Sonderpreis 2014 – Teil 1: die Laudatio

„medium magazin“-Redaktionsmitglied Anne Haeming laudatiert den Gewinnern des ersten Sonderpreises, der Organisation Reporter ohne Grenzen:

Anne Haeming

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle alle Namen jener Kolleginnen und Kollegen vorlesen, die in den vergangenen 12 Monaten ermordet wurden – umgekommen, einfach nur weil sie Journalisten sind.
Weil jeder einzelne verdient, präsent zu sein, nicht auf eine Zahl zusammenzuschnurren. Aber es ist nun einmal so: Reporter ohne Grenzen sagt uns in Zahlen, wie es um unseren Beruf, um unsere Gesellschaft, bestellt ist. Jedes Jahr, mit einer jährlichen Länder-Rangliste und dem so harmlos klingenden “Barometer”, mit Statistiken.
Und die Zahlen sagen: Es geht uns schlechter.
Genauer: Getötet wurden: 79 Journalisten, 11 Medienassistenten, 19 Online-Aktivisten und Bürgerjournalisten. 350 sitzen derzeit in Haft.Wir müssen uns nur das letzte Dreivierteljahr hier, in Deutschland, in Europa, anschauen, um mit aller Wucht zu begreifen, wieso wir die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen, im 20. Jahr ihres Bestehens, dringend brauchen. Selten war deutlicher, dass wir dabei längst nicht mehr auf ein vermeintliches “draußen” verweisen müssen, es geht nicht nur um Opfer. Es geht auch darum, hierher geflüchtete Journalisten zu unterstützen, genauso wie um unsere eigene aktuelle Arbeit. Wer auch immer “wir” sind, die Grenzen verschieben sich.

Da ist der Blogger Raif Badawi, der im saudiarabischen Gefängnis gefoltert wird, da sind die verhaftete, verschwundene chinesische “Zeit”-Mitarbeiterin Zhang Miao, und die Kollegen Kenji Goto, James Foley, Steven Sotloff, die von der Terrorgruppe IS enthauptet wurden.
Da sind all die Auslandskorrespondenten, die für uns aus Syrien, dem Irak, der Ukraine, den Palästinensergebieten berichten, aus Krieg und unsicheren Konfliktsituationen, wo die gezielte Unterdrückung oder Manipulation der Medien Alltag ist.

Für das Deutschland-Team der „Reporter ohne Grenzen“ dankt Vorstandsmitglied Astrid Frohloff.

Aber nun sind da eben auch die monatelangen Lügenpresse-Brüllereien, die unser Selbstverständnis im Kern treffen, die Übergriffe auf Reporter in Leipzig,
die immer mehr werdende hasserfüllte, diffamierende Post, an “Christ und Welt” genauso wie an Kollegen mit nicht weiß-deutsch klingenden Namen, für die die Hate-Poetry-Crew ein kathartisches Ventil gefunden hat,
bis hin zu jenen falschen Todesanzeigen, die Kollegen bekamen, die über Rechtsextremismus berichten. Da ist der Brandanschlag auf die Hamburger Morgenpost. Und das unfassbare, immer noch sprachlos machende Attentat auf die Kollegen von Charlie Hebdo.Die Controller haben die Zahlen in unseren Medienunternehmen im Blick, das lässt sich ja nicht mehr wegdiskutieren. “Reporter ohne Grenzen” aber sind so etwas wie unser unverzichtbares Gegengewicht: Denn wenn unser kleinster gemeinsamer Nenner, oder auch unser größter gemeinsamer Teiler, die Pressefreiheit, auch noch wegbröckelt – was bleibt uns dann noch?
Reporter ohne Grenzen hilft, diesen Kern zu schützen, uns daran zu erinnern, was unabdingbar bewahrenswert ist.
Lassen Sie uns helfen, zu helfen – ein wenig mit diesem Sonderpreis – aber unbedingt auch mit mehr als Applaus, Kollege Jens Twiehaus twittert gerade die Bankverbindung.

Liebe Astrid Frohloff, lieber Michael Rediske, lieber Christian Mihr – das ist für Sie.

Hier geht es zur Laudatio auf die Gewinner des zweiten Sonderpreises.

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