30 Jahre „Bild der Frau“
Ein Klassiker der Frauenzeitschriften feierte am 15.März, Jubiläum. Welches Bild der Frau hat eigentlich „Bild der Frau“?
Gleich im Eingangsflur der Redaktion hängen Werbeposter: „Die Reichweite, die Auflage, die Größe. Wichtiges ist immer weiblich“, steht auf einem. „Frauen, die so gut sein wollen wie Männer, haben einfach keinen Ehrgeiz.“ So viel Witz hätte man „Bild der Frau“ gar nicht zugetraut. Und das ist nicht der einzige Widerspruch zwischen Image und Heftinhalt.
Die 1,10 Euro teure Wochenzeitschrift aus dem Axel Springer Verlag feiert derzeit den 30. Geburtstag – und gehört damit zu den Frauenmagazinen, die es in Deutschland am längsten am Kiosk gibt. Zur Einordnung: Die „Brigitte“ ist älter, erscheint aber nur alle 14 Tage und hat eine deutlich andere Zielgruppe, ist „wertiger“, würde man auf Verlagsdeutsch sagen; „Tina“ von Bauer ist als Wochentitel in Aufmachung und Themenspektrum fast nicht von „Bild der Frau“ zu unterscheiden und acht Jahre länger am Markt, seit 1975. Beide reklamieren für sich, das „Original“ zu sein, die anderen günstigen Frauenwochentitel sind in ihren Augen Kopien.
„Bild der Frau“ ist eines dieser Hefte, die man am Kiosk kaum auseinanderhalten kann: „Von Frau zu Frau“, „Frau im Trend“, Alles für die Frau“, „Illu der Frau“, „Neues für die Frau“ – überfrachtete Titelseiten, rote Logos in der Ecke, weichgezeichnete Frauenköpfe. In der ersten Märzwoche hatten auch noch fast alle als Geschenk Frühlingsaufkleber auf dem Umschlag. Dass Burda 2003 gegen Springer klagte wegen Logo-Plagiat, klingt da nur noch absurd. Selbst „Frau von Heute“, das die „Bild der Frau“-Redaktion als eigene Kopie auf dem Markt hat, unterscheidet sich vom Muttertitel eigentlich nur darin, dass es noch günstiger ist. Am Wochenende, hört man, sortieren die Redakteurinnen das eigene Heft am Kiosk gerne mal nach vorne.
„Wir sind hochwertiger“, erklärt Chefredakteurin Sandra Immoor in ihrem Büro in Hamburg den Unterschied zwischen ihrem Heft und dem Rest. Die 44-Jährige ist dieses Jahr seit 20 Jahren beim Heft, sie war lange stellvertretende Chefredakteurin, 2006 löste sie die Gründungschefin Andrea Zangemeister ab. Immoor betont stets die Existenz der eigenen externen Versuchsküche, dass alle Modestrecken und Coverfotos eigens geschossen würden, jede Story echt sei.
Frau muss gut aussehen. Doch von außen merkt man davon wenig. Aktuelle Titelaufmacher: „Flacher Bauch in 10 Tagen“, „Abnehmen mit Aktiv-Kalorien“, „Studie beweist: In 3 Tagen 6 Pfund weg mit dem Essigtrick“. In den letzten Jahrzehnten stand da „Spaghetti-Diät“, „Reis-Diät“, „Apfel-Quark-Diät“. Doch der „Diätwahn mit hohen Abnehm-Pfundzahlen“ sei vorbei, sagt Immoor. Dennoch, vorne geht es immer nur um das eine: Frau muss gut aussehen.
Als „Bild der Frau“ als 24-Seiten-Heftchen auf Zeitungspapier Mitte März 1983 zum ersten Mal erschien, hatte die Hamburger Gleichstellungsbeauftragte den gleichen Eindruck, sie sagte, das Heft sei „eine Ohrfeige für die Frauenbewegung“. Immoor sagt dagegen: „Natürlich hat ‚Bild der Frau‘ sich weiterentwickelt – so wie sich die Lebensmodelle deutscher Frauen weiterentwickelt haben. Kämpferisch waren wir aber schon immer.“
In der aktuellen Debatte um die Rolle von Frauen in der Gesellschaft fragt aber keiner nach „Bild der Frau“. Dass das nicht geschieht, liegt sicher zum einen an dem selbst verschuldeten Billig-Image, das sich vom Preis auf den Inhalt ausdehnt und das einen davon abhält, auf den ersten und den zweiten Blick nichts Kämpferisches entdecken zu können. Das Heft bestimmen Diät, Frisuren, Backen und Kochen, Mode, Dekokram, traurige Familiengeschichten: Also böse gesagt alles, was Frauen auf Hausfrauen reduziert. „Es ist doch selbstverständlich, dass wir auch über Mode und Beauty-Themen schreiben “, kommentiert Immoor trocken, „das müsste man ja sonst allen Frauenzeitschriften vorwerfen“.
„Diätheft“, „Hausfrauenmagazin“, dieses Image gefällt Chefredakteurin Sandra Immoor überhaupt nicht. Und was die quasi wöchentlichen Abnehm-Aufmacher angeht: „Das wollen die Leserinnen. Wir verkaufen schließlich über 80 Prozent unserer Auflage am Kiosk.“ Sie sind Marktführer in ihrem Segment. Nur, wer kennt schon eine, die „Bild der Frau“ liest? Eben. „Natürlich finde ich es schade, wenn bei einer Straßenumfrage nach der größten deutschen Frauenzeitschrift nicht immer unser Name fällt“, sagt Immoor. Bis 1998 hatte die „Bild der Frau“ fast konstant eine verkaufte Auflage von zwei Millionen, einige Jahre gab es dazu noch eine eigene Ostausgabe. Seit 2010 schwankt die Auflage zwischen 850.000 und 900.000, „Frau von Heute“ kauften zuletzt nur 130.000 (Quelle: IVW).
Der Verlag charakterisiert das Heft als Drei-Generationen-Titel, Töchter, Mütter und Großmütter, alle würden etwas finden. Die Durchschnittsleserin sei Anfang 50 und wertkonservativ, so Immoor. „Wir zeigen, was die ganz normale deutsche Frau derzeit beschäftigt“, sagt sie. „Wir wollen den Frauen in ihrer Normalität ein gutes Gefühl geben.“ Wahrscheinlich sind die Töchter eher unter den über 5.000 Facebook-Fans zu finden – der Auftritt wirkt um Längen jünger und unverkrampfter als das Heft. Was sicher auch an den vielen jungen Kolleginnen liegt, die man beim Rundgang durch die Redaktion sieht. Das Gefühl: Die Heft-Zielgruppe arbeitet hier nicht. Sandra Immoors Büro ist hell eingerichtet, weiße Sofamöbel, ein Hocker aus Korbgeflecht, rote Karokissen, Landhausstil eben. Durchschnittsalter der 55-köpfigen Redaktion ist 45, Frauenquote 81 Prozent, in Führungspositionen 64. Sie sehen aus, wie man sich Frauenmagazinredakteurinnen vorstellt: up to date und unaufgeregt hanseatisch.
Der Vergleich lässt sich leichter ziehen, wenn man sich die Hefte der Anfangszeit anschaut. An den Jahresbänden in den Archivregalen des Axel-Springer-Verlags in Berlin erkennt man auf den ersten Blick die Formatumstellung 1986. Die Anfangsausgaben dokumentieren eine Zeit, als Frauen noch mit dem Adjektiv „tüchtig“ versehen wurden, es einer Sensation glich, wenn 18-Jährige von zu Hause auszogen, Frauen alleine verreisten. Politik fand statt, indem man Politikergattinnen in ihren Bundespresseballroben zeigte oder über die Grünen-Ikone Petra Kelly schrieb: „Sie ist aus dem Stoff, aus dem Fanatiker sind“ – „Sie verbindet den höllischen Ehrgeiz, mit dem andere Blondinen in Hollywood Karriere gemacht haben, mit der sprachlichen Geschliffenheit kalter Intellektueller.“
Die erste Probenummer von 1982 war sogar noch exakt wie eine „Bild“-Zeitung angelegt. Die Roben von Princess Di waren der Aufmacher – als Anziehpuppenkleider, mit „17 Modellen zum Ausschneiden“. Sogar ein Seite-Eins-Mädchen gab’s: Horizontal räkelt sich da eine blonde Bikinischönheit am Strand. Dass Bundeskanzler Helmut Kohl in einer der Testausgaben erklärte, die Arbeit von Hausfrauen müsse dringend in der Rente berücksichtigt werden, er sich eine Frau als Außenminister wünsche und dass „wir Männer uns“ im Beruf immer noch „paschahaft“ benähmen, klingt fast wie ausgedacht.
Frauen können alles gleichzeitig. Die Themenschwerpunkte haben sich in den 30 Jahren zwar nicht verändert, höchstens in Richtung mehr Diät und weniger Promiklatsch verschoben. Aber in der Tat gibt es eben auch andere Facetten. Man entdeckt sie aber eben kaum bei jenem marktschreierischen Layout, das vor allem signalisiert, dass hier viel Inhalt für wenig Geld zu haben sei. Und auf das wohl der Werbeslogan auf einem der Poster im Eingangsbereich verweist: „Männer können alles. Frauen können alles gleichzeitig.“ Es irritiert etwas, dass Immoor den Drang zur Entschleunigung und das Bedürfnis nach Orientierung als wichtige Trends benennt. Die Frage, warum sich das bei „Bild der Frau“ nur inhaltlich, aber nicht im Layout niederschlage, scheint sie nicht zu verstehen. Es gab auch mal den Versuch einer „Landlust“-Kopie namens „Landpartie“.
Wenn man aber all das zur Seite räumt, sieht man dazwischen handfesten, serviceorientierten Journalismus, mit gesellschaftlich relevanten Geschichten, erstaunlich unpopulistisch im Vergleich zu „Bild“. Egal ob Lebensmittelskandal, Sterbehilfe, der neue EU-Trinkwasser-Beschluss.
Oder die Sexismusdebatte, die Rainer Brüderles Dirndl-Kommentare ausgelöst hatten. „Dumme Sprüche, blöde Anmache? Mit uns nicht mehr!“, prangte fett über der Doppelseite. Man ließ eine Hauptkommissarin und eine Bedienung über Sexismus im Joballtag erzählen und Sandra Immoor kommentierte: „Es ist gut, dass es jetzt mal kracht und alle über das chauvinistische Grundrauschen reden“, und: „Für alle Männer, die jetzt aufschreien: Nein, es geht nicht darum, Komplimente abzuschaffen“, es gehe um Respekt.
So klare Worte hätte man sich auch aus anderen Redaktionen gewünscht. Wie stark das Image vom Inhalt ablenkt, zeigen auch andere Punkte, die überraschen. Etwa die Studien, die die Redaktion jeden Herbst in Auftrag gibt, zuletzt ging es um die Chancengerechtigkeit in Schweden und Deutschland. Nächstes Thema sind Männer – und die Frage, wie sehr sie ihre Karriere von den Frauen seit neuestem bedroht sehen. Ähnlich überraschend auch der jährliche Preis „Goldene Bild der Frau“ (gerade erstmals als TV-Gala): Ausgezeichnet werden Frauen, die sich ehrenamtlich engagieren, Gutes tun. Ehrlich: Sie könnten locker auch beim inhaltlich vergleichbaren Preis der „taz“ für „Helden des Alltags“ nominiert sein.
Immoor gehört auch zum sogenannten „Lenkungsausschuss Chancengleich“ des Verlags. „Wir machen flexible Arbeitszeitmodelle möglich“, sagt Immoor über ihre eigene Redaktion, „wir haben etwa viele Frauen in Teilzeitstellen und einige in der Schwangerschaft zu Ressortleiterinnen befördert“. Es klingt vorbildlich. „Unser Verlag ist auf dem Weg zur Gleichstellung, aber noch nicht am Ziel“, sagt Immoor. „Mein Ratschlag an meine Springer-Kollegen ist immer: Man muss Beispiele schaffen.“ Und dann kommt der Satz, den man bei Springer kaum hört: „Ganz persönlich denke ich, dass als Mittel zum Zweck eine Quote auf Zeit auch eine Möglichkeit sein kann.“ Sie betont, das sei eine Privat-meinung. Denn das „Q“-Wort ist im Verlag verpönt, aus Zitaten über die Unternehmensstrategie wird es sonst verlässlich gestrichen.
Text: Anne Haeming ist freie Journalistin in Berlin und Mitglied der „medium magazin“-Redaktion.
Der Beitrag ist erschienen in mediummagazin Ausgabe 3/2013 auf Seite 38 bis 39. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an redaktion@mediummagazin.de