Die Journalisten und Journalistinnen des Jahres 2018

Der Dokumentarfilmer Stephan Lamby ist von einer Jury der Branchenzeitschrift „medium magazin“ zum „Journalist des Jahres 2018“ gewählt worden. Politikjournalistin des Jahres ist Melanie Amann („Der Spiegel“), Unterhaltungsjournalist des Jahres ist Markus Lanz (Mhoch2/ZDF). Als Team des Jahres werden Annette Ramelsberger, Rainer Stadler, Wiebke Ramm, Tanjev Schultz von  Süddeutsche Zeitung / SZ-Magazin ausgezeichnet für ihre 2000 Seiten starke Dokumentation des NSU-Prozesses. 

Der Journalist und Gründer von Eco Media/Dbate Stephan Lamby überzeugte eine rund 100-köpfige unabhängige Fachjury. Deren Mitglieder wählten weitere „Journalisten und Journalistinnen des Jahres“ als Top Ten in zehn Fachkategorien. Den Ehrenpreis für das Lebenswerk erhält die ehemalige WDR-Chefredakteurin Sonia Seymour Mikich. Außerdem geht ein Sonderpreis an die Organisation „Forbidden Stories“.  

In der Jurybegründung für die Wahl von Stephan Lamby zum „Journalist des Jahres“ heißt es unter anderem:

„Stephan Lambys präzise und entlarvende TV-Doku über die monatelangen Koalitionsverhandlungen ‚Im Labyrinth der Macht: Protokoll einer Regierungsbildung‘ lieferte im Frühjahr 2018 den dringend benötigten Blick, um den Durchlauf­erhitzer-Prozess jener Monate in Ruhe zu verstehen und zu bewältigen. Ein wahrer Reporter-Gewaltakt.

Wie elementar Lambys Politikdokumentationen geworden sind, um den Status Quo des immer hektischeren Betriebs der Tagespolitik zu durchdringen, hatte auch kurz zuvor im Dezember 2017 seine Dokumentation ‚Bimbes: Kohls schwarze Kassen‘ gezeigt.

Für ihn ist Interviewführen ein wenig wie Jazz: Journalist des Jahres 2018 Stephan Lamby. (Foto: Wolfgang Borrs)

Stephan Lamby zeigt sich in seinen Filmen immer wieder als ungewöhnlich talentierter ‚Menschenöffner‘: Er fragt klug und unvoreingenommen und nimmt seine Pro­tagonisten erkennbar ernst und wichtig. Zugleich gelingt es ihm als Interviewer beispielhaft, gleichzeitig Vertrauen zu schaffen und Distanz zum Gegenüber zu wahren.

Lambys Langzeitblick in seinen Politikdokumentationen ist ein Kontrapunkt zum kurzlebigen Schlagzeilenbetrieb und ermöglicht journalistisch vorbildlich dem Publikum ein Verständnis von komplexen politischen Entscheidungen. So entstehen echte filmische Meisterwerke als wichtige Dokumente der Zeitgeschichte.“

Im Interview mit „medium magazin“-Redaktionsmitglied Anne Haeming erklärt Stephan Lamby: „Wenn Interviews gut funktionieren, haben sie mit Jazz zu tun. Man gibt sich ein Leitmotiv und improvisiert dann. Ich will nicht nur Filme machen, die vermeintlich wichtig sind, sondern auch welche für Augen und Ohren. Hintergründige aktuelle Berichterstattung in der Primetime ist wichtig für die Demokratie.“

 

In den einzelnen Fachkategorien siegten:

CHEFREDAKTION

National: Daniel Drepper „Buzzfeed Deutschland“
„Daniel Drepper hat eine Ansage gemacht und sie gehalten: ‚Man wird uns spüren.‘ So drehte er das Image von Buzzfeed, das längst kein Clickbait-Portal mehr ist. Er bewies mit investigativen Recherchen und starken Live-Reporter-Einsätzen, wie bequem einige alteingesessene Medien sind. Er hat ein kleines, feines Team für ‚News‘ zusammengestellt, dem es bravourös gelingt, gesellschaftlich höchst relevante Storys zu platzieren. Die Redaktion füllt dabei nicht zuletzt Lücken, die der deutsche Medienmarkt sträflich vernachlässigt hat – ‚Grundwerte‘, ‚LGBT*‘, ’sexualisierte Gewalt‘.“

Regional: Hannah Suppa, „Märkische Allgemeine Zeitung“
„Hannah Suppa ist eine der jüngsten Chefredakteurinnen Deutschlands und hat, seit sie bei der ‚Märkischen Allgemeinen‘ 2017 die Führung übernahm, Team und Arbeitsprozesse konsequent auf Zukunftskurs gebracht. So lässt Suppa jeden einzelnen Reporter auf web to print umschulen. Mit ‚Jugend in Brandenburg‘ läuft ein Langzeitprojekt für Volontäre, das gleich im ersten Jahr der Bundespräsident würdigte. Neu ist auch ein Leserstammtisch mit ihr einmal im Monat. So geht moderner Lokaljournalismus!“

POLITIK

Melanie Amann, „Der Spiegel“
„Unermüdlich berichtete Melanie Amann im ‚Spiegel‘ über die AfD. Und obwohl sie so nah dran ist an Politikern wie nur wenige und sie von Klagen überzogen wird, zeichnet sich ihre Berichterstattung dadurch aus, dass sie immer fair, offen und sachlich bleibt. Sie ist stets bemüht um Differenzierung und findet überraschende Zugänge zum Thema. Ähnlich besonnen und hartnäckig hielt es Amann auch mit der CSU im vergangenen Jahr. Vorbildlich!“

WIRTSCHAFT

(in Kooperation mit der Fachzeitschrift „Wirtschaftsjournalist“)

Rafael Buschmann und Michael Wulzinger, „Der Spiegel“
„Rafael Buschmann und Michael Wulzinger sind die treibenden Kräfte von ‚Football Leaks‘. Den Autoren ist durch ihre Enthüllungen im ‚Spiegel‘ nicht nur ein weltweiter Scoop gelungen, sondern auch der Nachweis, dass moderne Berichterstattung die Ressortgrenzen sprengt und Wirtschaft, Sport und Politik verbindet. Der Kern ihrer Geschichten: Sie demaskierten die fragwürdige Praxis im Milliardengeschäft um den Fußball. Seit Herbst läuft die zweite große Welle an Storys. Ihr zweites ‚Football Leaks‘-Buch wird im April 2019 erscheinen.“

KULTUR

Julia Encke, FAS
„Julia Encke hat dieses Jahr mehrfach bewiesen, wie wichtig Investigativrecherche auch im Feuilleton sein kann. Etwa mit ihrer Arbeit über sexuellen Missbrauch im Umkreis von Dichter Stefan George und die Rolle seines „pädagogischen Eros“ im Dunstkreis der Odenwaldschule. Und als Rowohlt-Chefin Barbara Laugwitz kurzerhand gegen Florian Illies ausgetauscht wurde, war sie anfangs die Einzige, die die augenscheinliche Sehn-sucht nach einer „charismatischen Verlegerfigur“ der anderen Kommentatoren kritisch befragte und die Misogynie eines „boys networks“ offenlegte.

UNTERHALTUNG

Markus Lanz, Mhoch2 / ZDF
„Zum Zehnjährigen 2018 hat Markus Lanz seine Talkshow zur verlässlichen Publikumsgröße im ZDF gemacht und zahlreiche Quotenhöhepunkte gesetzt. Mehr denn je zeigt sich seine Stärke darin, politische Themen auf die ‚Jedermann‘-Perspektive runterzubrechen und Menschen mit ungewöhnlichen Biografien eine Bühne zu bereiten. Er kann zuhören und stellt Fragen, die viele bewegen – so auch in seinen Dokumentationen über Russland und Deutschland in diesem Jahr, die allesamt Publikumsrenner wurden. Wie er zudem dort meisterhaft eigene Schwarz-Weiß-Fotografien in ein filmisches Konzept einar-beitet, ist singulär im (Farb-)Fernsehen.“

SPORT

Hajo Seppelt, Freier Autor/ARD
 „Unermüdlich unerschrocken: Ohne Seppelts auch in diesem Jahr wieder furios-unersetzliche Dopingnetzwerk-Recherchen für die ARD wäre die internationale Sportwelt um Längen dümmer, naiver, intransparenter. Seine Recherchen sorgten dafür, dass auch im allgemeinen Olympia-Hype das wichtige Thema Doping nicht unterging. Der Internationale Sportgerichtshof CAS schloss als Folge viele russische Sportler von den Olympischen Spielen aus. Dass Russland ihm für die WM das Visum verweigert hat, spricht für sich.“

WISSENSCHAFT

Mai Thi Nguyen-Kim, WDR / Funk
„Seit Mai 2018 ist die promovierte Chemikerin das neue Gesicht des Magazinklassikers ‚Quarks & Co‘ – und ein vielversprechender Wind in der TV-Wissenschaftsgemeinde. Als neue Moderatorin ist sie in die Fußstapfen von Ranga Yogeshwar getreten, der sich als Gründungsvater nun nach 25 Jahren verabschiedet hat. Die 31-Jährige hat sich als Youtuberin und mit ihrem furiosen Wissenschaftskanal ‚MaiLab‘ bei Funk bereits eine große Fangemeinde erarbeitet. Ein grandios gelungener Generationenwechsel!“

REPORTAGE

National: Christian Fuchs, Jana Simon, Annabel Wahba, „Die Zeit“ / „Zeit-Magazin“
„Ihre Enthüllungen haben die #MeToo-Debatte mit Wucht nach Deutschland geholt und unsere Gesellschaft profund verändert: Sie erforschten das auf sexuellen Missbrauch basierende System, mit dem TV-Regisseur Dieter Wedel seine Macht aufbaute und jahrzehntelang halten konnte. Unterstützt von weiteren Kollegen und Kolleginnen, gelang ihnen nicht nur akribische Aktenarbeit, sondern sie schafften es auch, dass sich viele Betroffene öffneten. Jeder Teil der Serie machte klar: Das ganze Land muss sich neu positionieren – gegen sexualisierten Machtmissbrauch.“

Regional: Katja Bauer, „Stuttgarter Zeitung“ / „Stuttgarter Nachrichten“
„Schon lange spielt Katja Bauer ganz vorn in der Liga der regionalen Hauptstadtkorrespondenten – diesmal und zu Recht auf Platz 1. Nicht nur weil sie in ihren Berichten und Kolumnen für die ‚Stuttgarter Zeitung‘ / ‚Stuttgarter Nachrichten‘ in kontinuierlich profunder Qualität das gespaltene Land und seine antisemitischen Strömungen analysiert (herausragend auch ihre Reportage ‚Der Riss, den jeder spüren kann‘ über ihre Reise zu drei Orten, an denen man die Spaltung der Gesellschaft spürt). Sie war 2018 auch vorweg in der Debatte um Paragraf 219a und fand sich mit der ‚Schikane für Frauen in Not‘ nicht ab.“

TEAM

Die Protokollanten des NSU-Prozesses Annette Ramelsberger, Rainer Stadler, Wiebke Ramm, Tanjev Schultz
„Nach dem quälenden, fünf Jahre währenden Gerichtsprozess haben Annette Ramelsberger, („Süddeutsche Zeitung“ SZ) Wiebke Ramm (SZ, seit 9/18 Pauschalistin bei Spiegel Online), Rainer Stadler (SZ-Magazin) und Tanjev Schultz (SZ, seit 2016 Professor in Mainz) im Herbst 2018 das gesammelte Protokoll zum NSU-Prozess vorgelegt. Mit der beharrlichen, handschriftlichen und lückenlosen Dokumentation dieses ‚Jahrhundertprozesses‘ ist den Kolleginnen und Kollegen ein außerordentliches journalistisches Werk gelungen. 2000 Seiten umfassen ihre Protokolle, begleitet von zahlreichen Analysen, Lesungen, Reportagen und Kommentaren. Sie haben damit auch ein Manifest geschaffen: Gegen das Vergessen. Und gegen den Hass. Ein herausragendes, wichtiges Stück Zeitgeschichte, das sich in das Gedächtnis dieser Republik einbrennt!“

LEBENSWERK

Sonia Seymour Mikich
„Sonia Seymour Mikich ist eine Ikone im Journalismus: kluge Reporterin, unerschrockene Korrespondentin, ausdrucksstarke Publizistin, kämpferischer Führungsgeist. Ihr Berufsweg mit Stationen in Aachen, Moskau, Paris und Köln beeindruckt. Als erste Frau leitete sie das ARD-Büro Moskau und zehn Jahre lang die Redaktion des Politikmagazins ,Monitor‘. Als Leiterin der WDR-Programmgruppe Inland (verantwortlich für Sendungen wie ,Monitor‘, ,Die Story‘, ,Menschen hautnah‘) und als Chefredakteurin WDR-Fernsehen (2014 bis September 2018) setzte sie wichtige Impulse und schuf Freiraum für Dokumentationen und investigative Recherchen. In all ihren Positionen – so auch als Kommentatorin und Moderatorin (so im ARD-,Presseclub‘ und ,Wahlarena‘) – blieb sie sich stets ihrer Haltung als werteorientier-ter Journalistin treu. Sie scheute sich nie, klar Position zu beziehen, auch gegen Widerstände, und bewahrte sich gleichzeitig immer einen offenen Blick für andere Positionen und neue Entwicklungen. Sie hörte zu keiner Zeit auf, Lernende zu sein. Sonia Seymour Mikich ist ein Vorbild für künftige Generationen im Journalismus.“

SONDERPREIS

Rechercheorganisation „Forbidden Stories“
„Die internationale Rechercheorganisation Forbidden Stories – gegründet von dem französischen Journalisten Laurent Richard – erhält den Sonderpreis der ‚Journalisten des Jahres 2018‘. Am sogenannten ‚Daphne-Projekt‘ beteiligten sich 40 Journalisten und Journalistinnen aus 15 Ländern – hierzulande waren das die SZ mit der „Zeit“, der „Guardian“ mit Reuters. Auch Wettbewerber arbeiteten eng und uneitel zusammen, um die Hintergründe des Mordes an der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia aufzudecken. Mit deren Schicksal trat der Ernstfall für Forbidden Stories ein: Das internationale Netzwerk, das der Investigativjournalist Laurent Richard in Paris gegründet hat und das Bastian Obermayer (‚Süddeutsche Zeitung‘) als Generalsekretär betreut, sorgt dafür, dass die Recherchen inhaftierter oder getöteter Kollegen weitergehen. So auch die des ecuadorianischen Kollegen Javier Ortega und des Fotografen Paúl Rivas, die an der kolumbianischen Grenze im Umfeld von Drogenkartellen recherchierten und im März 2018 ermordet wurden (Projektname: ‚Deadly Border‘). Jeder Journalist, jede Journalistin, der und die sich in Gefahr fühlt, kann auf forbiddenstories.org Geheimnisse ‚abwerfen‘. Sie bleiben dort geschützt. Das Signal: Man kann den Boten stoppen, aber nicht die Botschaft. In Zeiten, in denen zunehmend auch Journalisten in Europa in Gefahr sind, eine lebensrettende Initiative!“

 


Der undotierte „medium magazin“-Preis „Journalisten und Journalistinnen des Jahres“ wird seit 2004 von der Branchenzeitschrift „medium magazin“ verliehen. Die unabhängige rund 100-köpfige Jury 2018 besteht aus renommierten Vertretern und Vertreterinnen der Medienbranche sowie aus den jeweiligen Vorjahres-Preisträgern und Nachwuchs-Talenten der „Top30 bis 30“ des Jahres 2018. Bei der Wahl des „Wirtschaftsjournalist des Jahres“ kooperiert „medium magazin“ mit der Fachzeitschrift „Wirtschaftsjournalist“ (ebenfalls Oberauer Verlag).

Die Preisverleihung an die „Journalisten und Journalistinnen des Jahres 2018“ findet am 11. Februar 2019 im „Hotel & Stadtbad Oderberger“ in Berlin statt, mit freundlicher Unterstützung der Daimler AG, Otto Group, Total und Katjes sowie Lamy und dem VDP. Verband der Prädikatsweingüter.

Die Liste mit allen „Journalisten und Journalistinnen des Jahres“ und Begründungen erscheint in „medium magazin“ 07/2018 und ist ab 18.12. digital via mediummagazin.de und im iKiosk verfügbar, gedruckt ab 21. Dezember 2018.


Weitere Themen in der Ausgabe „medium magazin“ 07/2018 sind unter anderem: „Journalist des Jahres“ Stephan Lamby über den Berliner Politikbetrieb, „Was hat Zukunft?“ Teil 2 unserer großen Branchenbdebatte, Franziska Broich über die medialen Aussichten auf das EU-Wahljahr 2019, Jakob Vicari über einen Journalismus ohne Ecken und Kanten, Professor Gero Himmelsbach über Presserechtsfälle mit wichtigen Konsequenzen, Hakan Tanriverdi stellt in der Praxisstrecke „Wege zur Datensicherheit“ vor und Peter Linden produzierte ein Werkstattheft über die Kunst, einen guten Essay zu schreiben.