Dürfen Freie Artikel mit KI schreiben?

Illustration erstellt mit ChatGPT, Prompt: „Ein freier Journalist lässt die KI seinen Artikel schreiben.“
Medienhäuser beginnen, vertraglich zu regeln, wie KI genutzt werden darf – oft zu Ungunsten von Autorinnen und Autoren. Doch auch die Auftraggeber plagen Sorgen: um die Qualität. Schließlich könnten Journalisten mit wenigen Klicks Texte erstellen und verkaufen. Wie kann ein Kompromiss aussehen? Der ganze Beitrag jetzt im „medium magazin“ 03/2025 .
Text: Jeanne Wellnitz
Stil, das ist der Mensch im Text. Eine Reihe sprachlicher Entscheidungen, die sich in Sprachmelodie, Satzbau und Wortwahl niederschlagen. Dadurch werden Texte unverwechselbar, denn Stil ist etwas sehr Persönliches. Und die eigene journalistische Schreibe ist etwas, auf das Journalisten stolz sind. Doch gegenwärtig beginnen Medienhäuser, sich an diesem individuellen Gut zu vergreifen.
Diesen Eindruck vermitteln zumindest die neuen Honorarverträge, die seit Neuestem auf Hanna Möllers’ Tisch landen. Die Justiziarin und stellvertretende Geschäftsführerin beim Deutschen Journalisten-Verband (DJV) beobachtet, dass immer mehr Medienhäuser KI-Klauseln in ihre Verträge aufnehmen. „Damit lassen sie sich gewissermaßen die Rechte für das KI-Training zum Nulltarif übertragen“, sagt sie.
So wie zum Beispiel die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ). Die Justiziarin liest einige sperrige Passagen aus dem SZ-Vertrag vor, den Mitglieder ihr zugespielt haben, und fasst in eigenen Worten zusammen: „Der Verlag möchte die Werke der Autoren für Text- und Data-Mining und das KI-Training nutzen dürfen. Vermutlich, um damit das hauseigene generative KI-System zu füttern.“ Das heißt: Mit der Unterschrift verlieren freie Autorinnen und Autoren ziemlich viel potenzielles Honorar. Der Verlag kann – gesetzt, die Autorinnen und Autoren unterschreiben den Vertrag so – nämlich ihre Texte nutzen, um daraus neue zu erstellen. Texte, die so klingen, als hätten ebenjene Freien sie verfasst. Die Freien hätten folglich also nicht nur ihren Text verkauft – sondern auch ihre Schreibe. Zahlreiche freie Journalisten wandten sich in den vergangenen Wochen ratsuchend an den DJV: Sollen wir das wirklich unterschreiben?
Möllers: „Das ist unverhältnismäßig“
„Eigentlich müsste Rechtebrief der SZ Entrechtungsbrief heißen“, sagt Hanna Möllers. Denn die pauschale Rechtabtretung ohne Zusatzvergütung sei unverhältnismäßig, sagt Möllers, sie müssten dringend angepasst werden. Deswegen hat der DJV im April gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi Klage gegen die SZ eingereicht.
Auf die „medium magazin“-Anfrage bei der SZ nach den Gründen für die KI-Passage reagiert die Pressestelle schmallippig. Es liege noch keine Klage vor, daher äußere man sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Wie viele freie Autoren für die Tageszeitung arbeiten, lässt der Sprecher unbeantwortet.
Chefredakteur Wolfgang Krach sagte vor Kurzem dem Medienmagazin „Übermedien“, es seien „mehrere Dutzend“. Viele von ihnen saßen auch in der Online-Infoveranstaltung, die der DJV eigens für die SZ-Freien eingerichtet hatte, erzählt Möllers. Die SZ-Autorinnen und -Autoren hätten jede Menge Fragen gehabt – so wie ein Großteil der Zunft, der nun um Honorare und damit Existenzen bangt.
Friss oder stirb!
Deshalb wird die Musterklage wegweisend für die Branche sein. So wie es auch die Urheberrechtsklage der „New York Times“ (NYT) sein wird, die 2023 gegen OpenAI und Microsoft erhoben wurde und deren Verhandlung dieses Jahr beginnt. Der Vorwurf des renommierten Blatts: Die KI-Anbieter hätten urheberrechtlich geschützte NYT-Artikel für ihre Trainings genutzt.
Auch hierzulande sind Redaktionen gestresst von der KI-Revolution, weil zum Beispiel ihr SEO-Traffic abschmiert, da viele nur noch mit KI-Tools chatten, statt klassisch über Suchmaschinen auf den Webseiten der Medien zu landen. Und so fehlen die Klicks – das wissen auch die Anzeigenkunden.
Während also die Medienhäuser gegen die Nutzung von Texten durch Tech-Giganten wie OpenAI kämpfen, stemmen sich die freien Autoren mit Hilfe des DJV gegen ihre Auftraggeber. Die SZ ist für die Freien demzufolge das, was OpenAI für die NYT ist. Die NYT möchte gefragt und bezahlt werden. Und die Journalistinnen und Journalisten wollen genauso behandelt werden. „Wir fordern, dass es eine Zusatzvergütung gibt und Autoren ein Wahlrecht haben“, sagt Möllers. Gegenwärtig habe es eher den Anschein, als sage der SZ-Vertrag: „Friss oder stirb!“ Die Justiziarin berichtet: „Viele sehen sich quasi genötigt, zu unterschreiben, aus Angst, keine Aufträge mehr zu erhalten.“
Ghostwriting mit KI: Neue Regeln für Freie
Zusätzlich hat die SZ auch genaue Vorstellungen davon, was die Autoren in Sachen KI dürfen. Möllers fasst zusammen: „Wenn Autorinnen und Autoren KI nutzen, müssen sie sich für jeden einzelnen Beitrag eine schriftliche Zustimmung einholen. Sie müssen außerdem dokumentieren, welche Teile ihrer Werke unter Einsatz von KI erstellt wurden und welche konkreten KI-Generatoren inklusive Version zum Einsatz kamen.“ Kurz: Die SZ darf alle Texte weiterverarbeiten, und die Autoren müssen zu Dumping-Honoraren jedes Fitzelchen im KI-Workflow dokumentieren und abnicken lassen.
Hier offenbart sich ein weiteres großes Problem der Branche im KI-Zeitalter: […] Dieser Beitrag ist in Gänze im neuen „medium magazin“ erschienen.

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