Die nächste Fusion: „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“ bilden künftig eine „Gemeinschaftsredaktion“

Screenshot 2015-06-09 11.19.33„Gemeinsames Zukunftsprogramm Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten“ nennt Verlagschef Richard Rebmann das Projekt, das die bevorstehende Fusion der beiden schwäbischen Traditionstitel umreisst: die bürgerlich-liberale „StuttgarterZeitung“  (Pflichtblatt der schwäbischen Industriegrößen von Daimler bis Bosch) und das verbraucherorientierte Heimatblatt „Stuttgarter Nachrichten“ sollen künftig eine „Gemeinschaftsredaktion“ – so der Arbeitstitel. Das Ziel: „Wir werden die Marken erhalten“ sagt Richard Rebmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der SWMH.

Seit gestern Abend werden Betriebsräte, Belegschaften und Partner beider Redaktionen in Stuttgart über die Pläne informiert. 

Die Eckdaten der Fusion:

Die Gemeinschaftsredaktion von „Stuttgarter Zeitung“ (StZ) und „Stuttgarter Nachrichten“ (SN) wird neun Ressorts bilden – darunter auch das digitale für den gemeinschaftlichen Webauftritt. Für jeden Titel wird es ein sogenanntes „Titelteam“ geben, das nur für jeweils die StZ oder die SN arbeitet und die individuelle Blattlinie bestimmt. Das Titelteam soll insbesondere die Seiten 1 bis 3 jeweils individuell füllen. 

Dazu sollen sogenannte „Titelautoren“ (insgesamt 12)  exklusiv nur für einen der beiden Titel schreiben und so das jeweilige Profil auch durch Personalisierung schärfen. Die jeweilige Art Direction ist den Titelteams zugeordnet, arbeitet also ebenfalls Titelexklusiv.

Die aktuell noch insgesamt rund 270 Stellen in beiden Redaktionen sollen um 30-35 abgebaut werden – über freiwillige Abfindungsangebote, die alle Redaktionsmitglieder erhalten werden. „Betriebsbedingte Kündigungen wollen wir vermeiden“, sagt Richard Rebmann. Dafür soll im Gegenzug das digitale Ressort „um 10 bis 15 Stellen“ (so die bisherige Verlagsangabe) aufgestockt werden.

Joachim Dorfs, Chefredakteur der "Stuttgarter Nachrichten" (seit 2008). Foto: Michael Steinert
Joachim Dorfs, Chefredakteur der „Stuttgarter Nachrichten“ (seit Januar 2008). Foto: Michael Steinert
Christoph Reisinger, Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten (Seit April 2011). Foto: Leif Piechowski
Christoph Reisinger, Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten (Seit April 2011). Foto: Leif Piechowski

Der fusionierten Stuttgarter „Gemeinschaftsredaktion“ mit rund 240 Mitarbeitern werden die bisherigen Chefredakteure Joachim Dorfs („Stuttgarter Zeitung“) und Christoph Reisinger (Stuttgarter Nachrichten) gemeinsam vorstehen. Beide Titel werden bei der IVW zusammen ausgewiesen: Die verkaufte Auflage betrug im 1. Quartal 181.705 (11.010 epaper) Exemplare – ein Minus von 3,35 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.

Beide Chefredakteure werden sich dazu am Nachmittag in Editorials online für die StZ und SN online  ihren Lesern erklären.

Eine Zusammenarbeit mit der Münchner SWMH-Tochter „Süddeutschen Zeitung“ soll auch weiterhin „nur“ punktuell stattfinden (die Stuttgarter Zeitung  und die SZ teilen sich z.B. vier Auslandskorrespondenten in der Schweiz, Skandinavien, Polen, Griechenland/Türkei).     

Die Neuordnung der gemeinschaftlichen Sonntagsausgabe (bisher: „Sonntag Aktuell“) steht noch aus. Im Planspiel für eine künftige neue 7. Ausgabe sind auch Übernahmen von Beiträgen aus München  vorgesehen – aber auch hier „punktuell“ .  An der Mantellieferung der „Stuttgarter Nachrichten“ an deren externen Partner soll sich nichts ändern.  

Wie soll die „Gemeinschaftsredaktion“ künftig in der Praxis funktionieren?

Vorgesehen ist: Die Titelteams werden die Seiten1 bis 3 stark individualisieren. die Newsroom -Chefs legen die redaktionellen Schwerpunkte und unterschiedlichen Inhalte fest. Passiert beispielsweise etwas bei Daimler wird sich „Stuttgarter Zeitung“ auf eine wirtschaftliche Analyse konzentrieren, die „Stuttgarter Nachrichten“ werden sich stärker um die Folgen für die heimische Bevölkerung kümmern. Das entspricht der bisherigen Linie der beiden Blätter.

Kurzum: Der Nachrichtenkern ist für beide Titel weitgehend identisch, die Aufbereitung soll unterschiedlich sein. „Bestimmte lokalpolitische Themen werden wir auch künftig doppelt besetzen – mit jeweiligen Exklusiv-Autoren“, kündigt Joachim Dorfs an. Auch er betont, dass die jeweilige Markenpositionierung von StZ und SN bestehen bleiben soll: „Die unterschiedliche redaktionelle Ausrichtung ist entscheidend für den Erfolg unserer Zeitungen“. Anders als bei den Gemeinschaftsredaktionen „Aachener Zeitung“/„Aachener Nachrichten“ (Verlag Rheinische Post) oder Mainzer Allgemeine/Wiesbadener Kurier (VRM) wollen die Stuttgarter keine inhaltlich weitgehend identische Zeitungen machen mit „nur“ unterschiedlichem Titelkopf.

Dorfs, seit 1.1.2008 Chefredakteur der StZ, hat 2009 den bisher tiefgreifendsten Relaunch des Stuttgarter Traditionsblatts zu verantworten Damals aber lautet noch die Devise für die Marschroute der StZ und ihres Schwesterblatts SN unter einem Verlagsdach: „Nach dem sogenannten „Stuttgarter Modell“ werden beide Titel der SWMH gemeinsam vermarktet, redaktionell aber strikt getrennt unterhalten.“ Das gehört nun endgültig der Vergangenheit an. Bereits in den vergangenen Jahren sind Teile der beiden Zeitungen zusammengelegt worden: So sind das 5. Buch mit den Stadteilnachrichten bereits identisch ebenso das Wochenend-Buch und die Verlagsbeilagen.

Das neue Stuttgarter Modell wurde von Verlag und den Chefredaktionen gemeinsam entwickelt, so StZ-Chef Joachim Dorfs. Er sagt: „Die Gemeinschaftsredaktion mit rund 240 Köpfen wird die größte Zeitungsredaktion in Baden-Württemberg bilden und neue Ressourcen schaffen. Aus meiner Sicht ist das ein gutes Programm. Es wird sicher nicht die ungeteilte Zustimmung finden – aber ich glaube, wir werden aus diesem Modell gestärkt hervorgehen“.  

Annette Milz 

(mehr zum Thema: siehe mediummagazin 7/2015, ET: 30.7.)