„Ein gefährliches Gefühl“

Christiane Schlötzer ( Stellv. Leiterin des Ressorts „Internationale Politik“ der Süddeutschen Zeitung ) und Carl Wilhelm Macke ( Geschäftsführer von JhJ )

Christiane Schlötzer und Carl Wilhelm Macke engagieren sich für "Journalisten helfen Journalisten"
Carl Wilhelm Macke und Christiane Schlötzer engagieren sich für "Journalisten helfen Journalisten"

gehören zum Gründungsteam des Münchner Vereins ‚Journalisten helfen Journalisten‘ , der seit 17 Jahren weltweit Hilfen für Journalisten aus Kriegs- und Krisengebieten ehrenamtlich organisiert. Beide haben jüngst einen Aufsatz über die Gefahren der ‚Kriegsberichterstattung‘ und das inzwischen existierende globale Netzwerk an Hilfen für bedrohte Journalisten geschrieben. Mit freundlicher Genehmigung der Autoren veröffentlichen wir hier diesen Beitrag „Auslandsberichterstattung in Zeiten der Medien-Krise“.

Künftig finden Sie an dieser Stelle regelmäßig Informationen über die Aktivitäten von „Journalisten helfen Journalisten e.V.“ Zur Geschichte des Vereins siehe auch „Netzwerk der Helfer“

Auslandsberichterstattung in Zeiten der Medien-Krise

Bill Keller, Chefredakteur der New York Times, zeigte sich „überglücklich“, nachdem es britischen und afghanischen Soldaten im September 2009 war, den Reporter Stephan Farrell aus den Händen von Taliban-Kämpfern zu befreien. Später schilderte der Times-Reporter in seiner Zeitung, wie die nächtliche Kommando-Aktion ablief, und er beschrieb, wie sein engster Mitarbeiter „nur zwei Meter von mir entfernt“ im Kugelhagel zu Boden ging. Sultan Munadi, Journalist und Übersetzer, Master-Student an der Universität Erfurt, starb an Ort und Stelle, während die Befreier Farrell und sich selbst in Sicherheit brachten. Den Leichnam Munadis ließen sie zurück. Dessen Familie konnte den Toten später erst nach stundenlangen Verhandlungen mit Dorfältesten bergen.

Afghanische Journalisten protestierten danach in allen 34 Provinzen des Landes gegen das Verhalten der britischen Spezialkräfte. Sie sahen darin einen Beleg für eine „Zwei-Klassen-Behandlung“. Einheimische Journalisten, die als Stringer, als lokale Vermittler, häufig einen großen Teil der Arbeit für die ausländischen Kollegen erledigen und ohne die Auslandsberichterstattung in den internationalen Medien zumal aus Krisengebieten meist gar nicht möglich wäre, sie genießen im Zweifelsfall weit weniger Aufmerksamkeit und Fürsorge als die Korrespondenten der großen internationalen Medien, auch wenn sie für deren Arbeit ihr Leben in Gefahr bringen.

Einheimische Journalisten sind, wenn sie an der Seite von Auslandsreportern – oder oft auch an ihrer Stelle – ihr Leben riskieren, in der Regel nicht versichert, im Gegensatz zu ihren Kollegen aus Amerika oder Europa. Und nicht immer sind große internationale Medien später bereit, den Hinterbliebenen zu helfen, wenn doch etwas passiert. Auslandsberichterstattung ist, ob im Fernsehen oder in den großen Zeitungen, stets der teuerste Nachrichtenposten. Und hohe Versicherungen für Krisengebiete und andere Sicherheitsmaßnahmen erscheinen auch vielen internationalen Medien schon heute fast unbezahlbar.

Gleichzeitig aber wird Krisenberichterstattung immer gefährlicher. „Egal ob Staaten, Paramilitärs, Aufständische – alle wollen nur noch ihre eigene Sicht der Dinge in der Welt haben und deswegen die unabhängigen Informationsquellen zum Schweigen bringen“, sagte die CNN-Frontfrau Christiane Amanpour im September 2009 in einem Spiegel-Interview. Immer mehr Journalisten würden „verletzt, gekidnappt oder umgebracht. Mord ist die führende Todesursache von Journalisten“.

Wer Belege dafür sucht, muss sich nur die traurigen Bilanzen der einschlägigen Organisationen ansehen, des amerikanischen Committee to Protect Journalists oder auch der Journaliste en danger aus dem Kongo. Krisen- und Kriegsberichterstattung ist keine neue journalistische Gattung, aber eine mediale Dauerpräsenz und oft extreme Konkurrenz haben den Druck verschärft, dem sich Reporterinnen und Reporter häufig ausgesetzt fühlen, wenn sie aus Krisengebieten aktuell berichten sollen. Es ist ein gefährlicher Druck, weil er verleiten könnte, einmal zu weit zu gehen.

Es war der Krieg im ehemaligen Jugoslawien, Anfang der neunziger Jahre, der dies vielen Journalisten auch in Deutschland schmerzlich bewusst gemacht hat. So nah war zuvor lange kein Krieg mehr an Europa herangerückt…..Journalisten wurden in diesem Krieg zur Zielscheibe, wie auch in den Kriegen danach, ob im Irak oder in Afghanistan, oder in den Dauerkrisengebieten in Somalia oder Kolumbien – immer wieder wurde der Tod oder die Entführung von Journalisten Teil des Kriegskalküls…

Vor diesem Hintergrund hat sich in den letzten Jahren auch eine Form der „Civil Globalization“ herausgebildet: Verschiedene Selbsthilfeorganisationen zum Schutz der Pressefreiheit und der Journalisten arbeiten eng zusammen. An erster Stelle ist hier das globale Netzwerk Journalists in Distress zu nennen. Dem haben sich auch das amerikanische Committee to Protect Journalists, die Reporters Sans Frontieres, das kanadische IFEX-Büro (International Freedom of Expression Exchange), der britische Rory-Peck-Trust (entstanden nach dem gewaltsamen Tod des Kameramannes Rory Peck 1993 in Moskau), Front Line aus Irland, „Article 19“ ( London ), der internationale PEN, und „Journalisten helfen Journalisten“ angeschlossen.

Über das Internet sind diese Gruppen rund um die Uhr und auch fast rund um den Globus jederzeit vernetzt und können sich so gegenseitig informieren. Koordiniert wird dieses Netz von der kanadischen Organisation Canadian Journalists for Free Expression (CJFE), die wiederum auch das zwei Mal wöchentlich erscheinende IFEX-Comunique herausgibt. Dieser Newsletter berichtet kontinuierlich und mit detaillierter Verlinkung zu den jeweiligen Quellen über Verletzungen der Pressefreiheit und Behinderungen von Journalisten vornehmlich in den weltweiten Kriegs- und Krisengebieten…. Auslandsberichterstattung steht immer unter besonderem Druck, auch unter finanziellem. Mit der gegenwärtigen Medien-Krise wird der Druck noch höher. In den Redaktionen wird darauf geachtet, dass die Kollegen draußen nicht zu viel Geld ausgeben; da kann, wer auf Auslandseinsatz ist, schon einmal das Gefühl bekommen: Ich muss beweisen, warum ich so viel wert ist, ich muss auch ein Risiko eingehen. Dies kann in Krisengebieten ein gefährliches Gefühl sein…“

Auszüge aus: Christiane Schlötzer, Carl Wilhelm Macke „Auslandseinsätze von Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten: Hilfe im Notfall“, in: Martin Welker, Andreas Elter, Stephan Weichert ( Hrsg. ) „Pressefreiheit ohne Grenzen? – Grenzen der Pressefreiheit. Herbert von Halem Verlag, Köln, 2010 )

TIPP: Siehe auch Special Krisenjournalismus in mediummagazin 4-5/2010