Jürgen Leinemann erhält Henri-Nannen-Preis für sein Lebenswerk

Am Abend des 8.Mai wurde in Hamburg der Publizist und ehemalige „Spiegel“-Autor Jürgen Leinemann mit dem Henri-Nannen-Preis für sein Lebenswerk geehrt. „Für mich“, so sagte Jürgen Leinemann einmal in einem Interview mit „mediummagazin“, „enthält eine Gedichtzeile von Peter Rühmkorf eine Wegweisung: ´Bleib erschütterbar und widersteh.` Ein Reporter muss Nähe schaffen, zugleich aber Distanz wahren. Und er muss den Mut haben, zu sagen:Diesen Hype mache ich nicht mit“ (Tipp zum Nachlesen: Das Interview – ein Streitgespräch zwischen Generation über die Zukunft des Journalismus – siehe  leinemann_mm1206)

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Preisträger Jürgen Leinemann (l.) und Laudator Adolf Theobald bei der Ehrung der "Journalisten des Jahres" im Januar 2008

Bereits 2007 hatte  die mediummagazin-Jury, die alljährlich die „Journalisten des Jahres“ wählt,  Jürgen Leinemann für sein publizistisches Lebenswerk geehrt. Die Laudatio bei der Preisverleihung im Deutschen Historischen Museum in Berlin hielt im Januar 2008 Jurymitglied Adolf Theobald (r., Foto: W.Borrs):

„Mario Adorf war ganz erschrocken, als er für sein „Lebenswerk“ geehrt werden sollte. „Das klingt nach Abschluss, ich will doch weitermachen“. Lieber Jürgen Leinemann, auch Sie werden heute geehrt für Ihr Lebenswerk. Aber es ist nur eine Zäsur, eine Pause. Die zweite Halbzeit kommt noch. Gleichwohl müssen Sie es heute über sich ergehen lassen, geehrt zu werden. Wie üblich sagt man erstmal einiges, was alle wissen.

Die journalistische Karriere begann bei dpa, anschließend in Washington als Korrespondent, schließlich beim „Spiegel“-Büro in Bonn, später Berlin, und das 35 Jahre lang. Schon früh machten Sie sich die Politik zum Thema, deren dunkle Seiten, Sucht und Rausch. Und das machten Sie in reiferen Jahren zum Thema zahlreicher Bücher. Nicht ohne „ego involvement“. Sie selber waren von der Sucht berauscht, aber Ihr Selbstrausch wurde geheilt. Bei der Gelegenheit darf ich mal ein anderes Bild vom zynischen, kalten „Spiegel“-Apparat zeichnen. Es waren die Kollegen des Bonner „Spiegel“-Büros, die Ihnen zur Heilung verhalfen.

Sie schrieben einmal, Politiker, die Niederlagen hinter sich hätten, seien einfach nachdenklicher. In Ihren „Spiegel“-Portraits wurden Sie immer nachdenklicher. Bei aller Schärfe des Urteils, zeigten Sie immer Verständnis für die Schwächen der anderen. Als ich meinen Dienst beim „Spiegel“ antrat, waren Sie der erste Besucher. Unter dem Arm hatten Sie ein paar Bücher, alle zum gleichen Thema: Vom Umgang mit Alkoholikern. Wobei sich der Umgang in unserem Fall auf einen bezog. Das Verständnis ist gewachsen, geholfen hat es nichts.

Lieber Leinemann, drei Minuten für ein Lebenswerk sind verdammt kurz. Da muss ein Vorbild helfen. Ihr Vorbild: Willi Brandt. Und dazu gleich das Gegenteil: Oscar Lafontaine, er ließ – wie Sie schrieben – die Förmchen fallen, als es unbequem wurde. Gäbe es eine Hall of Fame der Journalisten, Sie stünden an dritter Stelle, nach H. J. Friedrich („immer dabei sein, nie dazugehören“) und Herbert Riehl-Heyse. Frank Schirrmacher muss da noch etwas warten. Sie hatten ein Motto, schon als junger Journalist: „Wenn Du über jemanden geschrieben hast, solltest Du noch zwei Leuten ins Gesicht schauen können, dem, über den Du geschrieben hast, – und Dir selbst.“ Und wenn ich jetzt einen Spiegel hätte, würde ich diesen Ihnen reichen und Sie würden sich erkennen: als Mensch. Und wenn ich nicht schon stünde, würde ich mich erheben und zu Ihnen aufschauen.“

Adolf Theobald war u.a. Gründer von „Twen“ und „Capital“, Chefredakteur von „natur“ und „Geo“ sowie Verlagsgeschäftsführer des Spiegel und Vorstandsmitglied von Gruner+Jahr.