Keine „niedlichen Tierarten im Kinderzoo“ – Giovanni di Lorenzo will Google und Facebook kritischer anpacken

„Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo wünscht sich einen deutlich härteren Umgang mit den großen Internetkonzernen Google und Facebook. „Die digitalen Giganten streicheln wir, als seien sie besonders niedliche Tierarten im Kinderzoo“, kritisiert di Lorenzo im Titelinterview des neuen „medium magazins“ (Ausgabe 03-2017). Er lese Artikel darüber, wie Mark Zuckerberg morgens joggt, was er isst und trinkt. Dabei sei „marktbeherrschend“ noch ein Euphemismus, um die Stellung von Facebook und Google auf dem digitalen Werbemarkt zu beschreiben.

Facebook versuche neuerdings auch mittelständische Unternehmen zu Werbekunden zu machen, „mit Zahlen, deren Validität völlig unklar bleiben“, sagt di Lorenzo. „Facebook wirbt mit so aggressiven Methoden auf unsere Kosten wie kein anderer.“ Verlage könnten mit seriösen Wirksamkeitsstudien trumpfen, befänden sich aber in einer gefühlten Ohnmacht. Di Lorenzo plädiert auch deshalb für mehr Druck, um die Konzerne bei ihrer Ehre zu packen. „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die digitalen Giganten trotz ihrer enormen Lobbymacht eine offene Flanke haben, durch die sie auch verwundbar sind: Ihr Image. Denn davon hängen auch ihre Werbeeinnahmen ab.“

Di Lorenzo befürwortet die Pläne von Bundesjustizminister Heiko Maas, digitale Plattformen leichter haftbar zu machen für Fake News und Hassrede, die über sie verbreitet werden. Verlage sehen die Pläne kritisch, weil den Plattformen damit viel Verantwortung übertragen wird, zu entscheiden, welche Inhalte verboten sind. Di Lorenzo argumentiert im „medium magazin“-Interview: „Ich finde es schlimmer, wenn widerwärtigste Hetze oder eklatante Verletzungen von Persönlichkeitsrechten über Wochen unbeanstandet im Netz stehen bleiben – das ist eine Abwägung.“ Die Befürchtung einer „vorauseilenden Zensur“ sei noch völlig unbewiesen.

Persönlich hält sich di Lorenzo von sozialen Medien fern, „auch aus Selbstschutz“, wie er im Interview sagt. Ihm fehle die Zeit, sich mit Tweets und Posts zu befassen. Er verweigere sich nicht, spiele sich aber auch nicht als Social-Media-Versteher auf. „Trotzdem glaube ich, das eine oder andere zu sehen und beurteilen zu können.“

 

Das Interview mit Giovanni di Lorenzo, geführt von „medium magazin“-Chefredakteurin Annette Milz, ist der Titel von Ausgabe 03-2017. Das Heft ist digital im iKiosk verfügbar und kann gedruckt einzeln gekauft oder abonniert werden.