FAZ-Hauptstadtbürochef Günter Bannas: „Früher war nicht alles besser“

Günter Bannas hat jahrelang aus Bonn und Berlin berichtet. Sein Kommentar zur Lage des politischen Journalismus in der Hauptstadt: Es hat sich kaum was geändert. Erst recht nicht die Notwendigkeit, sich gegen Vereinnahmung und Klischees zu wehren.

„Welch ein Spruch, welche eine scheinbare Freundlichkeit im politisch-medialen Umgang – auf Grußkarten zu Weihnachten und zum neuen Jahr geschrieben, bei sogenannten Antrittsbesuchen auch gerne verwandt: „Auf gute Zusammenarbeit.“ Soll es wirklich heißen „gute Zusammenarbeit“ zwischen den einen, die Politik gestalten oder pflichtgemäß zu präsentieren, und den anderen, die darüber schreiben und senden?

Eigentlich müssten die Protagonisten der beiden Lager jeweils zusammenzucken. Selbst dann, wenn erkennbar ist, dass es sich bloß um eine gedankenlose Floskel handelt. Auch dann aber kann Sprache verräterisch sein. Der Journalist hat mit dem Politiker oder Pressesprecher nicht „zusammen“ zu arbeiten – was im Übrigen sein Gegenüber umso besser weiß, je höher er in den politischen Sphären aufgestiegen ist. Wenn er sich also „gute Zusammenarbeit“ wünscht, bedeutet das nichts anderes als eine freundlich ausgedrückte Vereinnahmung. Oder sagen wir, den Versuch derselben. Dass beide Seiten aus einer staatsbürgerlichen Verpflichtung heraus arbeiten, steht auf einem anderen Blatt.

Das war schon in Bonn so und es ist in Berlin geblieben. Was bedeutet: Früher war keineswegs alles besser. Beinahe gilt das Gegenteil. Hans-Dietrich Genscher, der langjährige Außenminister, hatte es geschafft, eine Gruppe von Korrespondenten um sich zu scharen, die sich gerne „diplomatische Korrespondenten“ nennen ließen und sich nahezu als außenpolitische Berater des FDP-Politikers fühlten. Dass in jenen Jahren ein Wechsel vom Beruf des Journalismus in den des (Partei-)Pressesprechers und wieder (oft auch verbunden mit einem Karrieresprung) zurück üblich war, passte dazu.

Das ist wohl weitgehend überwunden – auch wenn, wie es die veränderten Arbeitsumstände vor allem der „Freien“ mit sich bringen (müssen), sowohl dem Tagwerk des Journalismus nachzugehen und parallel dazu als Berater oder Moderator von Parteiveranstaltungen zu wirken. Das zu kritisieren, steht den Wohlversorgten nicht an.

Doch sitzen Journalisten und Politiker nicht im selben Boot, auch wenn das manche in Berlin und mehr noch viele „draußen im Lande“ anders sehen. Solchen Einschätzungen muss Einhalt geboten werden. Gerhard Schröders Spruch, zum Erfolg seiner Politik brauche er nur „Bild, BamS und Glotze“, war ein Überbleibsel jener einstigen Bräuche. Eine Fehleinschätzung war es auch.

Der Journalismus lebt von Fairness und von Distanz. Erst recht im Berliner „Raumschiff“ – mit seinen Versuchen, Versuchungen auch, sich durch (vermeintliche) Nähe informatorische Vorteile zu verschaffen. Was im Übrigen nicht nur für Journalisten gilt. Gerne sucht auch die „andere Seite des Tisches“ nach Quellen, die außerhalb des engeren parteipolitischen Betriebes liegen. Das war – nicht ganz nebenbei – auch in Bonn schon so gewesen, als man räumlich noch näher beieinander war. Doch das ist lange her.

Hat sich etwas geändert? Im Grundsatz: Nein. So zu tun, alles sei heute hektischer als früher, geht fehl. Die Medien mögen heute schneller sein, gewiss. Die Vielfalt journalistischer Formen bringen auch neue Erfordernisse mit sich und damit Anforderungen an unsere Zunft. Doch heute wie früher gehört die Fähigkeit, eine schnelle Nachricht zu übermitteln, zur Grundausstattung des Berufs. Wie auch anders.

Demjenigen, der/die darüber klagt, sollte zugerufen werden: Wer Hitze nicht verträgt, sollte nicht Koch werden wollen. Dass die technischen Entwicklungen und auch die Sparmaßnahmen von Verlagen, Sendern und anderen Produzenten, für das Berufsbild Folgen haben, steht auf einem anderen Blatt. Es ist, wie es ist: Es gelten auch die Zwänge des Marktes. Gleichwohl: Für die meisten Kollegen ist die Arbeit schwerer geworden. Und mehr als früher in Bonn macht sich in Teilen der Bevölkerung breit, die Beteiligten in Berlin steckten alle unter einer Decke.

Angesichts der Folgen warnte nun im Deutschlandfunk Michael Groschek, der SPD-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen: „Wir müssen sehr aufpassen, dass Berlin nicht zu einer Art deutschem Washington wird, wo Lobbyisten, Journalisten und Politiker ein Bermudadreieck des Alltagssorgen bilden, wo sich Bürgerinnen und  Bürger eben nicht wiederfinden, wo der Zwang zur halbstündlichen Schlagzeile die Diskussion bestimmt, aber im Grunde gar nicht die Gemütslage der Menschen erreicht.“

Das mag eine Überzeichnung der Verhältnisse sein. Doch gibt es Anlass genug, sich dem verbreiteten Eindruck zu widersetzen.

 

Zur Person: 
Günter Bannas hat mehr als 30 Jahre lang über Hauptstadtpolitik berichtet. 1979 wurde er Redakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ), seit 1981 berichtete er aus Bonn. Nach einem Jahr „Auszeit“ bei der „Süddeutschen Zeitung“ wurde er 1998 Leiter des FAZ-Büros in Bonn, nach dem Umzug 1999 auch in Berlin. 2013 wählte ihn die „medium magazin“-Jury zum „Politikjournalisten des Jahres“. Ende März geht der 65-Jährige nun in den Ruhestand. Die Büroleitung übernimmt am 1. April sein Kollege Eckart Lohse.

 

Der Beitrag von Günter Bannas ist Bestandteil unserer Titelthemas „Superzeiten für Politikjournalisten. Oder etwa nicht?“ in  „medium magazin“ Ausgabe 02-2018. Das Heft ist digital im iKiosk verfügbar und kann gedruckt einzeln gekauft oder abonniert werden. Einen Blick ins aktuelle Heft gibt’s hier.