„Wir müssen runter von dem Hochmut“

Was Verleger Dirk Ippen im mediummagazin-Gespräch auch noch sagte – über Leserreporter und Synergien (das ausführliche Interview „Neue Wege“ siehe mm 6/09)

Interview: Annette Milz 

Das journalistische Ideal war immer ein Mix an Agenturen mit ihren unterschiedlichen Stärken. Gilt das für Sie heute noch?

Das war ja früher Glaubenssatz. Aber die Bedeutung der Nachricht für die Zeitung hat sich dramatisch verändert: sie ist überall kostenlos verfügbar. die Nutzer sind nicht mehr bereit, dafür zu bezahlen. Ob man unter diesem Aspekt noch Geld ausgeben kann für verschiedene Agenturen, da habe ich meine Zweifel.

Welche Rolle spielt dabei das Intranet als Contentplattform – wie Sie es ja für die Zeitungen der Ippen-Gruppe praktizieren?

..eine sehr untergeordnete, weil jede Redaktion den Ehrgeiz hat und haben muss, ihr Produkt eigenständig zu gestalten. Das gilt erst recht für Regionalzeitungen, deren Existenzberechtigung darin liegt, dass sie die Welt aus dem Standpunkt der Region abbildet und erklärt. Da gibt es nicht so viele überregionale Synergiemöglichkeiten. Wenn der FC Bayern gegen Werder Bremen in Bremen spielt, muss doch die Berichtererstattung für die Münchner Zeitung völlig anders sein als für das Bremer Blatt. Natürlich kann man mal Kommentare oder Reportagen austauschen, aber das halte ich nur für sehr begrenzt möglich.

Gilt das auch für Mantelressorts wie Politik und Kultur?

Ja, so lange wie man es sich leisten kann, denn das ist auch eine Frage der Motivation: Die Arbeit in einer Redaktion ist doch etwas Kreatives, muss den Beteiligten auch Freude machen und sie anspornen. Ich schließe zwar nicht aus, dass es zu immer engeren Verbünden kommen muss. Aber ich warne davor, wie auch die Erfahrungen in anderen Branchen zeigen: Die großen Brauereizusammenschlüsse, die eine Einheitsbier-Marke machen wollten, sind damit ziemlich schnell gescheitert. Die Marke einer Zeitung ist ein hohes Gut. Ob Marken aufrechtzuerhalten sind, wenn überall das gleich drin steht, bezweifle ich. Und wenn alle dpa abschreiben, kommt das auf dasselbe raus.

Die meisten Zeitungen engagieren sich ja längst auch multimedial, viele wünschen sich deshalb von dpa zusätzliche Angebote – z.B. eine Art Netzschau wie den HNA Scout mit Links zu Drittanbietern. Halten Sie es für richtig, die eigene Website für fremde Inhalte zu öffnen?.

Ja, wir müssen uns einfach davon verabschieden, im Netz allein etwas Eigenständiges machen zu können. Wir müssen ganz klar sehen: Das Wesen des Internet ist die Vernetzung. Spalten und Platz spielen da keine Rolle mehr. Da kommt es darauf an, inwieweit meine Seite vernetzt ist und angereichert werden kann auch mit Informationen von Dritten, die meine Nutzern interessieren. Unabhängig von der dpa-Frage muss es uns gelingen, die Nutzer selbst aktiver zu beteiligen

Favorisieren Sie Leserreporter?

Ich halte es für wichtig, dass die vielen Davids mit ihrem Schwarm-Verstand sich stärker in den Zeitungen und auf ihren Websites niederschlagen als in der Vergangenheit. So neu ist das doch gar nicht: Regional- und Lokalzeitungen haben doch schon immer stark von ihren Lesern gelebt, auch davon, dass der Vereinswart oder der ehrgeizige Schüler aus einem abgelegenen Dorf Informationen zugeliefert haben, weil wir das alles in der Fläche nie hätten selber abdecken und bezahlen können. Das muss eben jetzt web-afin weiter entwickelt werden. Wir müssen runter von dem Hochmut, das nur professionelle Journalisten etwas zu sagen haben. Die Summe der vielen Davids weiß mehr als wenige Goliaths.

 

Foto: © Heiko Meyer