„Der David der deutschen Publizistik“

Heribert Prantl über Jakob Augstein: „Ein Investor ist einer, der Geld hineinsteckt, und nicht einer, der es herausholt. Daran erinnert zu haben, ist ein Verdienst von Jakob Augstein.“…


Die Laudatio zur Preisverleihung der Journalisten des Jahres 2008: 
Sonderpreis 2008 für Jakob Augstein, Journalist und Verleger des „Freitag“ (siehe mediummagazin 1/2009):

„Wir sind daran gewöhnt, die Bedeutung eines Druckwerks an seiner Auflage zu messen. Da macht der Freitag derzeit nicht besonders viel her. Das Blatt verkauft derzeit  12 258 Exemplare wöchentlich, im Jahr 1990,  also lang bevor Jakob Augstein es kaufte, waren es schon schon einmal 60 000 Exemplare. Der Freitag ist also der David der deutschen Publizistik. Aber wir wissen ja, welche Qualitäten in einem David stecken können und wie tölpelhaft ein Goliath dastehen kann. Man macht einen Fehler, wenn man über einen David schmunzelt.

Der Freitag ist ein David, in dem man blättern kann. Man entdeckt dann eine sehr gescheite Wochenzeitung, unverwechselbar souverän, bisweilen angenehm anachronistisch. Rudolf Augstein hat einmal so schön gesagt: „Im Zweifel schwimmt guter Journalismus gegen den Strom“. Vom „Spiegel“ konnte man das jedenfalls in einigen zurückliegenden Jahren nicht unbedingt behaupten. Dem „Freitag“ kann man viel nachsagen, aber sicherlich nicht, dass er Mainstraim-Journalismus betriebe, Was hätte also Rudolf Augstein zu seinem Sohn gesagt, als dieser sich in den Freitag verguckte? Er hätte wohl gesagt: „Mach mal Jakob, ein guter Verleger schwimmt gegen den Strom“.

Gute Verleger sind nicht die Renditeprotze. Gute Verleger sind nicht die Redaktionszusammenleger. Gute Verleger sind nicht diejenigen, die glauben, sie könnten den Journalismus durch Betriebswirtschaft substituieren und den Chefredakteur durch einen Geschäftsführer ersetzen. Ein guter Verleger ist einer, der weiß was guter Journalismus ist und diesen guten Journalismus auch selber pflegt. Jakob Augstein weiß das, er hat schließlich bei der Süddeutschen Zeitung gelernt. Und er hat sich seinen Chefredakteur von meiner Zeitung und aus meiner Redaktion geholt. Als Philipp Grassmann sich von der SZ verabschiedet hat, habe ich ihm gewünscht, dass Freitag auch gelegentlich Sonntag ist, dass die Arbeit dort Freude macht.

Das ist ein Wunsch, der auch dem Verleger gilt: Dass das Schwimmen gegen den Strom Freude macht. Günter Gaus, der einer der Gründungsherausgeber des „Freitag“ war, hat im Jahr 2001 festgestellt, dass die Politik im Land, dass die Darstellung und die Diskussion in den Medien eine Schlagseite habe. „Nach meinem Eindruck hat sich“, so schrieb er damals, „die Gesellschaft im staatlich zusammengeschlossenen Deutschland weit nach rechts entwickelt.“ Was unter den Blättern der alten Bundesrepublik einmal linksliberal war, sei  neoliberal geworden; manches auch deutschnational. Und er fragt: „Ob es hilft, dass sich der „Freitag“ dagegen stemmt?“

Er war skeptisch. Aber gerade dieser Zweifel wegen hat sich im Freitag engagiert. Der Freitag ist etwas besonders in der deutschen Publizistik: Er steht nicht dort, wo fast alle stehen. Er ist unverwechselbar, weil es keine andere links-bürgerliche Zeitung gibt. Ein solches Blatt zu erhalten, ist eine kleine verlegerische Großtat – zumal in einer Zeit, in der Verleger ansonsten dadurch bekannt werden, dass sie viel Geld aus einer Zeitung herausholen, und nicht dadurch, dass sie viel Geld in eine Zeitung hineinstecken. Zur Pressefreiheit gehört auch die Freiheit, Geld zu investieren. Ein Investor ist einer, der Geld hineinsteckt, und nicht einer, der es herausholt. Daran erinnert zu haben, ist ein Verdienst von Jakob Augstein.

Die zwei Sonderpreise heute abend gehen an Jakob Augstein und Susanne Fischer. In der Begründung für beide steht etwas von „Mut“. Jakob hat gemeint mutig sei Susanne Fischer, wenn sie im Irak Journalistenausbildung macht, er aber nicht. Die Bescheidenheit ehrt ihn. Aber ein Abenteuer ist das Unternehmen, auf das er sich eingelassen hat, durchaus. Und Mut? Mut bedeutet ja nicht nur Wagemut und Kühnheit. Etymologisch bezeichnet Mut bis ins 19.Jahrhundert hinein die Hoffnung auf den guten Ausgang. Diese Hoffnung teilen wir mit Jakob Augstein.

Wir wünschen ihm, dass sein Blatt auch künftig nicht im Mainstream treibt. Wir wünschen ihm, dass es eine Ost-West-Wochenzeitung bleibt; das ist ein schönes Alleinstellungsmerkmal. Die Zeitung hat den intellektuellen Potentialen des Ostens Raum gegeben und sie für den Westen geöffnet. Das war und ist eine spanndende Entwicklung, deren Wert viel größer ist, als die heutige Auflage es spiegelt. Wir wünschen Jakob Augstein, dass sein Blatt seine bisherigen Eigenheiten, seine bisherige intellektuelle Souveränität und seine bisherige Farbe behält und neu poliert — und dass seine Leserinnen und Leser, dass immer mehr Leserinnen und Leser das goutieren. Die Preis-Urkunde möge ein Gutschein sein zur Multiplizierung der Auflage.“

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Heribert Prantl ist Ressortchef Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung und war als „Politikjournalist 2007″ Mitglied der mediummagazin-Jury für die Wahl der „Journalisten des Jahres 2008″. Die Laudatio auf Jakob Augstein hielt er anläßlich der Preisverleihung am 16. Januar 2009 im Deutschen Historischen Museum in Berlin.