Die Grimme-Preisträger 2009

Acht Webangebote erhielten in diesem Jahr bei der Preisverleihung am 24. Juni in der Kölner Vulkan-Halle den Grimme Online Award, darunter gleich drei Angebote in der Kategorie Information. ”Die Preisträger demonstrieren, wie wichtig das Internet inzwischen als Raum eigenständiger Öffentlichkeit ist, der auch kleinen Produzenten und unabhängigen Autoren Chancen bietet“, so Friedrich Hagedorn, Projektleiter des Grimme Online Award. Es zeige sich eine „erstaunliche Vielfalt neuer Beziehungen zwischen Online- und realem Leben. Das Netz werde fälschlicherweise noch immer als die Plattform der Zukunft bezeichnet, sagte Uwe Kammann, Direktor des Grimme Insituts, dabei sei es ”die Plattform der Gegenwart“.

Insgesamt wurden in diesem Jahr aus 1700 Einreichungen 26 Anbieter nominiert und schließlich acht Sieger in vier Kategorien prämiert (Information, Wissen und Bildung, Kultur und Unterhaltung, Spezial). Zusätzlich verliehen die Webnutzer per Online-Abstimmung den Publikumspreis an die Website zur KiKa-Sendung ”Wissen macht Ah!“. Die EU-Initiative klicksafe für Sicherheit im Internet prämierte die Webseiten ”checked4you“ und ”Medienkompetenz-Programm für einen sicheren Umgang mit Web 2.0″.
Ulrike Langer hat für „medium magazin“ die Preisträger nach ihren Konzepten gefragt:

Kategorie Information

ZDFParlameter

ZDF,Mitarbeiter: 4 ZDF-Redakteure und 3 Mitarbeiter der Webagentur 4=1 bei Konzeption und Einrichtung, seitdem pflegt ein ZDF-Mitarbeiter aktuelle Daten ein; Reichweite: 3,62 Mio PIs seit dem Start des interaktiven Tools im September 2008 -stark schwankend je nach Sitzungswoche oder Sitzungspause

Preis für Gesamtverantwortung und Gestaltung. Jury: „Das ZDFParlameter bringt ein kleines Stück mehr Transparenz in unsere Demokratie. […] Die ansprechende Gestaltung und die Interaktivität machen die Beschäftigung mit Politik besonders niedrigschwellig.“

Imke Pässler-Strauß, stellv. Redaktionsleiterin heute.de und Gesamtverantwortliche für das ZDFParlameter:
„Der Anstoss für das ZDFParlameter war nicht das Wahljahr, sondern die Debatte über die Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten. Wir wollten ein Instrument schaffen, das die Parlamentarier etwas durchsichtiger macht. Im Laufe der Zeit haben wir dann gemerkt, dass wir insgesamt viel zu wenig von den Abgeordneten und ihren Entscheidungen im Bundestag wissen und haben das Gewicht gelegt, dass unsere Nutzer besser an das unbekannte Wesen Abgeordneter herankommen.
Der Unterschied unserer Site im Vergleich mit Abgeordnetenwatch.de ist die einfache, spielerische Handhabung. Ich kann mit Maus-Over auf jedes einzlne Pünktchen gehen – jedes symbolisiert einen Abgeordneten im Plenum – und ich bekomme dazu jede Menge Hintergrundinformationen. Ich kann mir alle namentlichen Abstimmungen eines Bundestagsabgeordneten ansehen und kann überprüfen: Wie hat der Abgeordnete abgestimmt, den ich gewählt habe? Oder wie haben alle weiblichen Abgeordneten in Hessen über 40 Jahre und mit mehreren Kindern zu einem Thema abgestimmt, wo die geschlechterspezifische Fragestellung ein Rolle spielt? Zum Beispiel bei der Stammzellenforschung. Mit ein paar Klicks kann ich dieses Tool als Rechercheinstrument benutzen. Abwesenheiten bei Abstimmungen sind ebenfalls mit aufgenommen. Die Datenbank reicht zurück bis zur Abstimmung über die Teilnahme an der ”Operation Enduring Freedom“ am 8. November 2005. Die Suchparameter sind Bundesländer, Geschlecht, Familienstand, Zahl der Kinder und Nebeninkünfte, sofern angegeben.
Wir werden die Plattform auch über das Jahr 2009 hinaus weiterentwickeln und das Tool dann auch als Widget zur Einbindung auf Websites zur Verfügung stellen. Das war ein Wunsch vieler Nutzer.“

Carta

Betreiber: Robin Meyer-Lucht und ca. 30 weitere Autoren, Start: Oktober 2008, Mitarbeiter: ca. 30 ehrenamtliche Autoren und ein Praktikant, Reichweite: 20.000 Visits, 100.000 PIs

Preis für Redaktion und Autorenschaft: Jury: ” ‚Carta‘ bietet professionellen und originären Online-Journalismus, der nicht aus einem Haus der alten Medien stammt. […] Was die Website bietet, ist seriöser unabhängiger und relevanter Journalismus und sie ist auf dem Weg, eine medienpublizistische Marke im Web zu werden.“

Robin Meyer-Lucht, Herausgeber und Autor:

„Ursprünglich war Carta ein Projekt, das ich mit einem Kunden entwickelt habe. Wir wollten ein Gruppenblog starten und Experten, die dezentral organisiert sind, in einer interessanten Sphäre zusammenführen. Der Kunde ist aufgrund der Medienkrise im September 2008 abgesprungen und ich habe es selbst gestartet als praktisches Experiment in der Online-Formatentwicklung. Nach und nach sind dann die Autoren dazugekommen. Am Anfang waren es natürlich vor allem Freunde und Bekannte von mir und Leute, von denen ich geglaubt habe, dass sie zu Carta passen. Einige, deren Beiträge im Internet mir gefielen, habe ich angesprochen, ob sie bei Carta mitschreiben wollen. Andere haben sich selbst gemeldet. Das Blog steht grundsätzlich für jeden offen, aber als Plattform haben wir einen Qualitätsanspruch und eine Haltung. Von einigen Autoren haben wir uns auch wieder getrennt. Das gilt aber für beide Seiten. Es muss passen.
Die Haltung von Carta besteht darin, den Dingen grundsätzlich kritisch gegenüber zu stehen. Mehr wissen wollen, die Dinge hinterfragen, eine eigenständige Meinung vertreten und einen eigenständigen Zugang zu den Themen. Auch eine persönliche Expertise aus seinem professionellen Umfeld. Carta wird ja zu einem erheblichen Teil nicht von Journalisten gefüllt, sondern von Wissenschaftlern und Experten, die eine andere Sicht hereinbringen. Bei einigen merkt man, die Haltung ist in sich stimmig und begründet. Wir brauchen Leute, die Debatten führen wollen. Wir müssen mehr und andere Themen bringen als die klassischen Medien. Uns interessiert vor allem die Schnittmenge aus Politik, Ökonomie und Medien. Zum Beispiel Themen wie politische Kommunikation im Internet. Wir kommen aus den Traditionen des Journalismus, sind aber gleichzeitig nicht rückgebunden an die klassischen Medien und können uns deswegen auch zu bestimmten Entwicklungen freier äußern. Zum Beispiel zur Piratenpartei. In klassischen Redaktionen ist das alles aufgeteilt, wer für welche Partei zuständig ist. Das ist unser USP: Wir sind zwar journalistisch, aber in bezug auf Online- und Politikthemen beweglicher.

Jens Weinreich – Blog

Betreiber: Jens Weinreich, Start: Frühjahr 2007, ein Mitarbeiter, Reichweite: 40.000 Unique Visitors, 80.000 PIs

Preis für Konzept und Nutzerführung, Jury: ”Durch den professionellen und transparenten Umgang mit Informationen hat Weinreich es geschafft, auch andere Blogger und deren Leser für sein Thema zu interessieren und eine Resonanz erhalten, die kaum ein anderes Fachblog erreicht.“

Jens Weinreich, Autor und Verantwortlicher:

Ich werde oft als investigativer Sportjournalist bezeichnet, auch in der Begründung für den Grimme Online Award, aber ich selbst benutze den Begriff investigativer Journalist möglichst selten. Der Begriff Recherche wird im Journalismus inflationär benutzt. Manche meinen, schon das Besorgen einer Telefonnummer aus einem Verzeichnis sei Recherche. Um ein investigativer Journalist zu sein, muss man schon richtig was aufdecken. Natürlich mache ich auch Recherchejournalismus. Das, was ich produziere, sind zum großen Teil News, zumindest in Nuancen. Wirklich investigativ tätig sein kann man aber heute glaube ich fast nur noch beim „Spiegel“ und bei einigen öffentlich-rechtlichen Anstalten. Als ich im Mai für den Preis nominiert wurde, dachte ich zunächst: Oh Gott, wegen des Rechtstreits. Aber das war nicht so. Das Angenehmste an der Begründung der Jury und der Nominierungskommission ist, dass der Name DFB und Theo Zwanziger darin gar nicht auftauchen. Und zum Glück gibt es ja Archive. Da kann man nachsehen, was ich über die letzten zehn Jahre gemacht habe. Dafür ist der Preis eine nette Würdigung und ein aufmunterndes Zeichen. In diesem Marktumfeld und in dieser Situation bedeutet das aber das gar nichts. Es gibt keine Angebote zur Kooperation, die Medien sind alle wie paralysiert in ihren Stellungs- und Grabenkriegen. Die großen Journalismusverbände haben mich in meinem Rechtstreit gegen den DFB auch nicht unterstützt. Sie können es sich leichtmachen, denn ich bin ja vor drei Jahren mit einem großen Knall aus dem Sportjournalistenverband ausgetreten. Ich habe damals die Initiative Sportnetzwerk gegründet, wir haben ein Buch herausgegeben, Seminare organisiert und letztes Jahr in Dortmund eine große Sportjournalismus-Konferenz organisiert. Deshalb bin ich ein rotes Tuch für den Sportjournalistenverband, aber die Reaktion von den Verbänden finde ich dennoch enttäuschend. Die Solidarität unter Sportjournalisten ist auch nicht so groß. Als ich am Ende des Rechtssteits zu Spenden aufrufen musste, habe ich das gemerkt, denn 95 Prozent der Spenden kamen von Leuten, die ich überhaupt nicht kannte.

Kategorie Wissen und Bildung

Design Tagebuch

Betreiber: Achim Schaffrina, Start: Mai 2006, ein Mitarbeiter/Autor, Reichweite: 154.000 Visits, 340.000 PIs

Preis für Autorenschaft und Redaktion, Jury: ”Der Lerneffekt dieses Fachblogs weist über die Einzelbeispiele hinaus und erfüllt somit den Anspruch einer designkundlichen Weiterbildung im Web. […] Großen Anteil an dem Erfolg und an dem bemerkenswerten Nutzwert des Blogs haben die fachkundigen Kommentatoren.“

Achim Schaffrina, Gründer und Autor:

Das Design-Tagebuch richtet sich als Fachblog an alle an Design Interessierten. Man muss nicht Design studiert haben, sondern sich für Farben und Formen interessieren. Ich hatte schon immer eine Vorliebe für Corporate Design und Logos. Als Deutschland dann 2006 die Fußball-WM 2006 mit dem missratenen Logo präsentierte, war das ein toller Anlass, um das Blog zu starten. Das Logo war eine Anordnung kleiner Smilys und die Kritik lautete, dass die Smilys aussähen wie kleine LSD-Pillen. Die Fachsimpelei über dieses Logo war der Einstieg. Nach und nach kamen dann die Logos dazu, die ich vorher lokal auf meiner Festplatte gesammelt hatte.
Schwerpunkt sind Logoentwicklungen oder allgemeine Entwicklungen im Bereich Corporate Design. Das können Unternehmen, Institutionen oder Vereine sein. Der andere Schwerpunkt sind Veränderungen von Webauftritten. Da schreibe ich ausführlich, wie ein Relaunch aus Sicht des Designers und des Nutzers vollzogen wurde. Es geht nicht nur um Ästhetik, sondern auch um Benutzerführung. Ich bin Designer mit Schwerpunkt digitale Medien und beschäftige mich beruflich tagtäglich mit Nutzerführung und Benutzerfreundlichkeit. Das geht bis in den Beeich der Informationsarchitektur. Ich schaue mir nicht nur die schöne Oberfläche, sondern auch die Wege an, wie die Nutzer die Informationen finden können
Sehr viele Anregungen kommen von Kommentatoren oder von Lesern per Email, wenn sich irgendwo ein Logo geändert hat oder wenn eine Website ihr Gesicht geändert hat. Manchmal melden sich auch Leute, die ihr eigenes Logo oder ihre eigene Website beurteilt haben möchten. Das sind dann nicht immer ganz so spannende Themen. Es fehlt für die meisten Leser der Bezug, wenn eine kleinere Unternehmensberatung aus Hildesheim ihr Logo vorstellt. Aber die Anfragen kommen. Manchmal mache ich daraus einen Beitrag, manchmal beantworte ich das nur per Email. Am gefragtesten und interessantesten sind natürlich die großen Traditionsmarken. Wenn die Meissner Porzellanmanufaktur ein Logo umstellt, interessiert sich fast jeder dafür. Auch der Käufer, der das Porzellan nur in den Händen hält oder im Regal stehen hat. Oder auch: Wie sieht die neue Verpackung der Lätta Margarine aus?
Alles, was ich mir über die Recherche aneigne ist nur der erste Anriss von dem, was dann so ein Artikel an Informationen bietet. Die Laien-Kommentare von Nicht-Kreativen liefern tolle Ergänzungen, denn wir Designer gestalten ja für die Nutzer und nicht für andere Designer. Wenn sich ein Laie schon sehr lange mit der Marke beschäftigt hat, kann er sehr viel zur Historie beitragen. Manchmal ist es nur ein kurzer Link, manchmal sind es aber auch richtig fundierte Ergänzungen, von denen alle profitieren. Mein Blog ist keine One-Man-Show.“

zzzebra Netz

Betreiber: Labbé Verlag, Start: 1998, Mitarbeiter: 4 bis 5 neben- und ehrenamtliche Grafiker und Texter, Start: 1998, Reichweite: 2 Mio Visits, 50 Mio PIs

Preis für Redaktion und Gestaltung, Jury: ”Das ‚zzzebra Netz‘ ist ein Kinderparadies. […] Eine im besten Sinne unmoderne Seite, die doch aganz auf der Höhe der Zeit ist: Sie nutzt das Web, um Kindern Wissen zu vermitteln. Sie tut dies umfangreich, mit Sinn für Traditionen und einer grenzenlosen Liebe zum Detail.“

Micha Labbé, Initiator und Redakteur:

Das zzebra Netz besteht aus fünf Kinderseiten und einem Online-Shop. Wir bieten Basics fürs Kinderleben. Das Design ist bewusst ruhig gehalten. Es ist eine falsche Annahme von Erwachsenen, dass Kinder immer alles grellbunt haben wollen. Wir wollen eine geschützte Insel schaffen, ohn Links nach außen und ohne Werbung. Ein Ort, an den man sich auch mal zurückziehen kann. Zielgruppe sind Kinder von 8 bis 14, aber es schauen sich auch viele Erwachsene auf den Seiten um.
Wir waren eine der ersten Kinderseiten im Netz. Wir entwickeln seit 50 Jahren Produkte für Kreativitätsförderung in Zusammenarbeit mit Schulen und Kindergärten. Wir haben gemerkt, dass Kinder, aber auch die jüngeren Erzieher und Pädagogen immer weniger Wissen über die originäre Kindheit haben. Wir haben unser riesiges Archiv zugänglich gemacht. Wir möchten zeigen, was man alles machen kann, wenn man Kind ist. Dieses Kindeswissen – also Spiele, Lieder, Reime, Rätsel, Tricks, Streiche, Geschichten, Märchen usw. – wird von Generation zu Generation mündlich weitergegeben – wohlgemerkt von einer Kindergeneration zur nächsten und oft an der Kontrolle der Erwachsenen vorbei. Ohne es zu ahnen spielen Kinder heute noch Spiele, die schon in der Steinzeit gespielt wurden. Traurig ist nur, dass es heute fast so aussieht, als ob ein Teil dieses Wissens bald in Vergessenheit geraten wird und, dass wir Internetseiten brauchen, um den Kindern Spiele wie „Schere, Stein, Papier“ beizubringen.
Die Leseseiten von zzzebra.de liegen am Ende des Internets, alle Ideen der Datenbank lassen sich nur in der realen Welt verwirklichen – zu Hause, draußen, mit Freunden oder auch ganz alleine. Das war das Ursprungskonzept. Aber dann sind wir natürlich von der Zeit aufgefangen worden. Seit März 2006 bieten wir auf der interaktiven Plattform Mellvil auch Foren und Kommunikation, Email und Chats. Wir haben die Tools, mit denen Kinder selbstständig Kreativität entwickeln können, auf das Soziale übertragen. Wie gehe ich mit Freunden um? Und wie gehe ich mit Menschen im Netz um? Wir versuchen, den Kindern eine soziale Kompetenz zu vermitteln. Wir haben bisher etwa 250.000 Beiträge und Kommentare gelesen. Bei uns wird jeder Beitrag durchgelesen, bevor ihn freischalten. Mellvil hat sich vor allem zu einer Mädchenplattform entwickelt. Inhaltlich geht es vor allem um Freunde, Schule, erste Liebe oder die Figur. Wir produzieren dazu redaktionelle Inhalte nach Bedarf. Aus Mellvil hat sich inzwischen auch ein Anti-Mobbing-Forum entwickelt, gemeinsam mit der AOK und dem Deutschen Kinderhilfswerk. Warum gerade jetzt dieser Preis? Ich glaube, man hat erkannt, dass die Qualität die wir bieten, immer mehr verschwindet.“

Kategorie Kultur und Unterhaltung

Krimi-Couch.de

Betreiber: Literatur-Couch Medien GmbH & Co. KG., Start: Frühjahr 2002, Mitarbeiter: 10 redaktionelle Mitarbeiter (ehrenamtlich und auf Honorarbasis), Reichweite: 330.000 Visits, 3 Mio PIs

Preis für Idee und Konzept, Jury: ”Die Website besticht durch umfassende, qualitativ hochwertige Informationen zu einer Vielzahl von Kriminalromanen und ihren Autoren. Neben Buchbesprechungen und Autorenportraits sind es insbesondere die professionell produzierten Video-Interviews und Podcasts mit ihren Krimi-Tipps, die voll ins Schwarze treffen.“

Lars Schafft, Gründer und Chefredakteur:

„Die Krimi-Couch ist zu der Zeit entstanden, als Henning Mankell mit seinem Wallander in die Buchläden kam. Damals hat es mich tierisch geärgert, dass die Bücher in Deutschland nicht in der Originalreihenfolge veröffentlicht worden sind. Ich wollte sie eigentlich der Reihe nach lesen, aber wo schaut man denn nach, ob der Roman, den man gerade in der Hand hält, nun der fünfte oder zweite einer Reihe ist? Dazu habe ich im Internet nichts gefunden, was in meinen Augen ansprechend gestaltet und inhaltlich richtig war. Und vielleicht auch noch Community-Features bietet, wo man sich über Bücher austauschen kann. Also habe ich nächtelang im Wohnzimmer gesessen und die Krimi-Couch programmiert. Ich war damals Web-Programmierer und wollte das Programmieren mit dem Scheiben verbinden. In einem meiner früheren Jobs war ich mal Lokalredakteur.
Sehr beliebt sind auf der Plattform alle Web 2.0-Funktionen. Die Plattform wird nicht nur zur Informationssuche genutzt, sondern auch sehr viel zum Austausch untereinander. An einem typischen Tag kommen wir bestimmt auf 300 bis 400 Forenbeiträge. Man kann sich auch mit seinem virtuellen Bücherregal präsentieren. Bei der Suche nach guten Kriminalromanen hilft unsere Suchmaschine Dr. Watson. Die Krimi-Couch hat 6700 Krimis im Archiv und Dr. Watson findet über ganz bestimmte Parameter genau das Buch, welches man eventuell haben möchte. Man kann Einschränkungen zur Seitenzahl machen. Oder man kann fragen: Ist die Hauptfigur oder der Autor männlich oder weiblich? Wann spielt die Handlung? Bei welchem Verlag ist das Buch erschienen? Das wird alles bei uns manuell in der Datenbank eingepflegt. Ein weiteres Element ist die interaktive Weltkarte – dort kann man sich durchklicken und beispielsweise Krimis aus einer Region suchen. Viele suchen dort nach Krimis, die in ihrem Urlaubsort spielen.
Besonders populäre Autoren auf der Plattform sind einem Jahr der Schwede Stieg Larson oder die Amerikanerin Karen Slaughter. Aber wir versuchen ja auch gerade, die unbekannteren Autoren hervorzuheben. Wir verstehen uns auch als Online-Magazin und aktualisieren einmal im Monat unsere Startseite mit neuen Buchempfehlungen, Rezensionen und Interviews. Da haben wir jeden Monat den Krimi-Couch „Volltreffer“, das Buch des Monats. Und dabei sind wir noch nie danach gegangen, was gerade gelesen wird, sondern, was gelesen werden sollte. In der Begründung der Jury hat uns sehr gefreut, das unser Podcasts und unsere Videobeiträge auch gelobt worden sind. Darauf sind wir stolz, die machen viel Arbeit, wir probieren dort viel aus und die könnten noch etwas mehr Abrufe gebrauchen.“

TOM und das Erdbeermarmeladebrot mit Honig

Betreiber: SWR Kindernetz, Start: Januar 2009 (Relaunch), ursprüngliche Website 2001, Mitarbeiter: 15

Preis für Idee, Gestaltung und Redaktion, Jury: ”Sehr weise ist nicht zuletzt die Erfahrung, dass Tom nach Verzehr eines Erdbeermarmeladebrotes – Verzeihung, nach Verzehr eines halben Erdbeermarmeladebrotes, das ihm so gut schmeckt, als wäre es ein Ganzes – den ganzen Tag wunschlos glücklich ist!“

Benjamin Manns, Redakteur:

Die Idee war, einen Fernseh-Trickfilm für Kinder parallel interaktiv im Web anzubieten. Tom ist auf der Suche nach dem Erdbeermarmeladebrot mit Honig und er erhält am Ende ein halbes, was aber so gut schmeckt wie ein ganzes. Die Nutzer können ihn auf seiner Reise dorthin lenken. Kernzielgruppe sind die Zwei- bis Vierjährigen. Seit dem Relaunch Anfang 2009 können die ganz Kleinen noch intuitiver durch die Website navigieren.
Interessant ist, wie die Kinder das interaktive Spiel spielen. Sie versuchen nicht etwa, Tom auf der schnellsten Möglichkeit zu diesem Erdbeermarmeladebrot zu führen, sondern sie finden ihre Lieblingswege und vor allem auch ihre Lieblingsirrwege. Dahinter steckt der Spaß daran, sich selbst, in dem was man schon weiß, bestätigt zu fühlen. Sie unternehmen zum Beispiel immer wieder den Fehlversuch, mit der Katze das Brot zu backen. Sie spielen immer wieder zu dieser Stelle hin und haben immer wieder die Freude: Ich weiß, was da passiert, ich kann das reproduzieren und sehe mich bestätigt. Ich habe das gesamte System unter Kontrolle.
Die Geschichten leben aber von der Variation. Das ist der zweite Aspekt: Kinder lieben Regelbrüche. Sie wissen, was eigentlich passieren muss, aber dann passiert etwas anderes. Das ist die Quelle für Humor. Die Regelbrüche könen natürlich nur passieren, wenn Tom viele Anspielpartner hat, die ihn auf dem Weg zu seinem Brot begleiten. Da gibt es einige Figuren, die uns in ganz vielen Geschichten immer wieder begegnen und die wir in den den weiteren Folgen in ihren Eigenarten auch immer genauer ausgestalten. Das sind ganz archetypische Charaktere: zum Beispiel die kaptitalistische Erdbeermaus, die niemanden an ihre Erdbeeren heranlässt. Tom muss immer einen Weg finden, wie sie ihr Herz erreichen kann. Oder die Bienen, die für den Honig sorgen und die häufig schlecht gelaunt sind. Das findet man in den Folgen immer wieder. Das sind ganz elementare Bestandteil der Tom-Welt. Die Hälfte der Klickzahlen macht der Link ”Tom und seine Freunde“. Da kann ich die Freunde kennenlernen und kleine Ausschnitte aus den Folgen sind zusammengestellt, die mir diese Freunde von Tom näherbringen.
Das Ganze ist eine Koproduktion des SWR und des Studio Filmbilder. Andreas Hykade hat die Tom-Welt erfunden, er trägt diese Figur seit 20, 30 Jahren in seinem Skizzenbuch mit sich herum. Er hat immer genaueste Kontrolle über dieses Produkt behalten. Dadurch unterscheidet sich die Zeichentricksereie von vielen Massenproduktionen. Dort wird ein Konzept entwickelt, das wird dann auf ein Autorenteam verteilt. Dann wird in verschiedenen Ländern das Compositing gemacht und in wieder anderen Ländern die Animation. Dieses Produkt ist über einen Zeitraum von mittlerweile sieben, acht Jahren sukzessive gereift, immer ganz eng in Zusammenarbeit mit dem Künstler Andreas Hykade, der auch vielfach für seine Filme prämiert wurde. Darin liegt die Kraft, weil man das Herzblut, das darin steckt, so gut spürt. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen. Es werden jetzt im Juli nochmal 26 kleine Tom-Spiele zu der Seite dazukommen. Jedes einzelne Spiel baut auf einer einzelnen Tom-Folge auf, so dass die Kinder das, was sie im Fernsehen gesehen haben, in einem Spiel gespiegelt noch einmal erfahren können. Wir haben gemerkt, dass das System, die gleich Geschichte auf unterschiedliche Arten zu erzählen, sehr ergiebig ist. Und wir hoffen natürlich, das wir jetzt -auch angeschoben durch diesen Preis – das Projekt auch in den nächsten Jahren immer weiter verfeinern und vergrößern können.“

Kategorie Spezial

ByteFM

Betreiber: ByteFM GmbH, Mitarbeiter: rund 100 ehrenamtliche DJs und Musikredakteure, Reichweite: 250.000 Visits

Preis für Redaktion und Konzept, Jury: ”Ein Kontrapunkt wie ByteFM wird dringend benötigt, um qualitativ hochwerige Orientierung abseits einer DSDS-geprägten Kultur zu bieten.“

Ruben Jonas Schnell, Initiator und Geschäftsführer, byte.fm:

Ich liebe Musikradio und wollte ursprünglich im Internet eine Recycling-Plattform für Musiksendungen beim Offenen Kanal anbieten, die in Erstausstrahlung bei Offenen Kanälen und Bürgerradios in ganz Deutschland laufen. Dann bekam ich aber sehr schnell von allen Kollegen, die ich ansprach, Angebote für exklusive Sendungen. Schlagartig wurde das sehr viel größer. Wir senden jetzt Sendungen, die in ganz Deutschland produziert werden, aus einem Studio in Hamburg und können nun auch Musiker und Bands live spielen lassen, die abends auf Tour sind. In meiner Sendung „Nachtclub“ bei NDR Info habe ich zwar alle Freiheiten und mache um Mitternacht ein Musikprogramm, für das mein Herz schlägt. Bei byteFM machen wir aber rund um die Uhr ein hochwertiges Musikprogramm, das es in der Form sonst so nicht gibt. Knapp die Hälfte unserer Moderatoren sind professionelle DJs. Die anderen sind musiknahe Gestalten – Sänger, Musiker, Betreiber von Plattenläden oder Musikmoderatoren bei Offenen Kanälen.
Unser Programm wird im Monat 250.000 Mal eingeschaltet, wir haben etwa 70.000 Unique User auf der Website, aber die Leute hören uns ja nicht nur über die Website, sondern auch über freistehende Internetradios oder über das iPhone oder andere mobile Geräte, also sind es in Wirklicheit mehr. Als Musikrichtung herrscht das weite Feld der Popmusik vor, aber nicht im Sinne von Charts. Was bei uns läuft, gibt es anderswo praktisch gar nicht, aber es gibt bei uns eben auch eine Sendung über Aretha Franklin, Miles Davis oder Marvin Gaye oder auch eine Beatles Sendung ist denkbar. Wir spielen alle Genres: Blues, Techno, House, Tanzmusik aus der Londoner Clubs, Regggae und die Musikrichtung wird immer präsentiert von Leuten, die sich genau damit sehr gut auskennen.
Das Programm ist rein linear. Die Idee war, über die Plattform Internet ein Musikradio anzubieten, das genauso funktioniert wie Radio im herkömlichen Sinn, das den User in seinem Musiksuchverhalten entlastet und ihm auf einer Plattform eine klare Linie anbietet. Interaktive Angebot wie last.fm finde ich toll, aber bei last.fm macht der Computer eine Musikzusammenstellung aufgrund des Userverhaltens anderer Leute. Bei byte.fm werde ich von einem Moderator mit Stimme und Gedanken verbal an das Thema herangeführt. Das ist etwas anders. Bei Byte.fm steht hinter der Musik eine Person. Ich glaube, es gelingt uns, den Eindruck zu vermitteln, dass die Leute, die bei uns die Auswahl treffen, wissen, wovon sie reden. Insofern ist byte.fm ein Qualitätsfilter. Das schließt Nachwuchsförderung ausdrücklich ein: In einer unserer Sendungen, „Anstoß“, spielen wir jede Woche eine Stunde lang Bands, die größtenteils überhaupt noch keine Veröffentlichung haben. Außerdem haben wir jeden Mittwoch eine Live-Show in Hamburg, wo wir junge Künstler einen Monat lang spielen lassen. Sie werden mit Live-Sets und mit Interviews vorgestellt. Das ist eine Plattform, die sie anderswo kaum bekommen.