Buchtipps Juni

Die Medium Magazin Lesetipps: Alice Schwarzers Weg zur Blattmacherin, 22 Fall-Beispiele aus der PR und Tipps für den Journalisten als „Interview-Führungskraft“, vorgestellt von Bernd Stößel.

Alice im Wunderland

Alice Schwarzer, Journalistin aus Passion, Picus Verlag, Wien 2010, 132 S., 14,90 Euro

Wer auf 44 journalistische Berufsjahre zurückblickt, hat einiges weiterzugeben: Das tat Alice Schwarzer im vergangenen Jahr im Rahmen der Theodor-Herzl-Dozentur in Wien. Der Band „Journalistin aus Passion“ enthält nicht nur ihre drei Vorlesungen, sondern als Zugabe auch Schwarzers Rede anlässlich der Verleihung des Ludwig-Börne-Preises. Journalismus-Professor Hannes Haas weist in seinem Vorwort darauf hin, dass bei der „Unruhestifterin“ Biographie und Werk besonders eng verbunden seien. Alice Schwarzer befasste sich in ihren Wiener Vorlesungen mit ihrem Weg zur Blattmacherin, journalistischer Ethik und dem Interview, das sie eine „Kunstform“ nennt. Auf die Frage von studentischer Seite, was es mit dem autoritären Ruf auf sich habe, der ihr vorauseile, stellte sie klar: Es gebe in Deutschland wahrscheinlich keine Redaktion, in der es so menschlich zugehe wie bei „Emma“. Eine Nachfrage zur Bloßstellung der 2008 nach wenigen Monaten von ihrer Aufgabe entbundenen Chefredakteurin Lisa Ortgies blieb aus – Schwarzer hatte der Kollegin die Eignung abgesprochen, und damit ungewollt ihr eigenes Näschen zum Medienthema gemacht.

PR unter der Lupe

Ralf Spiller / Hans Scheurer (Hrsg.), Public Relation Case Studies, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2010, 280 S., 29,90 Euro

Auch wenn der Titel des Sammelbandes „Public Relation Case Studies“ lautet: Es handelt sich um ein in deutscher Sprache verfasstes Buch. An 22 konkreten Beispielen erläutert es, wie PR arbeitet – von der klassischen Produkt-PR über die Krisen-PR bis zur Finanzkommunikation. In einem Teil 2 kommen sogenannte „Nebengebiete“ zur Sprache, etwa Corporate Social Responsibility und Lobbying. Das Buch erhebt den Anspruch, aktuell relevante Fragestellungen aufzugreifen. Relevant unter PR-, nicht immer unbedingt unter journalistischen Gesichtspunkten. Denn dass der Erzbischof von Paderborn einen Warsteiner-Ballon – offenbar aus einer Bierlaune heraus – auf den Namen „Erzbistum Paderborn“ taufte, dürfte im September 2009 nicht über die Ticker gelaufen sein. Grundsätzlich legen die Herausgeber aber Wert auf die Problemorientierung vieler Fallbeispiele. Die Autoren beschreiben die Probleme nicht nur, sondern sie nehmen Stellung. Letztlich geht es dabei immer um die hohe Kunst der Kommunikation – ob beim Deutschen Alpenverein oder bei Siemens.

Im Gespräch bleiben

Mario Müller-Dofel, Interviews führen. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis, Econ Verlag, Berlin 2009, 231 S., 23 Euro


Jeder Journalist ist eine Führungskraft – sobald es um ein Interview geht. Die Realität sieht allerdings oft so aus, dass eher der Gesprächspartner führt. Mario Müller-Dofel, Ressortleiter Wirtschaft bei Axel Springers Magazin „€uro“, kann sich in seinem Handbuch auf die Erfahrung vieler Interviews mit Managern und Politikern stützen. Auch Sarah Wagenknecht stand ihm schon Rede und Antwort – die mediengewandte Kommunistin hat das Interview auf ihre Website gestellt. Müller-Dofel weist ausdrücklich auf die Bedeutung einer guten Planung hin: Schon die Anfrage an den Gesprächspartner in spe bilde eine Erfolgsgrundlage. Wer dann einen Termin in der Tasche hat, kann sich zwar inhaltlich bestens vorbereitet haben, aber möglicherweise durch sein äußeres Erscheinungsbild – Kleider machen Leute – auf Reserve beim Gegenüber stoßen. Der Autor ist übrigens der Auffassung: „Interviewteams führen oft schlechtere Interviews als Einzel-Interviewer.“ – was zum Beispiel an persönlichen Eitelkeiten liegen könne. Aus dem Rohstoff muss schließlich noch die verschriftlichte Form gebacken werden, auch hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Auf der Website zum Buch findet sich eine ausgezeichnete Ergänzung zum Buch. Inklusive Hör- und Videobeispielen von Interviews.