Kollegenmeinungen zu Online to Print & paidcontent

Die Umfrage zum Thema: Die Welt-Gruppe hat vorgelegt – Nach „Online first“ heißt es bei Springers jetzt „Online to Print“. Alle Webseiten und Zeitungen der Welt-Gruppe sollen dann aus demselben CMS bespielt werden. Ihr neues Konzept stellen Carsten Erdmann (Berliner Morgenpost) und Jan-Eric Peters im aktuellen medium magazin vor. Wir haben Führungskräfte aus deutschsprachigen Redaktionen gefragt, was sie von der neuen „Welt-Formel“ halten und der Debatte über paid content halten:  Kai N.Pritzsche (FAZ.net), Jürgen Marks (Augsburger Allgemeine), Fried Gehring (Die Glocke), Tobias Köhler (Stuttgarter Zeitung), Thomas Fricker (Badische Zeitung), Manfred Sauerer (Mittelbayerische Zeitung), Carsten Heil (Neue Westfälische), Ulf Schlüter (Südwestpresse), Harald John (Neue Presse), Michael Fleischhacker (Die Presse), Andreas Raab (Styria Media Group) und Marian Semm (Medienberater).

Die Befragten gehören zu den Teilnehmern der 16. mediummagazin-CHEFRUNDE, die am 17. und 18. April bei der „Welt“-Gruppe/ „Berliner Morgenpost“ stattgefunden hat. 

1. Frage:

Hat Sie die digitale Strategie der Welt-Gruppe/Berliner Morgenpost überzeugt? Welche Ansatzpunkte daraus sind Ihrer Meinung nach für regionale Medienhäuser interessant/übertragbar?

2. Frage:

Wie schätzen Sie die Chancen für Paid Content ein und welche Voraussetzungen sind Ihres Erachtens dafür notwendig?

 

Kai N. Pritzsche, verantwortlicher Redakteur faz.net

Kai Pritzsche, verantwortlicher Redakteur FAZ.net
Kai Pritzsche, verantwortlicher Redakteur FAZ.net

1. Ich fand die Strategie in sich sehr schlüssig, da sie die Themen und nicht die Produkte in den Mittelpunkt stellte. Die am Ereignis, statt am Reaktionsschluss, orientierten Arbeitzeiten und -abläufe werden, nach der bestimmt turbulenten Übergangsphase, allen heutigen und kommenden Produkten zu Gute kommen.

2. Paid Content kann nur dann funktionieren, wenn der Nutzer für sein Geld einen angemessenen Gegenwert erkennt. Agenturlastige Nachrichtenangebote sind da zu kurz gesprungen. Schafft man es ein digitales Primärprodukt anzubieten, wie ft oder wsj, das die Netz-Aktualität mit der Marken-Qualität vereint, können neue Erlöspotentiale angegangen werden.

 

Jürgen Marks, stv. Chefredakteur Augsburger Allgemeine Zeitung

Jürgen Marks, Chefredaktion Augsburger Allgemeine
Jürgen Marks, Chefredaktion Augsburger Allgemeine

1. Online als Taktgeber für die redaktionellen Workflows zu nutzen – das ist ein mutiger Schritt, der zur Welt wegen der besonderen Gegebenheiten passen könnte. Wenn die Chefredaktion diese Pläne in die Tat umsetzt, ist das Crossmedia in Reinform. Aber Vorsicht: Der Teufel wird im Detail stecken.

Auf regionale Medienhäuser ist dieser Plan auf absehbare Zeit nicht übertragbar. Die Voraussetzungen der Welt – weitgehend getrennte Print- und Online-Zielgruppen sowie eine Internet-Reichweite, die die der Zeitung übersteigt – sind in unserer Region nicht gegeben. Zum Glück. Sinnvoll ist die Einführung eines crossmedialen Redaktionssystems und eine Crossmedia-Ausbildung für Journalisten. Beides haben wir in Augsburg bereits umgesetzt.

2. Paid Content wird die Agenda in den nächsten Monaten wieder bestimmen. Das „Metered Model“ der New York Times ist interessant. Wir werden die Entwicklung aufmerksam beobachten. Voraussetzung ist eine weitere Attraktivitätssteigerung unserer Online-Portale.

Fried Gehring, Chefredakteur und Verleger DIE GLOCKE, Oelde

Fried Gehring, Chefredakteur und Verleger DIE GLOCKE, Oelde
Fried Gehring, Chefredakteur und Verleger DIE GLOCKE, Oelde

1.Die Strategie für die digitalen Produkte der Welt-Gruppe stellt sich, rückwirkend betrachtet, durchaus als überzeugend dar. Die aktuelle Strategie für die digitalen Produkte der Welt-Gruppe stellt sich durchaus als überzeugend dar. Künftig jedoch dem Online-Auftritt Vorrang vor der Print-Produktion einzuräumen, schwächt die Print-Objekte in für den Leser unzumutbarer Weise.Die Ansatzpunkte, wie sie etwa im Bereich der Kompetenzregelung in Redaktionen erläutert wurden, sind übertragbar, in mittelständischen Medienunternehmen schneller zu verändern, etwa bei uns bereits umgesetzt.

2. Der Erfolg von Paid Content richtet sich meines Erachtens nach dem Wettbewerb vor Ort. Wer bezahlte Inhalte anbieten will, kann das nur in einem Markt, der sich ähnlich verhält.

Carsten Heil,stv. Chefredakteur Neue Westfälische Bielefeld

Carsten Heil, stv. Chefredakteur Neue Westfälische Bielefeld
Carsten Heil, stv. Chefredakteur Neue Westfälische Bielefeld

1.Zumindest habe ich den Eindruck gewonnen, dass es überhaupt eine Strategie gibt, die zielgerichtet verfolgt wird. Das kann man angesichts der Unsicherheit, Unübersichtlichkeit und Schnelllebigkeit in der Branche nicht überall beobachten. In jedem Fall ist es richtig, auf allen Kanälen von der Marke her zu denken und sie zu stärken. „Online first“ noch früher zu denken – also nicht erst, wenn der für die Zeitung vorgesehene Artikel entstanden ist und online gestellt werden könnte, sondern schon bei der Planung, ist richtig, macht aber nur Sinn, wenn Nutzer für die Inhalte bezahlen müssen. Da bei der Welt-Gruppe auch dieser Ansatz verfolgt wird, scheint die Strategie sinnvoll.“

In erster Linie sind die Inhalte der Ausbildung übertragbar. Mit immer mehr online-sozialisierten, jungen und gut ausgebildeten Leuten die Redaktionen aufzufrischen ist der richtige Weg. Den gehen wir bei der Neuen Westfälischen auch.

In der Alltagsarbeit mit dem Bespielen vieler verschiedener Kanäle unterscheiden sich Regionalzeitungen jedoch von Blättern mit überregionalem Anspruch. Bei allem Respekt: Gut gemachte Regionalzeitungen haben wesentlich mehr Inhalte exklusiv. Viele relevante Infos aus ihrem direkten Umfeld bekommen Leser und User immer noch von am besten aufbereitet vom regionalen/lokalen Medienhaus. Da braucht man eine andere Strategie als die nationalen Player. Dem werden Welt und Berliner Morgenpost ja auch gerecht, indem sie unterschiedlich agieren.

2. „Die Chancen steigen. Eindeutig. Aber ob das wirklich zu nennenswerten Einnahmen führt, ist offen. Ein Versuch mit langem Atem ist es jedenfalls wert.“

Harald John, Chefredakteur Neue Presse Hannover

Harald John, Chefredakteur Neue Presse Hannover
Harald John, Chefredakteur Neue Presse Hannover

1. Die Strategie, jeden Redakteur auch zum Onliner zu machen, ist sinnvoll und überzeugend. Die Aufgabe, seine Inhalte in jeden Kanal – von Print über Online bis zur App – zu geben, stellt sich künftig jedem Redakteur – auch und gerade bei Regionalverlagen.2. Seit Anfang März sind Teile des Inhalts von neuepresse.de kostenpflichtig, negative Reaktionen sind weitestgehend ausgeblieben. Insofern kann Paid Content ein geeigneter Weg sein, die Inhalte der Zeitungen zu schützen und den Wert unserer journalistischen Arbeit zu unterstreichen.

Ulf Schlüter, stv.Chefredakteur Südwestpresse

Ulf Schlüter, stv.Chefredakteur Südwestpresse
Ulf Schlüter, stv.Chefredakteur Südwestpresse

1. Die Gruppe hat Ihrem Plan viel Zeit für gründliche Recherche und ausgiebige Tests gewidmet. Man stößt auf überzeugte Blattmacher, die auf ein sich wandelndes Konsumverhalten von Lesern und Usern reagieren. Das alles hört sich vielversprechend an.

2. Jedes Haus sollte seine Strategie gemessen an den eigenen Bedürfnissen entwickeln. Aus Berlin zu übernehmen wären die große Überzeugungskraft und Argumentationsweise der Verantwortlichen – unter Einschluss des Risikos, auch Fehler zu machen. Und: ein gründlich recherchierter und durch Tests abgesicherter Plan sind eine mehr als gute Grundlage für den Start in das „digitale Abenteuer“ auch auf regionaler oder lokaler Ebene.
Das ist die Gretchenfrage. Ausprobieren sollte man paid content unbedingt. Man wird sehen, auf welche Resonanz die derzeit in Plan oder bereits im Markt befindlichen Modelle stoßen.

Tobias Köhler, Redaktionsleiter online „Stuttgarter Zeitung“

Tobias Köhler, Redaktionsleiter online "Stuttgarter Zeitung"
Tobias Köhler, Redaktionsleiter online "Stuttgarter Zeitung"

1. Neue Produkte: Für überregionale Titel wie „Welt“, „Spiegel“ und „Süddeutsche“ ist es entscheidend, bei neuen Entwicklungen zu den First Movern zu gehören – sei es iPhone oder iPad.Organisatorisch: Eine gemeinsame Redaktion, die Inhalte für Print, Online und alle weiteren Kanäle erstellt – das halte ich für den richtigen Weg. Und dass sich diese Redaktion an dem Kanal mit der höchsten Aktualität – also Online – orientiert, ist nur konsequent.

Auch für regionale Titel ist es prinzipiell lohnenswert, schnell auf neue Entwicklungen zu reagieren. Bei ganz neuen Endgeräten und Plattformen wie dem iPad haben sie allerdings das Problem, dass die Zielgruppe im regionalen Markt zunächst sehr klein ist.

Organisatorisch: Für Regionalzeitungen gibt es meiner Meinung mittelfristig nach keine Alternative dazu, medienkonvergent zuarbeiten – natürlich mit Spezialisten für die jeweiligen Kanäle.

2. Ich bezweifle, dass genügend Menschen bereit sind, für reine Nachrichtenangebote im Web zu bezahlen. Wenn überhaupt, muss es sich um sehr exklusiven und sehr werthaltigen Content halten. Da haben regionale Angebote mit ihrer – meistens weitgehend exklusiven und oft nutzwertigen – Lokalberichterstattung wahrscheinlich sogar bessere Chancen als die großen Player wie „Spiegel Online“, „Süddeutsche.de“ oder „Welt Online“.

Thomas Fricker, stv. Chefredakteur Badische Zeitung, Freiburg

Thomas Fricker, stv. Chefredakteur Badische Zeitung, Freiburg
Thomas Fricker, stv. Chefredakteur Badische Zeitung, Freiburg

1. Grundsätzlich halte ich die Strategie für richtig. Themenorientierung anstelle von Blattorientierung, Online als Taktgeber, Content-Manager als Lotsen für die verschiedenen Medien – zusammen mit einem Redaktionssystem, das die parallele Arbeit für verschiedene Medien-Kanäle tatsächlich ermöglicht, erscheint dies in der Tat ein zukunftsfähiges Konzept zu sein. Allerdings sollte Springer so ehrlich sein, neben dem geplanten Mehr an Integration im neuen Newsroom auch das Weniger an Integration einzuräumen, was speziell die Berliner Morgenpost betrifft. Ich denke, hier sind Grenzen einer zeitgleichen Produktion unterschiedlicher Produkte durch ein gemeinsames Team sichtbar geworden. Ohnehin gilt: Ob die neue Strategie, die ja auch eine neue Organisationsform bedingt, wirklich funktioniert, lässt sich derzeit schlicht nicht absehen. Allzu viel befindet sich im reinen Planungsstadium. Es gibt – bei einem Verlagshaus dieser Größe kein Wunder – noch immer sehr, sehr viele Spezialisten für die jeweilige Mediengattung bzw. fürs jeweilige Produkt.Manche Herausforderung, vor denen Springer steht, lässt sich in einem regionalen Haus womöglich sogar leichter meistern. Ich denke hier an unser Redaktionssystem (N-gen von Multicom), das Arbeiten für Print und Online in dem Maßstab, in dem wir das brauchen, schon heute problemlos ermöglicht. Vorbildlich ist aber auf jeden Fall der Ansatz, die Redaktion themenorientiert aufzustellen und gleichsam nachgelagert über das Bespielen der verschiedenen Kanäle zu entscheiden. Alle Anstrengungen, angesichts der immer mehr wachsenden Medienvielfalt – Online, mobile Dienste wie Apps, i-pad-Angeobte usw. – Doppelarbeiten und Parallelstrukturen zu vermeiden, verdienen auch von regionalen Häusern große Aufmerksamkeit. Inwieweit dann allerdings technische Lösungen an menschlichem Eigensinn (dem wir natürlich immer auch Kreativität und Ideenreichtum verdanken) scheitern, wird man sehen.

2. Skeptiker sind nicht gerne gesehen, da macht unsere Branche keine Ausnahme. So gesehen ist es wahrscheinlich ziemlich unklug, sich als jemand zu outen, den hier doch beträchtliche Zweifel beschleichen. Ich tu´s trotzdem, weil meiner Wahrnehmung nach die Kostenlos-Kultur im Internet noch immer zu sehr gelernt und verbreitet ist, als das sich in einem halbwegs überschaubaren Zeitraum wirklich nennenswerte Erlöse erzielen ließen. Trotzdem ist das Bemühen darum – wie sagt man so schön – alternativlos. Ich freue mich über jedes ausgeklügelte Misch-Modell, das eventuell dazu beiträgt, die Zahlbereitschaft mittelfristig zu erhöhen. Schön wäre es,, wenn die IVW-Zahlen bald auch zum Beispiel veredelte e-paper-Auflagen mitzählen würden. Das würde die Bereitschaft zur Innovation hier erhöhen. Ziel muss letzlich sein, sich mit vielerlei verschiedenen Erlösquellen den finanziellen Atem zu erkaufen, um die Arbeitsfähigkeit einer Redaktion zu sichern. Nur damit sichert man zugleich auch die Qualität der Printprodukte. Dass ist von überragendem Interesse, weil die noch sehr lange den Hauptteil des Gewinnes zu erwirtschaften haben werden. Im Übrigen verkennt der Blick auf die größtenteils bröckelnden Auflagen den Umstand, dass die Vertriebserlöse aufgrund regelmäßiger – vom Leser akzeptierter – Preiserhöhungen – für die Verlage immer wichtiger werden.

 

Manfred Sauerer, Chefredakteur Mittelbayerische Zeitung

Manfred Sauerer, Chefredakteur Mittelbayerische Zeitung
Manfred Sauerer, Chefredakteur Mittelbayerische Zeitung

1. Die digitale und damit die multimediale Strategie ist überzeugend und ohne Alternative. Die Leser bzw. User erwarten diese Produktvielfalt. Übertragbar sind so gut wie alle Ansatzpunkte. Die grundsätzliche Herangehensweise mit der Arbeitstaktung nach digitalen Bedürfnissen wird für alle notwendig.

2. Die Chancen für paidcontent bestehen, die Angebote müssen jedoch noch deutlicher weiterentwickelt und ausdifferenziert werden.

Andreas Raab, Projektleiter Styria Media Group AG, Wien

Andreas Raab, Projektleiter Styria Media Group AG, Wien
Andreas Raab, Projektleiter Styria Media Group AG, Wien

1. Nach dem ersten Schritt mit „online first“ vor rund 5 Jahren wurde nun mit der Reorganisation der redaktionellen Produktion auf die Online-Nutzung der konsequente zweite Schritt gemacht. Durch die Integration der Print- und Online-Redaktionen fallen Parallelaktivitäten weg, die frei werdenden Ressourcen können für das Recherchieren eingesetzt werden. Online-Redakteure werden nicht zum Reproduzieren von Inhalten eingesetzt, wie es leider oft genug noch üblich ist, sondern produzieren eigene Geschichten, um dem Qualitätsanspruch gerecht zu werden. Dieser Anspruch ist sicherlich richtig.Die Trennung der Redaktionen in Print und Online ist nicht mehr zeitgemäß, ein Teil der Redakteure muss sich als Multimedia-Redakteur verstehen und auch so arbeiten. Das Ausspielen der Inhalte auf unterschiedlichen Plattformen ist eine logische konsequenz der sich ändernden Mediennutzung.

2. Paid Content hat nur eine Chance, wenn der Konsument dieselben Inhalte nicht beim „Nachbarmedium“ gratis in Anspruch nehmen kann. Darum müssen die Inhalte noch spezifischer auf die Interessen und Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten sein. Dazu ist es nötig moderne innovative Formen des Storytelling mit dem bisherigen Weg des Geschichten gestalten zu verknüpfen. Eines ist auch klar, paid content setzt sicht schneller durch, je mehr Medienverlage sich trauen darauf zu setzen.

Michael Fleischhacker,Chefredakteur „Die Presse“, Wien

Michael Fleischhacker, Chefredakteur Die Presse (Wien)
Michael Fleischhacker, Chefredakteur Die Presse (Wien)

1. Sie hat mich überzeugt, weil sie, glaube ich, genau zum richtigen Zeitpunkt angegangen wird. Welche Ansatzpunkte daraus für regionale Medienhäuser interessant/übertragbar sind, dazu fehlt mir als CR einer überregionalen Zeitung die Expertise.

2.Die Chancen steigen mit dem Grad der Spezialisierung. Online wird nur bezahlt werden, was sonst nirgends erhältlich ist.

Marian Semm,Medienberater

1) Die digitale Strategie der Welt-Gruppe/Berliner Morgenpost ist ein gelungenes Beispiel, wie ein Verlag von einer NewsDesk-Organisation über die Kostenspar-Aspekte hinaus profitieren kann. Damit hat der Verlag eine Plattform geschaffen, auf der mit niedrigerem Aufwand experimentiert werden kann als wenn gleich eine neue Redaktion aufgebaut werden müsste. Gleichzeitig ist das – bei aller Reibung, die natürlich auch im Hause Springer spürbar ist – ein Symbol für den Aufbruch: Jeder Journalist, der crossmedial arbeiten möchte, kann sich hier betätigen.

Marian Semm, Medienberater
Marian Semm, Medienberater

Diese Konsequenz erlebe ich in den wenigsten Zeitungshäusern. Ich möchte das mal mit der Automobilindustrie vergleichen – man wundert sich ja, wie dort in den letzten Jahren die Modellpaletten erweitert wurden – dabei ist es das, was die Plattformorganisation ermöglicht: Gleichartiges wird von vielen Produkten genutzt, differenzierendes wenigen Produkten auf den Leib geschneidert. Der NewsDesk als Plattform senkt damit den Zusatzaufwand für neue Produkte – und wie ich sehe, nutzt die Welt-Gruppe diese Vorteile schon heute mit ihrer Experimentierfreude und einer ziemlich agilen Produktpalette.zum Thema Übertragbarkeit: Das NewsDesk-Modell hat sich ja in den letzten zehn Jahren ziemlich verbreitet und gehört eigentlich zum Standard der Regionalzeitungen – auch wenn es einer kritischen Masse bedarf und der Veränderungsaufwand nicht zu unterschätzen ist, um wirklich Vorteile realisieren zu können. Ich höre in vielen Verlagen den Satz: Wenn wir es richtig machen wollen, dann stellen wir online nach vorne.

Ich habe nur den Eindruck, dass das Modell NewsDesk in vielen Häusern primär genutzt worden ist, um Kosten transparent zu machen und auch zu sparen und für Neuentwicklung sehr, sehr wenig Kraft und Mut übrig ist.

Es wäre grundsätzlich sehr viel an den Produktionsgrundsätzen übertragbar: Digital first ohne Redaktionsschluss sondern als eine Art Dauerproduktion und Produktteams, die den Inhaltestrom nutzen. Ich möchte das Bild nicht zu düster malen, denn wir haben tolle Redaktionen – aber dazu braucht man ein Kostengerüst, dass viele Blätter nicht mehr tragen können. Bei Welt und Morgenpost wurde die Chance vor vielen Jahren erkannt und genutzt – insofern ist die Situation bei Springer einzigartig und ich glaube, dass die Welt-Gruppe anderen Häusern um fünf Jahre voraus ist; während andere noch versuchen, ihre Kosten in den Griff zu bekommen, wird dort der Vorsprung mit neuen Produkten ausgebaut.2. Paid Content funktioniert überall dort, wo Menschen mit Inhalten konkreten Nutzen verbinden. Beim Wall Street Journal, bei der New York Times, bei rtlnow.de, im iTunes-Store und bei der Stiftung Warentest.

Paid Content funktioniert nicht, wo ich die selben Inhalte zwei Klicks weiter kostenlos bekomme – und da ist jeder Verlage im Hintertreffen, der stark auf Agenturinhalte baut oder einfach nur Polizeimeldungen bearbeitet. Vor dem Hintergrund sind viele Paid-Content-Initiativen eher Maßnahmen, um das Printprodukt zu schützen, nicht um einen digitalen Markt zu entwickeln. Ich höre aber zur Zeit auch immer wieder von erfreulichen Entwicklungen bei epaper-Abonnements – da dürften vor allem die Tablets dahinter stecken.