Unlogisch!

Die Forderung nach einem Leistungsschutz für Qualitätsjournalismus im Netz ist zwar verständlich, aber gefährlich, meint „medium magazin“-Chefredakteurin  Annette Milz :

Die Antwort ließ nicht auf sich warten – und manch einer vergriff sich dabei vor lauter Ärger deutlich im Ton: „Hubert Burdas Artikel in der ,FAZ‘ ist so dumm, man glaubt, da schreibt ein Dorfverleger. Schande für jemand, der sich als Unternehmer sieht“, twitterte „Handelsblatt“-Blogger Thomas Knüwer in Replik auf den Beitrag des Burda-Verlegers und VDZ-Präsidenten „Wir werden schleichend enteignet“ („FAZ“, 30. 6. 09).

Darin fordert er, wie bereits Mathias Döpfner von Axel Springer und andere Groß-Verleger, nachdrücklich ein „Leistungsschutzrecht“ für Verlage und sagt vor allem Google den Kampf an. Zwar profitierten auch Verlage davon, „dass Suchmaschinen die Nutzer an sie weiterleiten und „einen Anteil an den Werbeerlöse der Suchmaschinen erhalten“. Es könne nicht angehen, dass Google & Co. aus „unserem originären journalistischen Handwerk einen größeren wirtschaftlichen Nutzen ziehen, als wir selbst es tun … Wer die Leistungen anderer nutzt, muss dafür bezahlen.“

Die Reaktionen darauf zeigen deutlich, wie gespalten die Print- und Onlinewelt immer noch argumentiert und wie die Schärfe, getrieben von wachsender Nervosität in der Wirtschaftskrise zunimmt, auch wenn es eine Reihe besonnener Stimmen gibt (lesenswert: Die Diskussion bei http://carta.de und Ulrike Langers Replik auf den Burda-Beitrag: „Dann boykottiert doch Google“ in ihrem Blog http://medialdigital.de )

Dabei geht es im Kern doch allen um dasselbe: Um die Sicherung von Qualitätsjournalismus – egal, auf welcher Plattform. Wir haben deshalb für die „medium magazin“-Ausgabe 7+8/09 zwei Vertreter aus beiden Lagern eingeladen, um mit ihnen diese Frage zu diskutieren – und welche Rolle Journalisten dabei spielen sollten: Bernd Ziesemer, Chefredakteur des „Handelsblatt“ und Jochen Wegner, Chefredakteur von Focus Online. Eigentlich als „Streitgespräch“ geplant, zeigten beide im Gespräch bemerkenswerte Übereinstimmungen, wenn auch nicht in allen Fragen.
Eine davon ist, wie journalistischer Content im Netz zu schützen ist. Während Bernd Ziesemer, anders als sein Redakteur, sich darüber freut, dass „endlich die richtigen Fragen gestellt werden“, warnt Jochen Wegner davor, gerade bei der Leistungsschutzdebatte „das Kind mit dem Bade auszuschütten.“

Mit dieser Warnung hat er recht. Denn es gibt sehr ernst zu nehmende Argumente gegen die Verleger-Forderung. Die beiden wichtigsten:

  1. Das geforderte „Leistungsschutzrecht“ erstreckt sich nur auf Verlage. Was mit anderem Content-Lieferanten wie z.B. Myspace passieren soll, bleibt völlig unklar. Denn „Publisher“ im Netz ist kein juristisch definierter Begriff.
  2. Internet bedeutet „world wide web“, d.h. ein Leistungschutzrecht, das durch den deutschen Gesetzgeber reguliert wird, birgt die Gefahr, das deutsche Verlage von der internationalen Entwicklung im Netz abgehängt werden. Mit einer Ghettoisierung hätten sie keine Überlebenschance im Netz.

Auch in der Verlagsszene selbst wird das kritisch gesehen. „Ein Leistungsschutzrecht wäre zwar wünschenswert. Aber die Forderung in der propagierten Form entspricht nicht der Logik des Internet“, meint beispielsweise Harold Grönke, Geschäftsführer der Ippen-Tochter „HNA“ in Kassel: „Die Gefahr besteht, dass dann andere Quellen im Netz an Bedeutung gewinnen und die klassischen Medien von der Entwicklung abgekoppelt werden.“

Gleichzeitig machen es aber diejenigen zu leicht, die die zugespitzte Forderung der Verlage pauschal verdammen. Stattdessen sollte man lieber über pauschale Entgelte diskutieren. Und: Qualitätsjournalismus, der eine wichtige Rolle für das demokratische Gemeinwesen erfüllen soll, braucht ein unabhängiges ökonomisches Fundament. Staatliche Subventionen oder Finanzierungen durch private Sponsoren können keine generelle Alternative sein.
Es wäre wünschenswert, wenn sich die Diskussion bald versachlicht – und beide Lager in Print und Online miteinander statt gegeneinander für eine Lösung arbeiten. Statt sich in Rechtsdiskussionen zu verheddern, brauchen wir endlich funktionierende Geschäftsmodelle auch im Internet. Und wir Journalisten täten gut daran – wie Bernd Ziesemer und Jochen Wegner fordern –, mit eigenen Ideen und Konzepten dazu beizutragen, bevor es andere für uns tun. Oder wir das Feld anderen ganz überlassen, wie es die Verlage in der Vergangenheit bei Google getan haben.

(Editorial „medium magazin“ 7+8/2009)