20 Jahre „Journalisten helfen Journalisten“ am 3. Juni
Mit einer Festveranstaltung in München begeht am Abend des 3. Juni der gemeinnützige Verein „Journalisten helfen Journalisten e.V.“ sein 20jähriges Bestehen. Carl-Wilhelm Macke über die Bilanz, die doch nur eine Zwischenbilanz sein kann, denn die Notwendigkeit zur Hilfe für Kollegen nimmt eher zu als ab.
20 Jahre Journalisten helfen Journalisten: Führen Sie eigentlich Buch, wie vielen Kolleginnen und Kollegen aus wie vielen Ländern Ihr Verein bis heute hat helfen konnten?
Carl-Wilhelm Macke: Wir bemühen uns schon, Jahr für Jahr wenigstens die Namen der Journalistinnen und Journalisten festzuhalten, denen wir geholfen haben. Aber wie Hilfen sehr unterschiedlich waren und sind, so bleibt immer auch nur ein Teil der Namen im Gedächtnis und im JhJ-Archiv. Die Zahl der Fälle anzugeben, ist fast unmöglich, da manche Hilfen ja auch ganze Familien betreffen wie zum Beispiel nach Todesfällen. Aktuell unterstützen wir etwa die Familie eines im spanischen Exil verstorbenen kubanischen Journalisten, der es inmitten der aktuellen spanischen Wirtschaftskrise dramatisch schlecht geht. Kontakte hat der Verein inzwischen zu sehr vielen Ländern auf allen Kontinenten. Der Schwerpunkt war früher das südöstliche Europa, heute hingegen stehen der Osten Afrikas, Mittelamerika und leider kontinuierlich auch der Iran im Mittelpunkt.
JHJ ist eine bekannte Größe geworden – und in ein internationales Netzwerk eingebunden. Sie erhalten so mittlerweile sicher viele Hilferufe, denn das Elend und die Bedrohungen von Journalisten sind international ja nicht kleiner geworden. Wonach entscheiden Sie eigentlich, wem Sie helfen und wem sie es verweigern müssen?
Das unspektakulär aber sehr verlässlich arbeitende Netzwerk „Journalists in distress“ ist inzwischen wirklich sehr wichtig geworden. Unentwegt werden da zwischen New York, Toronto, Paris, London, Nairobi, Berlin und München die Informationen über einzelne Fälle ausgetauscht, von denen man zumeist durch Auslandskorrespondenten erfahren hat. Wir kennen uns und vertrauen uns da bei unserem Informationsaustausch auch. Es gab schon mal Fälle, die sich dann nach einem ‚Cross-Checking‘ als nicht unbedingt vertrauenswürdig erwiesen haben. Bei längerfristigen Hilfeleistungen, z.B. Übernahme von Mieten über einen längeren Zeitraum oder bei sehr kostspieligen Operationen, kann eigentlich keine der einzelnen NGO’s feste Hilfszusagen machen. Das übersteigt einfach die Möglichkeiten von privat organisierten Hilfsgruppen. Hier eine Absage zu formulieren, ist manchmal hart, aber es gibt nun mal materielle wie personelle Grenzen.
20 Jahre „Journalisten helfen Journalisten e. V.“
Die Festveranstaltung am 3. Juni 2013
Begrüßung: Roman Arens, 1. Vorsitzender von JhJ
Grußworte: Mercedes Riederer, Chefredakteurin des BR, Barbara Stamm, Landtagspräsidentin und Vorsitzende des Verwaltunsgrates des BR, Martina Bäurle, Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte e.V., Michael Rediske, Reporter ohne Grenzen
Gesprächsrunde: „Unabhängiger Journalismus in Kriegs- und Krisenzeiten“
Thomas Morawski ( ARD-Studio Wien, JhJ ) * Teresa Avila ( „Pacta Servanda e.V.“ , München): Mexiko * Martin Durm (SWR): Naher Osten * Meera Jamal ( “Journalisten im Exil“/“Reporter ohne Grenzen“, Kassel ): Pakistan * Judith Raupp ( Journalistin Goma/DR Kongo, JhJ): Afrika * Tongam Rina ( Arunchal Pradesh, z. Zt. Gast der „Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte“): Indien * Abdirahman Osman ( Journalist ) Somalia * Christiane Schlötzer ( Süddeutsche Zeitung, JhJ ): Griechenland, Türkei, Zypern
Abschluss: Roman Arens
Musik: Darioush Shirvani/ Gilles Zimmermann
Sie sind seit der Gründung dabei – und führen seit Jahren die Geschäfte von JhJ mit viel Mühe und Aufwand. Was hat Sie eigentlich dazu gebracht, warum tun Sie das – und so ausdauernd?
Da muss ich ein vielleicht erstaunliches Bekenntnis machen. Ich verfüge kaum über journalistische Berufserfahrungen im engen Sinne. Ich war zwar immer als freier Journalist für verschiedene Print- und Funkmedien tätig, aber richtig Fuß gefasst habe ich nirgendwo. Andererseits habe ich in vielen Hilfs- und Wahlkampagnen auch gelernt, wie man verlässliche Netzwerke knüpft, wie man Gelder für Hilfsprojekte organisiert, wie man Öffentlichkeit mobilisiert. Wenn man für einen konkreten Fall, etwa einem in Syrien festgehaltenen Photographen ein Hilfsnetz von der ‚New York Times‘ bis zur ‚Mittelbayerischen‘ in Regensburg organisieren kann, finde ich das toll und ermutigend. Das ändert die Welt nicht, beendet auch das schreckliche Massaker in Syrien nicht aber soll man deshalb zynisch und cool auf diese Einzelhilfe für Kolleginnen und Kollegen verzichten, die bei ihren professionellen Arbeiten in dramatische Notsituationen geraten sind…?
Was und wo sind die häufigsten Gefährdungen von Journalisten, die Ihnen aktuell begegnen? Armut, Gewalt, politische Verfolgung ….?
Am Beginn der Hilfsaktionen von JhJ herrschte noch Krieg in einigen Regionen des ehemaligen Jugoslawien. Egon Scotland, zu dessen Erinnerung JhJ gegründet wurde, hat sein Leben verloren als er eine Kollegin aus einem Kriegsgebiet zwischen serbischen und kroatischen Truppen befreien wollte. Inzwischen sind die Hilfen für Journalisten aus Kriegszonen relativ zurückgegangen. Zugenommen haben aber die Gefahren für investigative Journalisten, die über Korruptions- und Umweltskandale recherchieren. Hier bei uns müssen die in diesem Milieu nachforschenden Journalisten vielleicht mit Anzeigen rechnen, in Ländern wie Mexiko Aserbeidschan und auch immer noch in Russland gehen sie dabei jedoch ein ungleich höheres Lebensrisiko ein. In Italien, um ein weiteres, uns nahes Land zu nennen, stehen derzeit gut zehn Journalisten unter Polizeischutz, die über die Mafia recherchieren!
Wenn man sich die Schicksale der Kollegen und Kolleginnen ansieht, denen JHJ über die Jahre geholfen hat, fällt auf, wie wenig sich über die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe in den jeweiligen Heimatländern in den deutschen Medien finden anders als beispielsweise in Le Monde oder in der BBC. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Auslandsberichterstattung in den deutschen Medien?
Erfährt man Tag für Tag über das Netzwerk ‚Journalists in distress‘ von Katastrophen, Skandalen, Verletzungen von Menschenrechten in aller Welt, dann wird man natürlich sensibel, vielleicht auch übersensibel für die großen Lücken in der internationalen Berichterstattung deutscher Medien. Aber ich kann auch verstehen, daß die Leser, Zuhörer, Zuschauer der traditionellen Medien und die Nutzer von Internet-Netzen nicht unentwegt mit weltweiten Dramen konfrontiert werden wollen. Aber trotzdem darf diese von vielen immer wieder angeführte Übersättigung mit ’schlechten Nachrichten‘ nicht dazu führen, daß gerade bei der Auslandsberichterstattung besonders gespart wird. Extreme Krisenentwicklungen in Ländern ‚am anderen Ende der Welt‘ können auch Auswirkungen bis hinein in ostfriesische oder sächsische Kleinstädte haben. Dieses Wissen um Weltzusammenhänge ist für die größeren englischen und französischen Medien eine Selbstverständlichkeit. Deutsche Medien scheinen mir da oft noch nicht ganz auf der Höhe der globalen Krise zu sein. Allerdings gibt es da auch eine ganze Reihe von positiven neueren Entwicklungen, zu denen etwa das sehr lebendige und immer informative ‚Weltreporter-Netzwerk‘ von freien deutschsprachigen Korrespondenten auf allen Kontinenten gehört.
Was können Kollegen und Kolleginnen tun, um JHJ zu unterstützen? Wo ist gegebenenfalls über Geldspenden hinaus Hilfe willkommen?
Natürlich sind Organisationen und Vereine wie JhJ fundamental auf Geldspenden angewiesen. Staatliche Hilfen oder stabile Zuwendungen von Privatfirmen gibt es nicht. Sie würden auch die Ziele und den Charakter dieser ‚gemeinnützigen und zivilen‘ Hilfsprojekte infrage stellen. Aber jenseits von Geldspenden im Sinne von ‚Journalisten helfen Journalisten‘ wäre es sehr wichtig, daß junge Journalistinnen und Journalisten in ihrer Ausbildung immer auch erfahren, wie wichtig ihr Beruf für ein ziviles Zusammenleben in unserer Gesellschaft ist und wie gefährlich es sein kann, wenn man hartnäckig in den Dunkelzonen der Macht recherchiert. In seiner nunmehr zwanzigjährigen Existenz hat der Verein JhJ sehr viele mutige Journalisten kennengelernt und bei ihrer Arbeit unterstützt. Und es waren und sind oft die besonders verfolgten Journalisten, die ihren Beruf auf keinen Fall aufgeben möchten. Deutlicher und selbstbewusster als Ana Lilia Perèz, die in ihrer Heimat nur unter Polizeischutz recherchieren kann, kann man es nicht in Worte fassen: „Ich habe Angst, wieder nach Mexiko zurückzugehen, aber ich will wieder das machen, wofür ich da bin.“ JhJ hat ihr dabei geholfen, daß sie wenigstens für eine begrenzte Zeit einmal in Deutschland Distanz zu ihrem gefährlichen Leben als investigative Journalistin in Mexiko findet.
Interview: Annette Milz
Info
Carl Wilhelm Macke (*1950) koordiniert den Verein „Journalisten helfen Journalisten“ und ist seit seiner Gründung mit dabei. Er hat in Hamburg und Hannover Pädagogik und Politik studiert und arbeitet als freier Journalist in München (siehe auch Fragebogen im Terminal mediummagazin 4-5/2013).
„Journalisten helfen Journalisten“ wurde vor 20 Jahren von Christiane Schlötzer-Scotland (Süddeutsche Zeitung) und Roman Arens (damals Frankfurter Rundschau) ins Leben gerufen, die sich bis heute im Vorstand des gemeinnützigen Vereins engagieren.
Medium Magazin überstützt JhJ seit kurz nach der Gründung durch eine regelmäßige Kolumne in der gedruckten Ausgabe und auch online.