Best of 2021: Der perfekte Pitch – 10 Tipps für Freie

Ohne überzeugendes Exposé schafft es selbst die beste Story nicht ins Blatt. Mit unserem Guide für einen gelungenen Themenvorschlag knacken Sie auch die härtesten Redaktionen. 

Von Florian Sturm

Mit unseren Tipps für bessere Pitches erreichen Freie ihre Ziele. (Grafik: Pixabay)
Dieser Text ist in medium magazin 01/21 erschienen.

Wer von uns schreibt nicht gern lange, detaillierte und durcherzählte Geschichten? Doch nur wenn wir das wohl kürzeste aller journalistischen Genres – den Pitch – mindestens genauso gut beherrschen wie Reportagen, Features, Essays oder Porträts, können wir unsere Texte auch verkaufen. 

Unzählige hervorragende Geschichten sind bereits vor der Recherche gescheitert. Das Themenexposé ist oft der Gradmesser, ob wir einen Auftrag bekommen oder nicht. Mit wenigen Zeilen müssen wir die Kolleginnen und Kollegen von unserer Idee überzeugen. Anschließend sind sie unsere Verbündeten im Kampf um einen Platz in der nächsten Ausgabe. Damit sie in der Themenkonferenz mit unserem Vorschlag glänzen können, müssen wir sie für diesen Auftritt bestmöglich wappnen.

Einen Masterplan, mit dem sich jede Story an jede Redaktion verkaufen lässt, gibt es nicht. Themenvorschläge sind so individuell wie jede Recherche, jeder Protagonist, jeder Text. Auch kommt es auf die Beziehung zum jeweiligen Medium an. Für manche Redaktionen schreibe ich seit Jahren; dort reicht oft ein Dreizeiler, ein kurzer Anruf oder gar eine Sprachnachricht per Handy, um eine Idee zu verkaufen.

Doch egal, wem man ein Thema anbietet, mit den folgenden zehn Tipps sind Sie immer gut beraten.

1. Sei selbstbewusst

Ja, meistens sind wir Klinkenputzer und bieten unsere Dienste feil. Und die (Chef-)Redaktion steht in der Nahrungskette weiter oben als wir selbst. Das macht uns aber nicht zu Bittstellern. Sätze wie „Was meinen Sie, wäre dieses Thema nicht etwas für Sie?“ gehören in keinen Pitch. Wir sind uns sicher, dass unser Thema passt und wir den Beitrag umsetzen können. Heißt auch: Versprich nie etwas, was du nicht halten kannst, nur um deine Geschichte (oder vielmehr dich selbst) zu verkaufen. Wenn dich die Redaktion noch nicht kennt, schreibe am Anfang oder Ende der Mail ein, zwei kurze Sätze zu dir als Autor und hebe heraus, warum gerade du die Story schreiben solltest. In der Signatur steht selbstredend deine Website, auf der etliche Arbeitsproben hochgeladen sind.

2. Kenne das Medium

Als ich mit einem Chefredakteur, mit dem ich für mehr als ein Dutzend Geschichten zusammengearbeitet habe, über das Thema „Pitch und Exposé“ sprach, sagte er: „Mir werden oft Ideen oder Manuskripte angeboten, bei denen schnell klar wird, dass sich die Kollegen nicht mit unserem Magazin beschäftigt haben, es noch nie oder zuletzt vor einer Ewigkeit in der Hand hatten. Das kapiere ich nicht, finde es unprofessionell und auch respektlos.“ Zu wissen, für wen man schreiben will – das klingt banal, ist aber essenziell. Du musst dafür nicht die letzten fünf Ausgaben oder 50 Online-Artikel gelesen haben. Doch völlig blind zu pitchen, das fällt meistens auf.

Wer ist dein konkreter Ansprechpartner? Hat die Redaktion dein Thema (oder gar deine konkrete Geschichte) schon im Blatt gehabt – und wenn ja, wann? Passt dein Schreib- und Erzählstil überhaupt zum Ton des potenziellen Abnehmers? Wie reichst du Themenvorschläge am besten ein? (Insbesondere englischsprachige Medien arbeiten häufig mit sogenannten „Submission Guidelines“.) 

Wenn du weißt, ob eine Redaktion eine jährliche Themenplanung abhandelt, kannst du besser abschätzen, ob deine Story überhaupt ins Heft passt. Außerdem signalisiert sie dem Gegenüber, dass du dich mit dem Medium beschäftigt hast. Manchmal hilft es, dieses Know-how in einem Halbsatz anklingen zu lassen („Wie ich in Ihrer Themenplanung gesehen habe, planen Sie im Oktober einen Schwerpunkt zu …“). Das steigert zusätzlich die Relevanz deiner Geschichte.

3. Verkaufe eine Story, keine Idee

Auf die Frage, was mir an meinem Job als freier Journalist am besten gefällt, antworte ich stets: dieser Moment, wenn mich die Faszination und Neugierde für ein Thema übermannt wie eine Droge; wenn ich nicht genug bekommen kann von der Recherche und mich in Browser-Tabs, Querverweisen und Artikeln verliere.

Dieser Text ist in medium magazin 01/21 erschienen. Hier geht’s zum ganzen Heft.

Nicht jeder journalistische Beitrag nimmt so seinen Anfang. Doch Geschichten zu verkaufen, die etwas in uns auslösen, gelingt häufig am besten. Nur: Die Idee allein reicht nicht aus. Sie ist zwar das Fundament einer Geschichte, lässt aber nicht erahnen, ob ich darauf eine klapprige Bretterbude errichte oder ein durchdachtes Haus mit extravagantem Design. Es ist deine Aufgabe, der Redaktion das Grundgerüst deiner Arbeit schon jetzt zu skizzieren.

Ideen sind vage: Ich würde gern über den Gendergap im Fotojournalismus schreiben; Geschichten deutlich konkreter: Ich würde anhand einer stichprobenhaften Zählung gern erörtern, warum im Fotojournalismus ein so starker Gendergap herrscht, wie dieser zustande kam, was das für die Medienlandschaft und das Storytelling bedeutet und wie sich diese Lücke schließen lässt.

Außerdem sollte dein Pitch im Idealfall die Kernelemente der Relevanz – wa­rum muss diese Geschichte (gerade jetzt) erzählt werden? – und der Metaebene – für welches größere Thema steht meine Geschichte stellvertretend? – beinhalten. Auch Protagonisten und Schauplätze kannst du erwähnen, in Ausnahmefällen kann das aber auch nach hinten losgehen (siehe Kasten „Nachgefragt“).

4. Fasse dich kurz

Daran kranken die meisten Themenvorschläge. Denn mit der Kürze geht häufig auch die Präzision verloren. Der berüchtigte Dreizeiler wird selten funktionieren, um Aspekte wie die grundlegende Idee, Perspektive und Absicht der Geschichte, die Relevanz, Metaebene und deine Expertise herauszuarbeiten. Aber ellenlange Mails oder gar seitenweise Anhänge kommen selten gut an. Dafür hat keine Redakteurin Zeit. Zehn Sätze oder weniger ist eine gute Faustregel. Zunächst geht es ja darum, den Auftrag zu bekommen. Konkrete Absprachen mit der Redaktion folgen, wenn die erste Hürde genommen ist.

5. Strukturiere den Pitch wie eine Reportage

Packendes Storytelling ist der wertvollste Trumpf, um unsere Leserschaft sofort an eine Geschichte zu fesseln. Dieser Anspruch gehört in jeden guten Pitch. Schließlich haben wir hier buchstäblich nicht mehr als den berühmten ersten Absatz. Ein freier Reporter und Kollege, der für Titel wie „Der Spiegel“, „Cicero“, „Focus“ und „Esquire“ schreibt, geht bei seinen Vorschlägen fast immer nach diesem Muster vor: „Mit einem starken Einstiegssatz will ich mein Gegenüber ins Exposé hineinziehen. Danach heißt es: schnell zur Sache kommen, mit zwei, drei Argumenten (das stärkste zuerst) überzeugen, zum Abschluss den Mehrwert der Story in den Fokus rücken und noch mal mit der Metaebene verbinden – getreu dem Motto: Die Leser erfahren durch diesen Beitrag, dass …“

6. Vermeide Fehler

Der wohl offensichtlichste Hinweis in dieser Liste. Doch genau deswegen wird er häufig übersehen. Rechtschreibfehler sind hier gar nicht gemeint, denn die sollten ohnehin nirgends auftauchen.

Da wir Vorschläge oft bei unterschiedlichen Medien anbieten, ist die Copy-Paste-Variante unser aller Freund. Das Grundgerüst für das Exposé steht und wenn die erste Absage kommt, geht der gleiche Pitch an die nächste Redaktion. Doch Vorsicht: Ein „Meier“ oder „Maier“ statt „Meyer“ in der Anrede kann den Auftrag kosten. Ebenso wie das falsche Medium, wenn es um das Argument im Exposé geht, warum „meine Geschichte sehr gut zum inhaltlichen Fokus von XYZ passt“. 

Ich will nicht wissen, wie oft mir Flüchtigkeitsfehler die Tür zu einem potenziellen Kunden zugeschlagen haben, ehe sie überhaupt auch nur einen Spalt weit offen war. Sich seinen Pitch laut durchzulesen, ehe man auf „absenden“ klickt, hat noch niemandem geschadet. 

Was auch hilft: Einen Standard-Pitch in einer Extra-Datei anlegen und diesen Text als Grundlage für das Copy-Paste-Verfahren nutzen. Im Blanko unbedingt kritische Stellen wie Anrede, Medium sowie einen Satz mit konkretem Bezug zum Medium oder Ansprechpartner farbig als Platzhalter markieren.

Florian Sturm arbeitet als freier Journalist für Medien wie Stern, Geo Saison, Zeit Wissen oder Süddeutsche Zeitung. (Foto: Dominic Kamp)

7. Anruf oder Mail

Beides hat Vor- und Nachteile. Beim Anruf sind Verbindlichkeit sowie die Scheu, direkt eine Absage zu erteilen, beim Gegenüber vermutlich größer. Aber ein Anruf aus dem Nichts stört fast immer im stressigen Redaktionsalltag, man muss auf Rückfragen und, wenn es gut läuft, die Honorarfrage vorbereitet sein. In einer Mail lassen sich die eigenen Argumente präziser herausarbeiten und sie kann gelesen werden, wenn es dem Gegenüber gerade passt. Doch häufig verschwindet die Mail in der E-Mail-Flut des Posteingangs. Die meisten von uns pitchen per Mail. Bei mir funktioniert hin und wieder auch eine Kombination: Schriftlich nach einem Telefontermin in den nächsten Tagen fragen. Dann kann ich mich vorbereiten und sichergehen, am anderen Ende der Leitung auf ein offenes Ohr zu stoßen.

8. Das perfekte Timing

Um es kurz zu machen: Das gibt es nicht. Ein guter Pitch wird bei der Redaktion immer Anklang finden, egal zu welcher Uhrzeit ich ihn absende. Dennoch kann man die Chance darauf natürlich erhöhen, dass die eigene Mail rasch und mit der nötigen Aufmerksamkeit gelesen wird. Ein knappes Jahr lang schickte ich meine Themenideen um 5:30 Uhr morgens raus, weil ich um diese Zeit ohnehin am Rechner saß. Gefühlt kam dort häufiger ein Redaktionsfeedback, oft mit der Frage, warum ich denn schon wach sei. Ein guter Icebreaker. Zumal meine Mail beim Start in den Tag vermutlich ganz oben im Posteingang der Redaktionskollegen wartete. Ob die höhere Rücklaufquote aber tatsächlich daran lag? Ich kann es nur vermuten. Klar ist aber auch: An einem Freitagnachmittag hat niemand mehr Lust, sich mit deinem Pitch zu beschäftigen. 

9. Nachhaken – aber wann und wie?

Einige Redakteurinnen erreichen täglich 50, 60 oder noch mehr Vorschläge. Sich neben den eigentlichen Aufgaben durch diesen Berg zu arbeiten, das dauert. Wenn du weißt, wann regelmäßige Redaktionskonferenzen stattfinden, dass gerade eine stressige Schlussproduktion ansteht oder das Team dünn besetzt ist, ist mehr Geduld gefragt. 

Nach eineinhalb, zwei Wochen nachzuhaken, ist für beide Seiten angemessen. Das Follow-up sollte kurz, freundlich und neutral formuliert sein: „Hallo Frau/Herr XY, ich wollte einmal nachfragen, ob Sie schon Gelegenheit hatten, einen Blick auf meine Themenidee zu werfen. Mit freundlichen Grüßen …“ 

Manchmal kommt auch nach mehreren Nachfragen nichts zurück. Das frus­triert, hat aber häufig seine Gründe (meist sind die auch gut). Trotzdem gilt: Nicht zu aggressiv beim Follow-up sein. Das hat noch niemandem geholfen.

10. Mache die Absage zur Chance

Nicht jede Absage bedeutet den Tod einer Geschichte. Wenn es die Rückmeldung der Redaktion nicht ohnehin beinhaltet, frage nach, woran das Nein gelegen hat: falscher Kontakt, falscher Zeitpunkt, falsches Thema? Oder war die Idee noch nicht ganz ausgereift? Dieses Feedback hilft dir, dein Thema später mit einem besseren Pitch woanders anzubieten, und du bleibst im Austausch mit der Redaktion. Zu fragen, ob dort gerade bestimmte Themen oder Formate gesucht werden, zeigt außerdem Interesse und öffnet vielleicht doch noch die Tür zu einem Auftrag.

Lust auf mehr? Mit einem Abo von medium magazin verpassen Sie keine spannenden und relevanten Geschichten aus der Branche. Jetzt im Shop bestellen!