Zuviel Anglizismen: Wolf Schneider kritisiert akademische Journalistensprache

Journalisten sollten sich darauf besinnen, akademischen Jargon, Anglizismen und parteiliche Wörter zu vermeiden. Dafür plädiert der Journalisten-Lehrmeister Wolf Schneider in einem Beitrag für das „medium magazin“. „Anstreben sollten sie das jeweils treffendste, farbigste, zumeist das kürzeste mögliche Wort“, schreibt Schneider. „Mit ‚Blut, Schweiß und Tränen‘ machte Churchill 1940 Weltgeschichte – mit Blutverlust, Überarbeitung und einer Überreizung der Tränendrüsen hätte er es nicht geschafft.“

Schneider greift einzelne Begriffe heraus, die Journalisten oft verwenden, aber meiden sollten. Der „Paradigmenwechsel“ sei ein Modewort des gehobenen Feuilletons, doch schätzungsweise 95 Prozent der Deutschen würden keine Ahnung haben, was das sein soll. Für die Wissenden sei das Wort ausgeleiert. Ein ähnlich unschönes Modewort ist für Schneider das „Narrativ“.

„Wörter machen Leute“, findet Wolf Schneider.

Unnötig akademisch aufgebläht findet Schneider die oft beschriebene „Tonalität“. Es gehe schlicht um den Ton, zum Beispiel in einer Debatte. Auch die „Befindlichkeit“, ein „Lieblingswort des ‚Zeit‘-Feuilletons“, bedeute schlicht Befinden oder Laune.

Schneider gefällt auch die Sprache in deutschen Medienhäusern oft nicht: „Gruner + Jahr publiziert zwar immer noch deutsche Texte, bläst aber intern das Englische aufs Äußerste auf: Ein Abteilungsleiter heißt zum Beispiel Editorial Director Community of Interest Family, und wo der Vorstand spricht, kommen deutsche Substantive nicht mehr vor.“

Der 93-Jährige Journalist und Buchautor ist unter anderem Träger des Medienpreises für Sprachkultur der Gesellschaft für Deutsche Sprache. Unter seinen vielen Büchern gelten seine Sprachkritiken wie „Wörter machen Leute. Magie und Macht der Sprache“ bis heute als Standardwerke für das journalistische Handwerk.

 


Wolf Schneiders Gastbeitrag erschien in „medium magazin“ 06/2018. Weitere Themen darin u.a.: der große Generationendialog „Was hat Zukunft“, „Journalismus der Dinge“, Change-Anforderungen an Journalisten, die Debatte um die Nationalitätennennung von Tätern in Berichten, Blockchain-Modelle für Medien, Wolf Schneiders neue Sprachkritik, Special Umwelt & Nachhaltigkeit mit dem Schwerpunkt „Nature Writing“ sowie eine 16-seitige Werkstatt „Erfolgreich gründen“.
Das Heft ist digital (per Sofortdownload) und gedruckt im Shop sowie digital im iKiosk verfügbar.