Akquise per App

Michael Görmann startete Anfang Januar eine eigene iPhone-App „Infrared Photography“, die es in den App-Charts bis in die Top 5 schaffte. Sie wurde inzwischen mehr als 100.000 Mal weltweit herunter geladen und hat nebenbei auch seine Website populär gemacht: Waren es früher täglich 50 Besucher, sind es heute rund 2.000, zu Spitzenzeiten sogar 16.000. Er ist gelernter Journalist und selbsterlernter Fotograf. Er leitet seit 2002 das Ressort Motor&Technik beim „Playboy“ und fotografiert neben seiner Festanstellung auch für das Auto-Kultur-Magazin „ramp“ und für das „Mercedes-Magazin“, unter anderem mit einer Infrarotkamera.

Interview: Thomas Strothjohann

Sie sind Fotograf, Ressortleiter beim „Playboy“. Und neuerdings Anbieter einer App, die es auf Anhieb in die Top-Charts geschafft hat. Wie sind Sie denn auf die App gekommen?

MICHAEL GÖRMANN: Als das iPhone raus kam, war das für mich sofort das liebste Spielzeug. Und irgendwann im letzten Jahr dachte ich mir: Jetzt musst Du auch mal etwas anbieten. Ich habe die Idee dann aber zunächst schnell wieder fallen lassen, weil die ersten Angebote, die ich eingeholt hatte, meinen finanziellen Rahmen für ein Spielzeug überstiegen. 4-5.000 Euro wollte ich einfach nicht dafür ausgeben.

Und wie hat es dann schließlich doch geklappt?

Ich bin ja beim „Playboy“ für High-Tech-Themen zuständig und habe mich da mal im Kollegenkreis umgehört, ob jemand einen fähigen Programmierer kennt. Über Ecken hat sich dann der Schwager eines österreichers gemeldet, der eine App-Programmier-Firma hat und der mir dann ein gutes Angebot gemacht hat.

Was sollte Ihre App denn können?

Also, sie sollte meine Fotos, ein bisschen Text über mich und meine Arbeit, den Link zu meiner Homepage und meine E-Mailadresse zeigen. Im Grunde eine ganz einfache App. Die Idee hat sich dann am Ende aber etwas verselbstständigt, weil ich noch die Chromrahmen und die für das iPhone typische „Wisch“-Haptik haben wollte, also dass man nicht auf irgendeinen Button klicken muss um weiter zu kommen, sondern einfach mit dem Zeigefinder über das Display wischen kann. Dadurch wurde es am Ende doch etwas teurer. Ich habe meinen Programmierer gefragt, ob wir uns da nicht auch irgendwo das eine oder andere abgucken könnten. Und so haben wir einen kostengünstigen Weg gefunden eine App zu programmieren, weil wir nicht alles von vorne herein neu erfinden mussten.

Was hat die Programmierung insgesamt gekostet?

Die Grund-App hat 700 Euro gekostet, mit den Nacharbeiten inklusive der aktuellen zweiten Version und der dritten, die bald online gehen wird, hat sie mich rund 2400 Euro gekostet.

…rund 2400 Euro, kein billiges Vergnügen also. Warum bieten Sie Ihre App kostenlos an und verzichten auf Werbung?

Wie sieht das aus, wenn ich jemandem meine Visitenkarte gebe, und er soll dafür etwas bezahlen? Es ging mir auch nicht ums Geldverdienen, zumindest nicht in der App. Das soll zuerst ein Aushängeschild sein. Wenn die App einen Dollar kosten würde, hätten sie bis März vielleicht nicht 100.000, sondern nur 50 oder 500 Leute heruntergeladen. Und Anzeigen auf meiner Website oder in der App würden mich schon aus ästhetischen Gründen stören.

Die Weiterentwicklung der App, das Einstellen der Bilder und so weiter, wie viel Zeit kostet Sie das?

… nicht viel. Wenn ich eine neue Foto-Produktion habe, lade ich die Bilder in zwei Versionen auf meinen Server: Einmal als Vorschaudatei und einmal als Wallpaper, dann kann die App automatisch darauf zugreifen. Aber die eigentliche Pflege und das technische Updaten der App macht mein Programmierer. Dafür gibt es Spezialisten, die das gut können. Das zweite Update wird genau dieses erwaltungssystem
erweitern: Die Bilder liegen dann nicht mehr nur zum Abrufen auf dem Server, sondern – sobald sie einmal angeguckt wurden – auch auf dem iPhone, sodass man auch ohne Internetverbindung darauf zugreifen kann.

Und was kann jetzt die App, was die Website oder ein Blog nicht kann?

Sie läuft in der Hosentasche mit. Die Leute sitzen in der U-Bahn und vertrödeln sich die Zeit mit ihrem iPhone. Das machen sie nicht mit ihrem Rechner. Man ist stärker und länger in den Köpfen, wenn sich das eigene Angebot in einem Spielzeug befindet. Und das nutzen wir mit der App aus.

Wen wollen Sie denn eigentlich mit Ihrer App erreichen?

Das sind eigentlich zwei Zielgruppen. Zum einen diejenigen, die meine Fotos werblich oder auch redaktionell einsetzen wollen. Es ist mir glücklicherweise erlaubt, neben meiner Festanstellung beim „Playboy“ auch als freier Fotograf zu arbeiten, in Absprache mit der Chefredaktion. Und wenn jemand an einer Infrarot-Produktion, oder auch einer anderen Foto-Produktion interessiert ist, kann er sich hier einen Überblick verschaffen: Wie arbeitet der Görmann, ist das was für uns? Die andere Zielgruppe sind ganz normale Privatleute, die sagen: Hey, das Bild ist cool, das lade ich mir als Wallpaper runter – umsonst – oder, das will ich mir an die Wand hängen und das kaufe ich mir als Abzug – auch über die App.

Haben Sie denn neue Kunden mit der App gewonnen?

Manche kaufen Bilder, einer wollte einen Fotokursus bei mir belegen. Andere möchten, dass ich ihr Privatauto in Infrarot fotografiere. Aber mein eigentliches Ziel ist ein anderes: Ich wollte im Gespräch mit Interessierten sagen können: ‚Du hast doch ein iPhone. Wenn Du dir meine App ziehst, brauchst du meine Visitenkarte nicht, sondern hast sie auf dem Handy und wenn sie dir Spaß macht, auch immer dabei, inklusive einem aktuellen Überblick.’ Für mich ist das eine Möglichkeit, mal auf andere Weise in den Köpfen zu bleiben, und das funktioniert gut: Zum Beispiel, neulich, bei einem Termin auf der Automesse in Detroit: Als ein Aussteller meine Fotos direkt auf seinem Handy ansehen konnte, war er total begeistert. Da ging mir natürlich das Herz auf, das war super! Für so einen Moment hat sich die Investition echt gelohnt.

Und wie gehen Sie mit den negativen Nutzerkommentare im iTunes-Store um?

Wenn man in die Top-Listen kommt, muss man damit leben, dass auch negative Kommentare und schlechte Bewertungen kommen. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Apps aus den Top-Listen von vielen herunter geladen werden, die sich nicht einmal durchlesen, was die Apps können. Die stellen dann erst fest, dass es gar kein Spiel ist und sind enttäuscht. Aber niemand hat gesagt, dass die App ein Spiel ist, oder dass man damit Bilder bearbeiten kann. Es ist eine Fotografen-App.

Und wenn das jetzt andere Fotografen nachmachen, ist es dann am Ende nicht wie jede andere Website auch?

Ja. Das kann schon sein. Da habe ich im Moment noch den Bonus des Ersten. Es haben sich auch schon Fotografen bei mir gemeldet, die die App haben wollten. Ich habe sie dann in Lizenz gegen eine kleine Schutzgebühr weitergegeben. Natürlich nicht in meinem Design, aber die Funktionalität der App können sie gerne benutzen. Mein Programmierer baut dann dieselbe App in einem überschaubaren Zeitrahmen für einen anderen Kunden um.

Macht eine App auch für Ihre textenden Kollegen Sinn?

Wer auf sich aufmerksam machen will und das mit einer Form, die mehr Leute als seine eigentlichen Kunden erreichen kann, der ist mit einer iPhone-App bestens bedient. Auf einen Autor übertragen sähe das so aus: Wenn jemand schreibt, dann kann er einen Teil seiner Kurzgeschichten als Leseprobe in die App stellen. Oder seine coolsten Reportagen. Das funktioniert als Texter genauso wie als Fotograf. Davon
bin ich überzeugt.

Info: Definition iPhone-App

Eine „iPhone-App“ (Kurzform für engl. Application) ist eine Anwendung für iPhones, die über den Apple iTunes-Store bezogen und installiert werden kann. Apps können Spiele sein, Werkzeuge, oder auch
Benutzerschnittstellen zur einfachen Benutzung von Webangeboten. Inzwischen werden im iTunes-Store mehr als 140.000, zum Teil kostenlose, Apps angeboten.