Deepfake-Dokus: KI erobert die Vergangenheit

Fotos: ZDF / projector23 (Deepfake Diaries)
Doku mit KI: „Deepfake Diaries“ macht aus Schauspielern historische Persönlichkeiten. Foto: ZDF / projector23 (Deepfake Diaries) 

 

Künstliche Intelligenz haucht historischen Figuren in Dokumentationen neues Leben ein und verändert die Art, wie wir Geschichte erzählen und erleben. Doch zwischen Innovation und Manipulationsgefahr verschwimmen die Grenzen. Den gesamten Beitrag lesen Sie im neuen „medium magazin“.

Text: Anne Hünninghaus & David Selbach


Der Schauspieler Hans B. Goetzfried nimmt in einem Sessel Platz, dann verwandelt sich sein Gesicht in das des „Eisernen Kanzlers“, aus dem Sweatshirt werden Gehrock und Seidenschal. „Mein Name ist Otto von Bismarck“, erklärt die Figur in schnarrendem Tonfall. „Man sagt, ich habe Deutschland gemacht.“ So beginnt einer von fünf je rund 15- bis 20-minütigen Clips, die die Produktionsfirma South & Browse für das ZDF produziert hat. Erklärtes Ziel: junge Menschen für historische Themen zu interessieren.

Konsequenterweise sind die „Deepfake Diaries“ ausschließlich online zu finden, etwa im Streaming des ZDF und auf Youtube. Eigens gecastete Schauspieler verkörpern historische Persönlichkeiten; neben Bismarck sind das Oskar Schindler, Rosa Luxemburg, Rudi Dutschke und Georg Elser. Eine Künstliche Intelligenz stülpt ihnen dabei die Gesichter ihrer Rollen über, nicht ganz fotorealistisch zwar, aber nah dran, eben ein Deepfake.

Dank der Technologie wird das klassische „Reenactment“ also neu erfunden. Früher haben Dokumentarfilmer historische Szenen durch Menschen nachspielen lassen, heute setzen sie KI-Gesichter auf, wenn der Avatar nicht gleich komplett übernimmt.

Die Geschichte simulieren: Ist das eine gute Idee? 

„Medienhäuser können und sollten die Technologie durchaus nutzen, um Geschichtswissen zu vermitteln“, findet Christina Elmer, Professorin für digitalen Journalismus an der TU Dortmund. Sie rät aber eindringlich, dabei behutsam vorzugehen. Denn: „Es ist kaum bekannt, wie es wirkt, wenn eine verstorbene Person der Zeitgeschichte direkt zum Pu­blikum spricht – es mangelt hier noch an Grundlagenforschung.“ In einem Seminar hatten sich Studierende die „Deepfake Diaries“ angeschaut. „Viele hatten ein mulmiges Gefühl, Stichwort Uncanny Valley“, sagt sie. Dieser Effekt beschreibt das Gefühl, wenn Avatare allzu menschlich wirken und dadurch als unheimlich oder irritierend empfunden werden. Besonders bei sensiblen Themen wie dem Holocaust ist Vorsicht geboten: „Bevor Doku-Macher Zeitzeugen aus der Nazizeit wiederbeleben, sollten sie sich vielleicht zunächst anderen, leichteren Themen widmen“, rät Elmer. „Vor allem ältere Personen im Publikum oder solche ohne viel Erfahrung mit KI-Systemen könnten sonst emotional überfordert werden.“  

Beispiele, wie KI historische Persönlichkeiten nachspielt, gibt es inzwischen einige. Schon im Jahr 2019 erregte das MIT Center for Advanced Virtuality Aufsehen mit seinem Kurzfilm „In Event of Moon Disaster“. Als die Mondmission Apollo 11 im Jahr 1969 zum Erdtrabanten aufbrach, hatte der Redenschreiber von US-Präsident Richard Nixon ein Manuskript für den Fall vorbereitet, dass die Astronauten auf ihrer Mission sterben. In der Mini-Doku inszenieren die Macher diese Rede mit Hilfe von Deepfake-Technologie so, als hätte Nixon sie tatsächlich gehalten.

KI-Avatare aus dem Baukasten: Technik und Möglichkeiten

Die Technik, um historische Personen als KI-Avatare wiederauferstehen zu lassen, gibt es von der Stange. Damit entstehen jeden Tag die millionenfach geteilten KI-Kurzvideos von Leonardo da Vinci oder Kleopatra, die Tiktok und Instagram fluten. Tools wie Respeecher, ElevenLabs, iSpeech oder play.ht erzeugen synthetische Stimmen, die wie die historische Person klingen. D-ID, Canny AI, Synthesia oder HeyGen animieren – zum Beispiel auf der Grundlage von Fotos – Gesichter so, dass sie synchron zur Stimme sprechen.

Wer etwa die Wissenschaftlerin Marie Curie zum Leben erwecken will, könnte ChatGPT bitten: „Schreibe eine Rede von Marie Curie, als würde sie heute auf einer Wissenschaftskonferenz sprechen. Sie soll über die Bedeutung von Forschung und Ethik sprechen.“ Dann fügt man das Ergebnis in ElevenLabs und promptet: „Nutze diesen Text und simuliere eine weibliche französische Stimme mit ruhigem, nachdenklichem Tonfall.“ 

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