Lesetipps für Journalisten

Aktuelle Buchempfehlungen von „medium magazin“-Autor Bernd Stößel:

Netz-Maschen

Nea Matzen, Onlinejournalismus, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2010, 156 S., 14,90 Euro

Der Onlinejournalismus muss auf ein anders geartetes Leseverhalten als bei Print Rücksicht nehmen und verfügt über den Trumpf der ständigen Aktualisierbarkeit. Nur zwei der Besonderheiten, auf die Nea Matzen, Redakteurin bei tagesschau.de, zu Beginn ihres in der Reihe „Wegweiser Journalismus“ erschienenen Bandes hinweist. Ein eigenes Kapitel widmet sich der Frage: Wie arbeitet eine Online-Redaktion? – wichtig zu wissen für zuliefernde Autoren. Vom großen Vorteil des Netzes gelte es, mit Augenmaß Gebrauch zu machen: „Platz ohne Grenzen, kein Spiel ohne Grenzen“ lautet entsprechend eine Überschrift. Ein ganz eigenes Thema stellen Links dar. Sind diese im Text sinnvoll? Wenn ja, müssen die mit einem Link hinterlegten Wörter durchdacht und für den User nachvollziehbar ausgewählt werden. Im Gegensatz zum Chor der Unkenrufer erkennt die Verfasserin für den Onlinejournalismus die Perspektive einer „neuen Form des Qualitätsjournalismus“.
Konsequenterweise finden die Leser Zusatzinformationen zum Buch unter www.wegweiseronline.de.

Quo vadis, Journalismus?

Felix Rohrbeck / Anne Kunze, Journalismus nach der Krise. Aufbruch oder Ausverkauf?, Herbert von Halem Verlag, Köln 2010, 232 S., 16 Euro

Wohin steuert die deutsche Medienlandschaft in Zeiten knapper Kassen? Im Band „Journalismus nach der Krise“ geben 22 Chefredakteure und Medienexperten Antworten – im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Autoren haben die Form des Interviews gewählt. Namen wie Giovanni di Lorenzo, Bascha Mika oder Heribert Prantl sind jedem Journalisten geläufig. Doch kennen Sie Ute Frieling-Huchzermeyer? Die Chefredakteurin des Erfolgstitels der vergangenen Jahre, „Landlust“, bricht eine Lanze für Print: Auf Papier werde viel genauer gelesen als am Bildschirm. Die Autoren Felix Rohrbeck und Anne Kunze – beide um die 30 – ziehen aus ihren Gesprächen den Schluss, dass Journalismus und Werbung vermutlich an einigen Stellen noch enger zusammenrücken werden. So gestaltet zum Beispiel bei Burda eine eigene Abteilung Anzeigen in redaktionellem Gewand. Der ehemalige DJV-Vorsitzende Siegfried Weischenberg kritisiert, die Medien hätten sich auf einem überholten Geschäftsmodell ausgeruht. Er plädiert für innovative Lösungen wie Public Private Partnerships zur Förderung des investigativen Journalismus oder der Journalistenausbildung in Verlagen.

Presse(un)freiheit global

Martin Welker / Andreas Elter / Stephan Weichert (Hrsg.), Pressefreiheit ohne Grenzen? Grenzen der Pressefreiheit, Herbert von Halem Verlag, Köln 2010, 337 S., 21 Euro

Laut „Reporter ohne Grenzen“ wurden 2009 weltweit mindestens 76 Journalisten getötet. Nur die Spitze eines Eisbergs: Beschneidungen der Pressefreiheit sind rund um den Globus in mannigfacher Gestalt anzutreffen. Der Sammelband „Pressefreiheit ohne Grenzen? Grenzen der Pressefreiheit“ enthält unter anderem Beiträge von Heribert Prantl und Thomas Leif. Die Herausgeber betonen, dass nicht nur in finsteren Diktaturen, sondern auch in demokratisch verfassten Staaten im Zweifelsfall beherzt in die Pressefreiheit eingegriffen wird. Keinesfalls läuft das Volk dabei immer Sturm: Der Osteuropa-Historiker und Journalist Ingo Mannteufel spricht für Russland etwa davon, dass die Bevölkerung offenbar mit dem System der gelenkten Medien einverstanden sei, sich zumindest aber mit diesem abgefunden habe. In dem das Buch abschließenden Ausblick plädiert Hans-Ulrich Jörges für die Europäische Charta für Pressefreiheit. Deren zehn Artikel sind abgedruckt. Die Charta kann übrigens online unter www.pressfreedom.eu/de unterzeichnet werden.


Le boulevard

Andreas Wrobel-Leipold, Warum gibt es die Bild-Zeitung nicht auf Französisch?, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010, 169 S., 19,95 Euro

Eine glänzende Ironie des Schicksals: Kaum wirft ein Buch die berechtigte Frage auf „Warum gibt es die Bild-Zeitung nicht auf Französisch?“, da sinnt der russische Eigentümer von „France Soir“ darauf, das angeschlagene Traditionsblatt in eine Boulevardzeitung zu verwandeln. Andreas Wrobel-Leipold weist auf die fehlende Steuerung französischer Medien durch den Markt hin. Der „Homme de lettres“, bereits am Hof zu Versailles geschätzt, sei in Frankreich bis heute Leitbild und mit eine Erklärung für die Kommentarlastigkeit der Medien. „Journalismus aus Notwendigkeit“ hingegen sei historisch immer auf Vorbehalte gestoßen. Voltaire etwa bezeichnete Journalisten als „Haie, die gierig nach jeder Münze schnappen“ – in Vorgriff des Ansehens, das Freie heute genießen. Der Autor zeichnet sein Panorama der französischen Medienlandschaft vor dem Hintergrund des charakteristischen Zusammenspiels von Staat, Wirtschaft und Medien. Und nennt als grundlegenden Unterschied zur Bundesrepublik: Deutsche Journalisten kennen die Mitglieder der Entscheidungselite. Die französischen Kollegen aber gehören dieser häufig selbst an – zumindest ihrem Selbstverständnis nach.

Fach-gerecht

Beatrice Dernbach, Die Vielfalt des Fachjournalismus. Eine systematische Einführung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010, 304 S., 24,95 Euro

Immer weiter differenzieren sich die einzelnen Fachjournalismen aus. Beatrice Dernbach widmet etwa drei Fünftel ihres Buches – das umfangreiche Schlusskapitel – den verschiedenen Disziplinen, vom Food- über den Medien- bis zum Technikjournalismus. Die Autorin lehrt an der Hochschule Bremen als Professorin Fachjournalismus. In einem eigenen Kapitel befasst sie sich mit der Frage, was Fachjournalismus zum Journalismus macht. Die Selektion von Informationen unter dem Aspekt der Relevanz ist natürlich ein Kern-Kriterium. Der Fachjournalist wähle allerdings unter etwas anderen Gesichtspunkten aus: So spiele zum Beispiel Aktualität eine andere oder geringere Rolle als im Journalismus allgemein. Unabhängig hiervon übt das Internet einen immer stärkeren Druck auf Print aus, denn der User findet mit wenigen Mausklicks die Informationen, die er sich als Leser erst umständlich aus der Zeitschrift heraussuchen müsste – sofern dort überhaupt vorhanden. Die Wissbegierde endet allerdings zumeist abrupt, wenn für einen bestimmten Service gezahlt werden soll.

Der Türöffner

Elke Ahlswede, Praktikum!, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2010, 132 S., 14,90 Euro

Kein Einstieg in den Journalismus ohne Praktika und Hospitanzen. Elke Ahlswede, Nachrichtenredakteurin bei Reuters, lässt in ihrem Ratgeber auch ehemalige Praktikanten sowie Redakteure zu Wort kommen: Was sollte der Medien-Neuling tun? Und vielleicht noch wichtiger: Was nicht? Bleibenden Eindruck hinterlassen nicht nur schreiberische Fertigkeiten – auch ein permanent unaufgeräumter Schreibtisch kann sich einprägen. Bewerbungen nach dem Gießkannen-Prinzip empfehlen sich nicht, gründliche Kenntnisse über das avisierte Medium sind Pflicht. Mehrere Checklisten fassen zusammen, worauf geachtet werden sollte. Unter der Überschrift „Der gelungene Absprung“ rät die Verfasserin dazu, sich im Rahmen eines Abschlussgespräches eine ehrliche Einschätzung der journalistischen Fähigkeiten geben zu lassen. Wer nach dem Praktikum eine freie Mitarbeit angeboten bekomme, solle schnell zugreifen. Der gute Eindruck ist dann noch frisch. Zwar lohnt es sich, weitere Erfahrungen zu sammeln, aber es gilt: „Irgendwann muss Schluss sein mit Praktika.“ Nicht zuletzt einer ordentlichen Bezahlung wegen.

Der Autor: Bernd Stößel ist freier Journalist in Frankfurt