Geheime Unterlagen aus Moskaus Propaganda-Schmiede

Lea Weinmann, Foto: Niklas Keller
SZ-Journalistin Lea Weinmann hat rund ein Dutzend USB-Sticks per Post verschickt. Foto: Niklas Keller 

Verdächtiger könnte eine E-Mail kaum aussehen. Eine unbekannte Quelle meldet sich schier aus dem Nichts und verspricht brisante Dokumente hinter einem Download-Link. Ist das nur ein Trick, um Schadsoftware in die Redaktion zu schleusen? Das gesamte Interview finden Sie im neuen „medium magazin“.

Interview: Sebastian Meineck


Die ominöse E-Mail der Quelle landete auch auf dem Schreibtisch von Lea Weinmann aus dem Investigativteam der „Süddeutschen Zeitung“. Nach reiflicher Vorbereitung startet sie den Download – und erhält interne Dokumente einer professionellen Propaganda-Schmiede aus Russland, der Social Design Agency. Im Werkstatt-Interview spricht Weinmann über die gemeinsame Recherche von SZ, MDR, WDR und dem estnischen Medium „Delfi“.

Lea, was ist die Social Design Agency und was habt ihr über sie herausgefunden?

Lea Weinmann: Nach außen tritt die Social Design Agency wie eine gewöhnliche PR-Agentur auf, inklusive Website. Aber anhand der geleakten, internen Unterlagen konnten wir einen genauen Einblick bekommen, wie die Agentur im Auftrag des Kreml massenhaft Desinformation in sozialen Medien verbreitete, und zwar mit der Gründlichkeit einer Behörde. Zum Beispiel Facebook-Kommentare unter Beiträgen großer Nachrichtenmedien, Kommentare auf Twitter oder Karikaturen auf Telegram. Im Fokus waren Länder wie Deutschland, Frankreich, Polen und die Ukraine.

Was wurde genau geleakt?

Das Leak ist 2,4 Gigabyte groß. Da gibt es einmal Excel-Tabellen, Zehntausende Zeilen lang, die säuberlich mit Links dokumentieren, was wo gepostet wurde. Es gab auch Links zu einem nicht geschützten Cloud-Speicher, wo wir beispielsweise Screenshots der Facebook-Kommentare einsehen konnten. Das war besonders nützlich, weil Facebook viele der Kommentare inzwischen gelöscht hatte. Es gab auch Word-Dokumente mit Zielsetzungen der Agentur, Zusammenfassungen, worüber westliche Medien gerade berichten, und Protokolle, die zeigen, dass die Agentur im Auftrag der russischen Regierung arbeitet. Wir konnten auch viele interne E-Mails lesen, die Namen von Angestellten enthielten.

Wie kam dieses Leak zu euch?

Eine Quelle hat sich per E-Mail bei mehreren Nachrichtenmedien gemeldet, auch bei der taz und bei „Delfi“ aus Estland. In der E-Mail stand nicht viel drin – außer dem Hinweis auf das Leak und einen Download-Link.

Episches Leak zu verschenken, hier klicken – könnte kaum suspekter klingen.

Die Recherche zeigt, dass man solche abstrusen E-Mails nicht sofort ignorieren sollte. Ich habe die Quelle zunächst gebeten, auf einen sicheren Kanal zu wechseln und mir mehr zu erzählen. Das hat das Vertrauen in den Link etwas erhöht. Das Leak habe ich schließlich mit dem sicheren Betriebssystem Tails über den Tor-Browser heruntergeladen. Man installiert Tails auf einem USB-Stick und startet den Rechner dann über diesen Stick …

… um das eigene Gerät vor Schadsoftware zu schützen.

[…]


TOP 30 BIS 30: FRITZ SCHAEFER ist 28, Moderator, Autor und unter den Top-Talenten im Journalismus. Foto: WDR MODERATION: 10 Profi-Tipps für Einsteiger. FREIE UND KI: Was ist erlaubt – und was dürfen Medienhäuser? HASS: Wie Sophia Maier gegen digitale Gewalt vorgeht. DEBATTE: Hat Journalismus im Fußball ausgespielt?
TOP 30 BIS 30: FRITZ SCHAEFER ist 28, Moderator, Autor und unter den Top-Talenten im Journalismus. Foto: WDR 

Das gesamte Interview finden Sie im neuen „medium magazin“. Lesen Sie außerdem im neuen „medium magazin“ alles über die „Top 30 bis 30“ des Jahres 2025. In der neuen Ausgabe erfahren Sie auch, wie Journalistinnen wie Sophia Maier gegen digitale Gewalt vorgehen, wie KI die Vergangenheit mit Deepfake-Dokus erobert und welche Chancen und Risiken das für Doku-Formate birgt, und was Fotografin Herlinde Koelbl dachte, als sie als erste Angela Merkels Raute festhielt. Außerdem: 10 Profi-Tipps für Moderations-Einsteiger, alles zur rechtlichen Lage für Freie bei der Nutzung von KI und die Debatte über die PR-Übermacht in der Fußball-Berichterstattung. Dazu wie immer jede Menge Praxis-Tipps jetzt im „medium magazin“ 03/2025 – digital oder als Printausgabe hier erhältlich oder im ikiosk.

Um Praxis geht es auch in der neuen „Journalisten-Werkstatt“ von Peter Linden zu Sensibler Sprache. Die „Werkstatt“ liegt im „medium magazin“-Abonnement gratis bei. Einzeln ist sie zudem im Shop erhältlich.