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Medium Magazin 05/2020

EDITORIAL / Annette Milz, Chefredakteurin

 

Zurück in die Zukunft 

Dem Blick nach vorn ist diese Ausgabe gewidmet. Es ist Zeit für einen Aufbruch. Auch in eigener Sache.

Beim Aufräumen fielen dieser Tage ein Zeit-Magazin und ein Greenpeace-Magazin aus meinem Archivstapel. Als ob sie gewartet hätten auf diesen einen Moment. Beide waren zur Jahreswende erschienen, um auf 2020 einzustimmen, auf dieses besondere Schnapszahl-Jahr, von dem damals noch niemand ahnte, wie besonders es wirklich werden würde.

„2020 wird ein aufregendes Jahr“ steht da in visionärer Hellsichtigkeit über dem Zeit-Magazin Nr. 50/2019. Statt aber in die Zukunft zu schauen, blickt Historiker Achatz von Müller für jene Ausgabe zurück auf das Jahr 1010. Denn das könne „man durchaus als Spiegel für das Jahr 2020 lesen“. Das Greenpeace-Magazin 1/20 wiederum verspricht einen „Plan für eine bessere Welt“ und wirft seinen Blick auf: „2030. Zehn Jahre Zeit, das Richtige zu tun“.

Das Problem ist nur: Über die Frage, was heute „das Richtige“ ist, entzweien sich inzwischen Freunde, Kollegen, ganze Familien und Redaktionen: Soll man mit Extremisten reden oder nicht? Ist es richtig oder falsch, wenn sich ein journalistisches Medium gemein macht mit einer guten Sache für den Klimaschutz, wie der Stern kürzlich mit Fridays for Future?

Stern-Chefin Anna-Beeke Gretemeier (34) und Welt-Wissenschaftsredakteur Axel Bojanowski (49) streiten in dieser Ausgabe exemplarisch über journalistisches Selbstverständnis – nicht nur in der Klimafrage: Journalismus und Aktivismus? (Seite 22).

Und spätestens am Ende dieses verrückten Jahres ist klar: Die Pandemie wirkt nicht nur als Digitalisierungsbooster in unserer Branche. Zeiten des Umbruchs sind immer auch Nährboden für quälende Ungewissheiten und Ängste, sie stärken Sehnsüchte nach Klarheit und fördern einfache Schwarz-Weiß-Lösungen statt komplizierten Grauschattierungen.

Der Journalismus steht so vor mehrfachen Herausforderungen: Getrieben von rasanter Technologieentwicklung, schwindenden Einnahmen, steigenden Sparzwängen und dräuendem Generationskonflikt wächst auch der Druck zur eigenen Standortbestimmung.

Gleichzeitig rächt sich, dass die Generation Praktikum zu lange abgespeist wurde mit schlecht bezahlten Jobs ohne wirkliche Aussicht auf Entscheidungskompetenzen. Und dass Onliner viel zu lange als die klickgetriebenen Kellerkinder des Journalismus behandelt wurden und so aus einem notwendigen Miteinander ein mindestens gefühltes Gegeneinander wurde. Solche Erfahrungen führen zu verhärteten Fronten. Diese aufzubrechen, ist auch ein Gebot der Stunde.

Manchmal kann da ein Blick zurück klärend wirken – es müssen ja nicht gleich 1000 Jahre sein wie beim Zeit-Magazin. 30 Jahre sind da schon hilfreich: 1990 war auch eine Zeit des Umbruchs, als aus zwei Deutschlands eins wurde und Tim Berners-Lee ein Web-Programm entwarf, das er „World Wide Web“ nannte.

Angst und Aufbruch bestimmten das Klima jener Zeit. ähnlich wie heute. Und wie damals gilt es auch heute, sich auf die Kernaufgaben des Journalismus zu besinnen: die Pflicht zur Aufklärung, Wahrheit, Faktentreue, eine Offenheit für andere Sichtweisen und die Fähigkeit, sie unbeeinflusst von eigenen Interessen abzuwägen.

Vor 30 Jahren entstand auch Wolf Biermanns legendärer Song: „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“.

Das gilt in eigener Sache ebenso: Zum Jahresende, mit medium magazin 06/2020, beende ich meine Arbeit als Chefredakteurin, die in Heft 04/1990 begann.

Ich freue mich auf andere Aufgaben, für die bisher zu wenig Zeit blieb. Und auf die Veränderungen, die der Wechsel für medium magazin mit sich bringen wird. Als künftige Herausgeberin werde ich „meinem“ Blatt jenseits der redaktionellen Arbeit verbunden bleiben.

Außerdem gibt es im nächsten Jahr, mit Impfstoff oder ohne, ganz sicher etwas zu feiern.

Als wir, Sebastian Turner, Oliver Schrott, Stefan Kornelius und ich, medium magazin 1986 gründeten, hat niemand von uns einen dauerhaften Erfolg geplant. Doch mit Rückenwind durch Verleger Johann Oberauer seit 1991 feiert medium magazin im nächsten Jahr sein 35-jähriges Bestehen und hat mit neuer redaktioneller Führung eine gute Zukunft vor sich.

Wer meine Nachfolge antritt? Nun, ein Spannungsbogen gehört nun mal zum Mediengeschäft: In Kürze wird das Rätsel gelöst.

Bleiben Sie gesund!


Und optimistisch für die Zukunft!

 

  Die Ausgabe medium magazin Nr. 05/2020 mit unserer Titelgeschichte über neue Regionalmedien ist ab sofort digital oder als Printausgabe hier erhältlich oder im ikiosk.
 
 
 
 
Doppelheft mit Journalistin 2020: Wie immer im Herbst erscheint diese Ausgabe mit Wendecover und einem Heft im Heft, mit einem Titelinterview mit den Chefredakteurinnen von LinkedIn und Xing. Nachbestellungen online oder per E-Mail an: vertrieb @ oberauer.com
 
 
 


 
 
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