wir den Raum genutzt, um die Branche ihre Wünsche, aber vor allem Erwartungen an Weimer artikulieren zu lassen. Und die sind mitunter sehr deutlich ausgefallen. Denn offen ist nach einem halben Jahr im Amt wohl kaum noch, wofür Weimer steht, sondern vielmehr, ob er seinen energiereichen Worten auch eine Übersetzungsleistung in Taten folgen lassen wird.
Keine Lautsprecher, sondern Stützpfeiler
Meine Kollegin Olivia Samnick und ich hatten erneut das Vergnügen, uns gemeinsam auf die Suche zu begeben nach den „Hidden Stars“ des Jahres: Kolleginnen und Kollegen, die selten zitiert werden oder im Rampenlicht stehen, aber dafür sorgen, dass Redaktionen überhaupt funktionieren. Menschen, die organisieren, redigieren, coachen, motivieren. Keine Lautsprecher, sondern Stützpfeiler, die Systeme am Laufen halten. Oft wird ihre Bedeutung besonders in den – und das ist neu – kleinen Anekdoten, die wir dank der vielen tollen Nominierungen über die heimlichen Heldinnen und Helden erzählen können, deutlich (Seite 16).
Darüber müssen wir reden
Die Recherchen von Olivia Samnick, Antje Plaikner und Karolina Kaltschnee zur Berichterstattung über Femizide in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Seite 46) zeigen, wie wichtig es ist, über Defizite in unserer Branche zu sprechen. Wenn Frauen geschlechtsspezifische Gewalt erleiden, konzentrieren sich nicht nur Boulevardmedien viel zu oft auf den Täter und verklären brutale Morde zu Einzelfällen aus „romantischen Motiven“. Wie abgestumpft müssen Medienschaffende sein, die Fotos von Getöteten aus Jobportalen fischen und mit voyeuristischen Details in der Berichterstattung – etwa zum Standort von Frauenschutzhäusern – gar zur Gefährdung weiterer Leben beitragen? Dabei, und das ist eine Hoffnung, die wir mit unserem Schwerpunkt verknüpfen, kann jede und jeder Einzelne von uns in der Berichterstattung zur Gewaltprävention beitragen. Dazu haben wir Leitfäden erarbeitet, die zeigen, wie man Gewalt gegen Frauen sensibler darstellen und auch bebildern sollte (Seite 52 und auf mediummagazin.de).
Ihre Mithilfe ist gefragt!
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Herzlich
Ihr Frederik von Castell

Lesen Sie jetzt im medium magazin 05/25:
Titelthema: Was nun, Herr Weimer? Der Staatsminister zeigt sich meinungsfreudig, die Branche aber erwartet Handfestes. Eine Inspektion der vier medienpolitischen Großbaustellen..
Medien und Beruf: Hidden Stars 2025. Die heimlichen Heldinnen und Helden in den Redaktionen. Klima. Best Practice aus dem Lokaljournalismus.. Stalking I. „Spiegel“-Chefredakteur Dirk Kurbjuweit im Interview: „Wir müssen schneller unfreundlich werden.“? Stalking II. Wenn Journalistinnen und Journalisten ins Visier von Stalkern geraten. Über Femizide berichten. Wenn Schlagzeilen Frauenleben gefährden – obwohl Journalismus zur Gewaltprävention beitragen könnte.
Praxis: Häusliche Gewalt bebildern. Sechs Wege, wie das besser geht. Undercover im Vergewaltiger-Netzwerk. Isabel Ströh und Isabell Beer berichten von ihrer Strg_FRecherche. Toolbox. Effizienter recherchieren und schreiben. Auslandsrecherche. Wie Hanna Resch, Alexandra Berlin und Verena Hölzl sich, ihr Team und Gesprächspartner schützen. Pressereisen. Luxusreisen und Goodies sind passé. So gehen Redaktionen und Unternehmen mit Pressereisen um. Leitfaden. Sensibel über Gewalt gegen Frauen berichten, aber wie? Acht Wege.
Rubriken: Kurz & bündig und Köpfe & Karrieren. Das tut sich in der Branche. Kiosk. Diese Medien suchen Freie. Presserecht.Was dürfen Blogger? Innovationscheck. Die Kiezmische „Moazin“. Kurznachrichtendienst. Gavin Karlmeier kommentiert, was sich bei X und Co tut. Einerseits … andererseits. Sind die Medien in Deutschland zu links? Tanjev Schultz kontert Ijoma Mangold. Der reagiert. Fragebogen. Friederike Sittler: „Ich wollte den Job.“
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