ZDF-Chefredakteur Peter Frey: „Wir müssen Klischees brechen“

Zu wenig Ostdeutsche in den Redaktionen – diese Diagnose stellte Frey 2019 selbst. Seit mehreren Monaten baut er nun im eigenen Haus um.

Im Interview mit medium magazin (4/2020) erklärt Frey diesen Perspektivenwechsel und findet, es gibt dringenden Handlungsbedarf für die Branche: „Der Befund, dass es in Ostdeutschland zu wenige Medien gibt, die bundesweit Beachtung finden, gilt weiterhin. Solange die großen Zeitungen aus München, Frankfurt, Köln/Bonn, Hamburg und Berlin kommen, fehlen die Stimmen, die man aus Leipzig, Dresden oder anderen Orten im Osten hört“, so Frey.

Neugierige Ost- wie Westdeutsche wünscht sich ZDF-Chefredakteur Peter Frey. (Photo: ZDF /Jonas Ratermann)

„Die Öffentlichkeit ist immer noch westdeutsch geprägt und westdeutsch strukturiert. Da ist es schwierig, spezifisch ostdeutsche Erfahrungen und Sichtweisen zu bundesdeutscher Beachtung zu bringen.“ Jedoch: „Ich halte nichts von Quotierungen“. Sein Ziel für den Sender sei, Stellen grundsätzlich diverser zu besetzen. „Für Neubesetzungen ab 2021 werden wir daran arbeiten.“
Schon im vergangenen halben Jahr hat Frey begonnen, zumindest Entscheidungspositionen anders zu verteilen: Erstmals sind jetzt drei Landesstudio-Leitungen mit Ostdeutschen besetzt – Melanie Haack in Thüringen, Cornelia Schiemenz in Sachsen und Andreas Weise in Sachsen-Anhalt.

Mit Blick auf die Debatte über die „Sommerinterviews“ mit den AfD-Politikern Björn Höcke und Andreas Kalbitz in MDR und RBB und die Frage, inwiefern die Diskussion unterschiedliche Perspektiven in ost- und westdeutschen Redaktionen spiegele, sagt Frey: Man stecke als Sender „in einem Dilemma“. Einerseits habe man es mit einer demokratisch gewählten Partei zu tun, auf der anderen gebe es Programmvorschriften. „Zu den Grundsätzen des ZDF gehören Kriterien wie: ‚Verständigung unserer Gesellschaft’ und ‚den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern’. Das schließt nach unserem Verständnis bestimmte Politiker aus.“ Er verstehe daher „durchaus, wenn Redaktionen genau prüfen, wen sie einladen und wen nicht“. Grundsätzlich sei es ihm „am liebsten, neugierige Westdeutsche zu finden, die sich mit Ostdeutschland auseinandersetzen, und neugierige Ostdeutsche, die in die Welt und nach Westdeutschland schauen“.

 

Das komplette Interview mit ZDF-Chefredakteur Peter Frey von Anne Haeming erscheint in „medium magazin“, Ausgabe 04/2020. Das Heft ist gedruckt oder als ePaper einzeln hier erhältlich – oder kann abonniert werden.

 

Weitere Themen in dieser Ausgabe sind u.a.: Hidden Stars 2020 hinter den redaktionellen Kulissen, Debatte um einseitige Medienberichte, Axel Hacke über das Kolumnenschreiben, Volker Stollorz über mehr Durchblick bei Wissenschaftsthemen, Themen- statt Terminjournalismus, der Wandel der Fuldaer Zeitung zum Tagesmagazin, Julia Neumann über ihre Arbeit als freie Korrespondentin im Libanon und redaktionelle Zumutungen, Schmutzige PR-Tricks, hr-Programmdirektorin Gabriele Holzner über ihre Vorlieben plus 16 Seiten Werkstatt „Digitale Selbstverteidigung“.

 

Mehr gibt es hier auf 19 Seiten kostenloser Vorschau – inklusive Inhaltsübersicht und Editorial von Chefredakteurin Annette Milz.