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Medium Magazin 06/2019

EDITORIAL / Annette Milz, Chefredakteurin

 

Licht und Schatten

Der Fälscher-Fall Relotius wird uns noch weiter beschäftigen. Das hat auch positive Seiten.

Das Jahr 2019 wird lange nachhallen. So viel Licht und Schatten in der Branche: Großartige Leistungen im nationalen wie regionalen Journalismus stehen neben Tiefschlägen – allen voran der Fälscher-Fall Relotius. Er traf in erster Linie die überregionalen Medien. Im Lokalen wäre ein solcher Betrug kaum möglich: Die Nähe des Themas und der Protagonisten zur Leserschaft ist immer noch die beste Kontrollinstanz.

Eine gesunde demokratische Gesellschaft braucht jedoch beides: den journalistischen Blick auf die lokale Nähe und den Weitblick in die Welt. Der aber steht seit „Relotius“ fast unter Generalverdacht. „Das Urvertrauen, dass Reporter hingehen und aufschreiben, was sie sehen, ist weg“, konstatiert Zeit-Reporter Stephan Lebert (Seite 22). Aber er sagt auch: Das Misstrauen sei „bis zu einem gewissen Grad“ gut. Viele Redaktionen haben inzwischen ihre Regeln zur Qualitätssicherung überarbeitet und journalistische Standards diskutiert. Die Debatte wird uns weiter beschäftigen – auch in ihren Auswirkungen auf das Verhältnis von Freien zu ihren auftraggebenden Redaktionen.

Dass sie in dieser Wucht zustande kam, ist vor allem Juan Moreno zu verdanken. Seine hartnäckigen Recherchen, trotz interner Widerstände, haben den Fälscher Relotius auffliegen lassen – und damit das Medienthema des Jahres 2019 gesetzt. Im Interview mit Hilmar Poganatz bekennt Moreno: „Ich würde mein letztes Jahr niemandem wünschen“.
Nun versucht Relotius, mit Hilfe seines Anwalts gegen einige Punkte in Morenos Buchs „Tausend Zeilen Lüge“ vorzugehen. Bisher hat sich Moreno zu den Vorwürfen nicht im Detail geäußert – auch auf Anraten seines Anwalts Roger Mann: „Man muss sich nicht gegen jeden Unsinn verteidigen und vor allem: Man sollte nicht über jedes Stöckchen springen, das einem hingehalten wird.“ Mann kritisiert: „Das ist so eine durchsichtige Strategie – dieser Versuch, den Aufdecker auf das Niveau des Fälschers zu ziehen. Ich finde es erschreckend zu sehen, wie leicht einige Journalisten dem auf dem Leim gehen. Das kann man sich wohl nur mit der Lust an der Demontage erklären.“

Eine große Mehrheit der JdJ-Jury sah das ähnlich. Eine Stimme, stellvertretend für andere: „Erst machte man aus ihm den Retter des Journalismus, dann sprach man ihm die Glaubwürdigkeit ab, als sich die Meute auf seine kleinen Fehler stürzte. Was hoffentlich am Ende bleiben wird, ist eine bedeutsame Recherche, ein wichtiges Buch und der Preis für den Journalisten des Jahres 2019.“ Die Hoffnung hat sich bestätigt: Juan Moreno ist der Journalist des Jahres 2019 (siehe JdJ-Special).

Ein Tipp: Wenn Sie etwas Gutes tun möchten zum Jahresende, empfehlen wir Ihnen eine Spende für den gemeinnützigen Verein Journalisten helfen Journalisten. Seit 1983 kümmert er sich um in Not geratene Journalistinnen und Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten. Anlass für die Gründung war damals die Ermordung von SZ-Reporter Egon Scotland, der als erster Journalist dem Balkankrieg zum Opfer fiel.
Mitbegründerin der JhJ war Christiane Schlötzer, seine Frau und Kollegin: Sie geht Ende Januar 2020 als Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung in den Ruhestand. Doch die Arbeit für JhJ geht weiter. Mit ihrer Unterstützung des Vereins setzen Sie ein gutes Zeichen.

In eigener Sache: Der Jahreswechsel bedeutet auch Abschied und Neubeginn: Jens Twiehaus verlässt mit dieser Ausgabe die Redaktion von medium magazin. Vielen Dank, Jens, für die wirklich tolle, fruchtbare und inspirierende Zusammenarbeit seit 2013. Wir werden dich im Team vermissen! Für deine weiteren Pläne wünschen wir dir nur das Beste. Zum Glück bist du ja nicht ganz aus der Welt für uns. Neu in der Redaktion ist Alexander Graf: Der freie Journalist aus Mannheim hat früher für die Rheinpfalz gearbeitet und sich seit einiger Zeit auf Medienthemen spezialisiert. Herzlich willkom- men im Team! Mit dieser Neuerung bei medium magazin sei es aber für 2020 nicht getan. Wir haben eine Menge Pläne – und fangen hier schon mal mit der praktischen Umsetzung an: Zusammen mit den Mehrwertmachern in Dresden werden wir uns künftig regelmäßig dem Thema Leseanalyse und Textqualität widmen. Übrigens: Einen Tipp daraus haben wir gleich selbst berücksichtigt (siehe Jakob Vicaris Empfehlungen für „20 Dinge, die Sie 2020 tun sollten“ im Heft).

Bleiben Sie uns gewogen.
Wir versprechen Ihnen: Das gilt auch umgekehrt. In diesem Sinne Prosit 2020!

 
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