Verantwortungsvoller Journalismus

Vielleicht war es der wichtigste Beitrag auf dem etwas grossklotzig angekündigten „1.Leipziger Medienkongress“:

Der afghanische Journalist Yaqub Ibrahimi schloß seine Dankesrede für den ihm verliehenen „Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien“ mit einer Anmerkung zu dem Mit-Preisträger Kurt Westergaard ab. Dass die Medienstiftung der ‚Leipziger Stadtsparkasse’ auch dem Urheber der weltweit extrem umstrittenen ‚Mohamed-Karikatur’ einen Preis verliehen habe, müsse er respektieren. Aber, so Ibrahimi weiter, er möchte ganz klar seine persönliche Distanz zu dieser Karikatur bekunden. Und seine Kritik an der Mohamed-Karikatur begründete er weniger mit religiösen Motiven, sondern er lehne auch als Journalist diese Art von Provokation ab.

Dass er mit diesem Urteil auch mißverstanden werden kann, war dem jungen afghanischen Journalisten wohl bewußt. „Ich kämpfe ja gerade in meinem Land für mehr Meinungsfreiheit, das heißt auch für die Freiheit Andersdenkender ihre Meinung zum Ausdruck bringen zu können.“ Aber für diesen Kampf müsse man nicht nur mutig sein und eventuell existenzielle Bedrohungen befürchten. Dazu gehöre auch ein Gefühl von sensibler Verantwortung gegenüber dem was man als Journalist oder eben als Karikaturist Tag für Tag produziert. Genau diese Verantwortung vermisse er oft im Umgang ‚westlicher’ Medienproduzenten mit anderen, ihnen fremden Kulturen und Traditionen. Die ‚Mohamed-Karikatur’ von Kurt Westergaard sei ausschließlich als Provokation gedacht und würde jeden Dialog auch mit ‚aufgeklärten Muslimen’ verhindern. Natürlich verurteile er die Todesdrohungen gegen den Karikaturisten eindeutig, aber trotzdem sei es ihm unmöglich etwa zusammen mit Westergaard auf einem „Gruppenbild der Preisträger“ zu erscheinen.

Diese Leipziger Variante eines „Clash of Civilisation“ hatte sich schon wenige Stunden vor der Preisverleihung angekündigt als die ebenfalls eingeladene Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi deutlich ihren Unmut gegen die Verleihung des Preises an Kurt Westergaard kundgetan hatte. Auf ihre Teilnahme an dem Festakt zur Verleihung des Medienpreises – den in diesem Jahr neben Ibrahimi und Westergaard auch dem Bulgaren Assen Yordanov zuerkannt wurde – müße man leider verzichten.

Nicht alle Anwesende teilten aber die Positionen von Ebadi und Ibrahimi. Schon allein die unübersehbare polizeiliche Präsenz rund um den ‚Leipziger Mediencampus’ zeige doch wie gefährdet Westergaard sei, der doch mit seiner Karikatur nichts anderes getan habe als das für einen Rechtsstaat fundamentale Recht auf Meinungsfreiheit zu praktizieren. Man müsse, Voltaire wurde mehrfach zitiert, auch dann die Meinung des Anderen verteidigen wenn man sie selber nicht teilt. Vielleicht aber hat Yaqub Ibrahimi mit seiner Forderung nach einem ebenso mutigen wie verantwortungsvollen Journalismus genau das Thema angeschlagen über das bei zukünftigen Kongressen zur Medien- und Pressefreiheit in aller Welt zu diskutieren sein wird. Damit hätten dann die in diesem Jahr so mißlichen Umstände der Verleihung des Preises für Verdienste um die Meinungs- und Pressefreiheit auch ihre positiven Seiten gehabt.

Der Autor: Carl-Wilhelm Macke, „Journalisten helfen Journalisten“