• Die Anti-Döpfner

    Wie glaubhaft ist die Branchenkritik von Funke-Chefin Julia Becker?

  • Die KI-Revolution

    Was Journalistinnen und Journalisten wirklich über ChatGPT & Co. wissen müssen.

  • Boulevard ohne Grenzen?

    Warum sich manche BILD-Mitarbeiter für ihr Blatt schämen.

Medium Magazin 02/23

 

EDITORIAL / Alexander Graf, Chefredakteur

 

 

Von privaten Chats und Sonntagsreden

Wieso ich Julia Becker spannender als Mathias Döpfner finde. Und was Sie für mehr Transparenz in der Branche tun können.

Alle reden gerade über Mathias Döpfner. Von der „Zeit“ veröffentlichte Chatnachrichten werfen kein gutes Licht auf die privaten Ansichten des Springer-Bosses und legen den Eindruck nahe, er habe seinen Redaktionen inhaltliche Schwerpunkte souffliert. Ähnliches lässt ein Text im „Stern“ vermuten, der Döpfners Verbindungen zur in den Cum-Ex-Skandal verwickelten Warburg-Bank aufzeigt. Und nicht zuletzt ist da ja auch noch Benjamin von Stuckrad-Barre. Der Autor und ehemalige Döpfner-Freund hat die Seiten gewechselt und einen Roman geschrieben, dessen Handlung nur ganz zufällig an die Machtmissbrauchs-Affäre um Julian Reichelt erinnert. Die ästhetische Bewertung von „Noch wach?“ überlasse ich gerne den Kolleginnen und Kollegen aus dem Feuilleton – die vom Autor und aufgeregten Medienmenschen aufgeführte Hype-Performance vor Veröffentlichung war aber in jedem Fall große aufmerksamkeitsökonomische Kunst.  

Verdient Döpfner die ganze Aufregung? Ich denke schon. Es ist ohne Frage relevant und veröffentlichungswürdig, wenn der Chef eines der größten deutschen Medienhäuser seine politischen Präferenzen per Whatsapp der „Bild“-Chefredaktion mitteilt: „Please Stärke die FDP“. Aber seien wir ehrlich: So richtig überraschend kommt das alles nicht. Zum einen, weil Döpfners teils fragwürdige Positionen sowie die kumpelige Nähe zwischen ihm und dem damaligen Chefredakteur Julian Reichelt längst bekannt sind. Man erinnere sich nur an die Nachricht vom Herbst 2021, in der er Reichelt als „letzten und einzigen Journalisten“ bezeichnete, der noch gegen „den DDR-Obrigkeitsstaat“ aufbegehre. Zum anderen überrascht es nicht, weil FDP und CDU bei „Bild“ schon immer deutlich besser wegkommen als Grüne und SPD – ob Reichelt für seine überambitionierte FDP-Kampagne vor der Bundestagswahl daher wirklich noch ein „Please“ von Mathias Döpfner benötigte?

Aber wer weiß, vielleicht bin ich ja mittlerweile auch einfach nur etwas abgestumpft von den regelmäßigen Skandalen um den Springer-Boss. Viel spannender und überraschender finde ich daher, was Funke-Chefin Julia Becker eigentlich so treibt. Die Aufsichtsratsvorsitzende des Essener Medienkonzerns hatte sich im Zuge der Reichelt-Affäre schließlich als schärfste Kritikerin des damaligen BDZV-Präsidenten Döpfner positioniert. Becker prangerte damals das „unerträgliche Schweigen“ der „Herren“ im Verband an, und tat auch im Anschluss einiges, um sich als Gesicht einer neuen Verlegergeneration zu inszenieren.

Doch viel von dem, was Becker auf Podien und in Gastbeiträgen so von sich gibt, sorgt auch für Stirnrunzeln: Mehr Qualitätsjournalismus, Glaube ans Lokale, Kritik an Klicklogiken – ziemlich gewagt für einen Konzern, der große Summen mit Clickbait-Portalen und Klatschblättern verdient. Spätestens, als Becker im vergangenen Jahr auf dem European Publishing Congress in Wien davon sprach, dass es ein Fehler gewesen sei, bei den Lokalredaktionen zu sparen, stand für mich fest, dass wir Beckers Worte einmal gründlich an ihren Taten messen sollten. Ist doch gerade Funke dafür bekannt, den eigenen Gewinn gerne durch radikale Stellenkürzungen zu maximieren. Die Frage war also: Was tut Julia Becker konkret dafür, damit es nicht bei „Sonntagsreden“ bleibt? In dieser neuen Ausgabe von „medium magazin“ lesen Sie das Ergebnis unserer Recherche.

Mehr Transparenz bei Honoraren und Gehältern

An dieser Stelle lesen Sie auch immer wieder etwas zum Thema „Faire Honorare“. Es freut mich daher, Ihnen von einer Kooperation zwischen „medium magazin“ und den Freischreibern zu berichten. Gemeinsam haben wir den Relaunch einer Gehalts- und Honorardatenbank für die Medienbranche gestemmt. Unter gehalt.mediummagazin.de können Sie ab sofort vergleichen, was Medien Freien oder Festangestellten zahlen (mehr dazu auf Seite 8). Das liefert schlagkräftige und fundierte Argumente für die nächsten Gehalts- oder Honorarverhandlungen – und erzeugt den nötigen Druck auf die schwarzen Schafe der Branche. Meine Bitte an Sie: Das Tool lebt von der regen Mitarbeit der Community. Nur wenn möglichst viele Medienschaffende ihre Daten regelmäßig anonym dort eintragen, wird maximale Transparenz und Fairness für alle ermöglicht. Ich zähle auf Sie!

Schreiben Sie mir gerne, wie Ihnen die neue Ausgabe gefällt (alexander.graf@mediummagazin.de). Ich freue mich auf Ihre Mails.

   

Die Ausgabe medium magazin 02/2023  mit einem Hintergrund zu den Plänen der Funke-Chefin Julia Becker, einem KI-Special für Medienprofis sowie ganz viel Nutzwert für die journalistische Berufspraxis ist ab sofort digital oder als Printausgabe hier erhältlich oder im ikiosk. 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Journalismus-Werkstatt „Überzeugend moderieren“: Das 16-seitige Extraheft ist gratis im Abonnement dieser Ausgabe enthalten. Nachbestellungen im Online-Shop oder per E-Mail an: vertrieb @ oberauer.com