Ist die Union bei gemeinnützigen Medien eingeknickt?

Das Kapitel des Koalitionsvertrags von SPD und Union, das sich den Medien widmet, ist kaum eine Seite lang. Besonders einsilbig gehen die Koalitionäre auf eine Forderung jener Medienangebote ein, die sich im Forum Gemeinnütziger Journalismus organisieren, darunter das Recherchenetzwerk Correctiv und netzpolitik.org. Sie fordern seit Jahren, dass nicht nur Karnevalsgesellschaften und Schachvereine als gemeinnützig gelten, sondern auch journalistische Recherchen. Ein entsprechender Gesetzentwurf schaffte es unter der scheidenden Ampelregierung nicht zum Vollzug, obwohl diese bei Antritt vor vier Jahren wortwörtlich versprach: „Wir schaffen Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus (…).“

Im aktuellen Vertragswerk von Schwarz-Rot findet sich das ab Zeile 3914 offenbar per Copy and Paste eingefügte Sätzchen: „Im Sinne der flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten schaffen wir mit Blick auf die Gemeinnützigkeit Rechtssicherheit.“ Was damit genau gemeint ist, bleibt unklar. Und doch war mit diesem vagen Versprechen nicht unbedingt zu rechnen. Noch im Februar, einen Tag nach der vorgezogenen Bundestagswahl, schien es, als wollte die Union gemeinwohlorientierten Medien an den Kragen, weil diese zu Demonstrationen gegen rechts mit aufgerufen hatten. Per Kleiner Anfrage mit dem Titel „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ stellte die Bundestagsfraktion von CDU/CSU 551 Fragen zur Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen und stellte damit deren Status der Gemeinnützigkeit in Zweifel. Die Kritik an der „Fragenkanonade“ (Sven Giegold, Grüne) war massiv. Correctiv ging damals in die Offensive („wir haben nichts zu verbergen“) und stellte die eigenen Antworten online.

Welche Erkenntnisse die Union daraus gezogen hat und ob sie sich womöglich mit ihrer kritischen Haltung gegenüber Correctiv & Co in den Koalitionsverhandlungen nicht habe durchsetzen können, ist ebenso wenig zu erfahren wie eine Erläuterung zum Thema „Rechtssicherheit“. Ein Sprecher der CDU-CSU-Fraktion im Bundestag kann „zum jetzigen Zeitpunkt nur auf die entsprechende Passage im Koalitionsvertrag verweisen“. Dennoch schöpft taz-Geschäftsführer Andreas Marggraf „neue Hoffnung“. In einem Kommentar seiner Zeitung schreibt er: Die intensive Lobbyarbeit u. a. vom Forum Gemeinnütziger Journalismus, in dem auch die taz Panter Stiftung Mitglied ist, scheine sich im Koalitionsvertrag widerzuspiegeln.

Auf Nachfrage gibt sich auch Justus von Daniels, Co-Chefredakteur von Correctiv, verhalten optimistisch: Dass das Ziel, gemeinnützigem Journalismus Rechtssicherheit zu verschaffen, im Koalitionsvertrag verankert wurde, sei unter den aktuellen politischen Mehrheiten nicht selbstverständlich gewesen. Für umso wichtiger hält er nun dieses Signal. „Correctiv zeigt seit über zehn Jahren, dass gemeinwohlorientierter Journalismus funktioniert – gestützt auf die Anerkennung unserer Gemeinnützigkeit durch das Land NRW.“ Jetzt gehe es darum, auch anderen journalistischen Akteuren rechtssichere Bedingungen für dieses Modell zu ermöglichen. „Union und SPD sind in der Verantwortung, nun zügig die notwendigen gesetzlichen Regelungen zu erarbeiten.“

Auch bei einem anderen Vorhaben ist es nicht so gekommen, wie Journalisten befürchtet haben. Die Unionsparteien wollten das Informationsfreiheitsgesetz eigentlich „in seiner bisherigen Form“ abschaffen. Davon ist im Koalitionsvertrag keine Rede mehr.

Text: Senta Krasser


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