Stefan Plöchinger: „Unsere Arbeit wird cooler“
Nach sieben Jahren als Chefredakteur von sueddeutsche.de beginnt Stefan Plöchinger Anfang 2018 eine neue Aufgabe: Von Januar an soll er nun beim „Spiegel“ neue Produkte für die Gruppe entwickeln. Im Interview erklärt er, wie er die Zukunft des Onlinejournalismus sieht – und die Herausforderung durch Daten und Software für den Arbeitsalltag.
Interview: Mirko Lorenz und Annette Milz
Herr Plöchinger, Sie sind Journalist und zugleich Entwickler digitaler Produkte: Wie kriegt man das unter einen Hut?
Stefan Plöchinger: Neugier, Offenheit und Nerdigkeit. Der Rest kommt dann von selbst. Wobei, das Wort „Entwickeln“ meint ja vielerlei, man kann zum Beispiel eine Redaktion weiterentwickeln, oder Produkte, oder Programme – und während ich von ersteren beiden Dingen zumindest Grundlegendes verstehe, würde ich mich keinen Programmierer schimpfen. Ich code höchstens manchmal ein bisschen, mit dem gesunden Halbwissen, das Journalisten so ausmacht.
Wie haben Sie Coden gelernt?
Als Kind ein bisschen. Ich hatte eine eigentlich glückliche Jugend, die phasenweise so verlief, dass andere sie vielleicht traurig nennen würden, weil ich auch mal Sommerferien durchprogrammiert habe.
Anfang 2018 wechseln Sie nun als Leiter Produktentwicklung zur Spiegel-Gruppe. Was genau gehört dann zu Ihren Aufgaben? Wie weit werden Sie mit Ihrem Team in die redaktionellen Produkte einwirken?
Die Frage wurde mir in den vergangenen Wochen oft gestellt, und für mich verrät dieses Rätseln über meinen neuen Jobtitel viel über den Weg, den unsere Branche noch zu gehen hat. Produktmanagement und -entwicklung bieten in progressiven Medienunternehmen mit die spannendsten Aufgaben. Man sitzt als Scharnier zwischen den Print- und Onlineredaktionen und den vielen Verlagsabteilungen; man versucht, strukturiert und kreativ die Produkte des Hauses im Sinne der Leser und des Geschäfts voranzubringen, so pragmatisch wie strategisch, vom Relaunch einer Nachrichtenseite bis zur Neuentwicklung eines Angebots. Das haben wir bei der SZ in den vergangenen Jahren recht erfolgreich aufgebaut, meine Rolle war da nicht unähnlich – und dass mich der Spiegel deshalb von sich aus gefragt hat, ob ich Head of Product werden will, macht mich recht zuversichtlich für die kommenden Jahre. Weil da die Einstellung stimmt.
Was bewerten Sie als Ihren wichtigsten Erfolg Ihrer sieben Jahre bei der SZ?
Das zu beurteilen, überlasse ich den Kollegen in München, die mir fehlen werden. Für mich war sz.de eine Einmal-im-Leben-Aufgabe: eine Onlineredaktion grundlegend aus- und umzubauen, unseren Durchbruch mit dem Paid-Content-Modell zu schaffen, eine eher vernachlässigte Online-Tochter zu einem integralen Digitalunternehmen der SZ umzubauen, inklusive Redaktionsverzahnung – all das zusammen mit vielen tollen Leuten, von denen einige Freunde geworden sind. Da bin ich zu nah dran, um selber Erfolge und Misserfolge beurteilen zu können.
ZUR PERSON
Der Hashtag #Hoodiejournalismus wurde mit der Berufung von Stefan Plöchinger in die (Print-)Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ populär: Als die interne Debatte um diese Personalie nach außen drang, solidarisierten sich rasch viele Journalisten auf Twitter mit dem Online-Chef von süddeutsche.de. 2014 war das. Dem Hoodie ist Stefan Plöchinger bis heute treu geblieben. Die SZ hat er nun verlassen, um Anfang 2018 als Leiter Produktentwicklung der Spiegel-Gruppe anzutreten.
Der 41-Jährige begann 1995 als Lokalreporter bei der „Süddeutschen Zeitung“, absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München, arbeitete als Politikredakteur bei der „Abendzeitung“ und im CvD-Team bei der „Financial Times Deutschland“ (2004 bis 2006). Danach war er Chef vom Dienst, Textchef und geschäftsführender Redakteur bei Spiegel Online. Seit 2011 war Plöchinger Chefredakteur von sz.de und seit 2014 auch Mitglied der Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“, zuständig für die digitalen Projekte.
Blick nach vorn: Welche Trends sehen Sie als bestimmend für die nächsten drei Jahre im Onlinejournalismus?
Unsere Arbeit wird komplexer, weil es mehr digitale Plattformen gibt, auf denen unsere Leser sind. Unsere Arbeit wird cooler, weil es bessere Tools gibt und sich neue Arbeitsformen in Redaktionen durchsetzen, die schöne Projekte ermöglichen. Und das Werben um das Vertrauen der Leser durch Dialog und exzellente Arbeit wird essenziell. Nach den Debatten um Populismus und Fake News, um die digital überformte Demokratie und Meinungsvielfalt steht für mich fest, dass wir als große Redaktionen gerade in der digitalen Welt durch die alten journalistischen Werte von Unabhängigkeit und Zuverlässigkeit überzeugen müssen.
Welches Grundmodell wird auf Dauer gewinnen: Aufmerksamkeit oder Vertrauen und Qualität?
Die beste Konstellation ist, wenn man durch Qualität Aufmerksamkeit und Vertrauen bekommt. Das schließt sich ja nicht aus, sondern soll das Ziel sein. Die Konvergenz zerlegt nicht nur den Journalisten das Geschäftsmodell, auch viele Menschen sind von einer grundlegenden Disruption betroffen. Welche Angebote sollten Medien machen in solchen Zeiten der gesellschaftlichen Verunsicherung?
Ich würde mir wünschen, dass wir in Redaktionen in fünf Jahren Digital-Internet-Ressorts kaum noch brauchen – weil das Feuilleton, die Politikressorts, ach was: alle gelernt haben, die digitale Disruption ihrer Berichtsbereiche kenntnisreich zu begleiten. Da sehe ich noch Defizite. Die Gesellschaft und viele Leser sind gerade auch in ihren Erwartungen weiter als mancher Kollege.
Trotz aller Selbstverständlichkeit im Umgang mit Online tun sich traditionelle Medien häufig immer noch schwer mit der Digitalisierung ihrer eigenen Arbeit. Wie sollte man das ändern?
Ich finde nicht, dass jeder Fachredakteur für eine Partei, eine Branche, einen Fußballverein oder irgendeine andere Sparte zum hundertprozentigen Digitalexperten werden muss. Die meisten Journalisten sollten sich um gute Beiträge kümmern und nicht darum, wo der Beitrag genau erscheint – für sie ist, wenn sie in Print arbeiten, die größte Veränderung, dass sie statt des Deadline-Drucks einen Online-Zeitdruck bekommen, der so anders aber auch nicht ist. Die größte Veränderung muss sich in den Köpfen jener vollziehen, die planen, produzieren und leiten: Sie müssen sich auf die Digitalisierung einlassen, im Sinne von: wirklich die neuen Medien verstehen. Einige flüchten aber nach meiner Wahrnehmung der Branche gern in Leerformeln wie „Jeder muss alles können“ oder in Reformpläne, die auf dem Reißbrett optimale Strukturen schaffen – aber nicht die Leute mitnehmen oder verändern wollen, die in den Strukturen arbeiten sollen. Natürlich gibt es auch andere Beispiele, bei der SZ haben wir da schon viel geschafft, aber die Lehre gerade daraus ist, dass gutes Change-Management oben anfangen und in der Mitte der Redaktion verankert werden muss.
Wie schätzen Sie die Entwicklung der Zahlungsbereitschaft für digitale journalistische Angebote ein?
Der digitale Anzeigenmarkt stößt allmählich an Wachstumsgrenzen, und weil es unsere Aufgabe ist, nicht bloß Onlineportale rentabel zu halten, sondern die Zukunft ganzer Medienmarken zu sichern, haben wir gar keine Wahl: Wir müssen Abo-Angebote erfinden, die für Leser schlüssig sind und überzeugen. Wir brauchen das Vertrauen unserer Leser, und dafür müssen wir jeden Tag Dinge tun, die den Wert unserer Arbeit herausstellen.
Welches Bezahlmodell taugt Ihrer Meinung nach derzeit am besten für aktuelle Medien? Was halten Sie von Laterpay, Steady, Blendle etc.?
Erst mal freue ich mich über jede Plattform, die den Gedanken verbreitet, dass Journalismus ein Knochenjob und wertvoll ist. Das effektivste Bezahlmodell ist für uns indes zweifellos, selber Abos zu verkaufen – nur damit verdienen wir pro Leser genug Geld, und es hat sich gezeigt, dass viele Fans unserer Marken das auch verstehen und bereit sind, langfristig in Medien zu investieren, deren aufklärerischer Kraft sie vertrauen. Man muss sie nur gescheit darum bitten.
Für welche journalistischen Digital-Angebote geben Sie selbst regelmäßig Geld aus?
Die „New York Times“, die „Washington Post“, den „Guardian“, die taz, Bildblog und Übermedien. „Spiegel“ und SZ habe ich dienstlich, würde ich sonst natürlich sofort abonnieren.
2017 hat die SZ in Kooperation mit dem ICIJ mit den „Paradise Papers“ erneut einen weltweiten Scoop gelandet. Was hatte sie dafür aus dem ersten Giganten-Datenprojekt „Panama Papers“ für den redaktionellen Alltag gelernt – an Dos and Don’ts?
Bei den „Paradise Papers“ habe ich mich wegen meines Jobwechsels schon zurückgehalten – aber ich denke, die wichtigste Lehre ist so oder so, dass solche Projekte nun eher Alltag werden dürften und dass man sich dafür gut rüsten muss. Neben der einzigartigen Zusammenarbeit in einem großen hausinternen Netzwerk guter Kollegen war schon bei den „Panama Papers“ das wichtigste Do: Mach eine Dramaturgie für das Projekt, als wärst du Dokumentarregisseur, und präsentiere deine Geschichten so gut, dass der Aufwand dafür schon durch schiere Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gerechtfertigt ist. Ein wichtiges Don’t: zu wenige Leute dransetzen. Wir hatten zum Launch zwar schon je nach Zählung zwei, drei Dutzend Leute im Projekt, aber die Aufwände damit immer noch unterschätzt.
Datenjournalismus hat trotz hoher Aufmerksamkeit für alle Themen rund um Big Data und nach den „Panama Papers“ als Paradebeispiel immer noch in der Journalistenszene mit einem Nerd-Nischen-Image zu kämpfen. Wie erklären Sie sich das, wie ist das zu ändern?
Auch Journalisten anderer Sparten haben ein nerdiges Image – denken Sie an Feuilletonisten, verdeckte Reporter, Dokumentare oder Salonkolumnisten. Die repräsentieren allesamt das, was Journalisten beflügelt: die Hingabe an Themen mit einem besonderen Spleen. Warum sollte man das Nerdige am Datenjournalismus ändern, wenn er unbestritten zu großartigen Geschichten verhilft? Wir brauchen sogar mehr Nerds.
Was die wichtigsten Skills für eine journalistische Arbeit mit Daten?
Angstfreiheit, was die Technik und – bei klassischen Datenauswertungen – die Mathematik angeht, und ein Gespür dafür, wie man große Mengen sinnvoll portionieren und Geschichten extrahieren kann. Dafür braucht es tatsächlich auch Vorbildung, die man in Schule und Uni eigentlich bekommt. Aber bei Journalisten sind Statistik und derlei Kurse eher unbeliebt. Mir haben meine Leistungskurse in Mathe und Physik sehr geholfen.
Wieviel Programmier-Knowhow sollten Digitaljournalisten haben?
Das kommt auf den Job an, den sie oder er hat. Wer am Newsdesk das Aktuelle covert, muss mit einem Embed-Code umgehen können; wer Datenauswertung versuchen will, sollte Skripte schreiben können oder zumindest Excel beherrschen wollen; wer sich als Podcast-Moderator verdingt, braucht nichts davon. Um das zu lernen, was nötig ist, empfehle ich erstens nette Kollegen oder Bekannte, die einem das Grundlegende sagen, zweitens Furchtlosigkeit vor Fehlern und Experimentiermut, denn wer experimentiert, kann selten viel falsch machen – aber oft viel lernen. Drittens hilft es, bei Fragen einfach im Internet nach Antworten zu suchen. Kaum ein Problem, zu dem man dort nicht Lösungen findet!
Und welche Ausbildungsskills vermissen Sie im Onlinejournalismus?
Ich habe nie die Erfahrung gemacht, dass ich für die sehr vielfältigen Jobprofile einer Onlineredaktion nur schlechte Bewerber bekomme. Wir haben ja zwischen Datenjournalismus, klassischem News- und Ressortbetrieb bis zu Social-Media-Fancyness so unterschiedliche Bedarfe, dass man viele verschiedene Charaktere und Experten braucht. Und die findet man.
Welchen Rat geben Sie jungen Journalisten, die glauben, „nicht gut in Mathe“ zu sein?
Erstens brauchst du auch im Datenjournalismus nicht für jede Aufgabe höhere Mathematik, zweitens ist deine Ausrede das größte Problem – versuch’s doch einfach mal und schau, wie weit du kommst. Wenn du wirklich gar nichts schaffst, weißt du wenigstens, was du in den kommenden Jahrzehnten meiden musst.
Die „Berliner Morgenpost“ hat 2017 ein Volontariat speziell für Datenjournalismus gestartet. Was halten Sie von diesem Weg?
Wir haben bei sz.de immer nur Schwerpunktvolontariate ausgeschrieben, immer wieder auch eines für Datenjournalismus – und klar, darüber findet man Kollegen mit starkem Potenzial, das sie dann nach aller Erfahrung über die Ausbildungszeit voll entfalten. Klassische Volontariate haben sich in unserem Bereich weniger bewährt.
In immer mehr Medienhäusern wächst das Bedürfnis an Teams, die Daten, Code und Design neu verbinden. Zugleich sind Journalisten mit Coding-Know-how Mangelware und Programmierer verzweifelt gesucht und teuer. Was sind die Grundvoraussetzungen dafür: Welche Skills benötigt ein redaktionelles Datenteam und wie baut man die am besten auf, wenn man sich hochdotierte externe Fachleute nicht leisten kann?
In den Redaktionen, die ich kenne, gibt es immer ein, zwei Nerds, die sich gerne an solchen Projekten versuchen würden – aber nicht freigespielt werden. Das zu tun, ist der Beginn. Und dann baut man durch quere Ideen wie ein Daten-Volo mittelfristig mehr Expertise auf.
Datenjournalistische Projekte glänzen oft mit üppigen und interaktiven Illustrationen, bei denen man manchmal Gefahr läuft, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Welche Fehler sollte man bei Digitalprojekten vermeiden?
Im Grunde ist jedes größere datenjournalistische Storytelling-Projekt ein Stück Produktentwicklung, weil man ja meistens nicht bloß Texte präsentiert. Jede Produktentwicklung sollte wiederum nicht vom Journalisten, Designer oder Programmierer ausgehen, sondern vom Nutzer. Wenn man sich in der Datenrecherche immer wieder klarmacht, was Leser von der Recherche eigentlich haben sollen, weil man sich dazu zwingt, einen Schritt zurückzutreten und sich zum Beispiel ein Gespräch mit der eigenen Mama über das Thema vorzustellen – dann kann man eigentlich nicht in die Falle laufen.
Was war Ihr größter Fehler … und Ihr bisher größter Erfolg?
Die gerade geschilderte Regel nicht beachtet zu haben, ist mir auch passiert. Am meisten Spaß hat mir der Zugmonitor vor ein paar Jahren gemacht, in dem wir mit OpenDataCity Bahn-Verspätungen hinterherrecherchiert haben – weil ich mit Vorliebe Bahn fahre und weil es für die SZ ein datenjournalistisches erstes Mal war.
Was sind die fiesen Momente bei der Arbeit an digitalen Projekten? Und welche Momente sind besonders schön?
Fiese Momente werden regelmäßig zu schönen – wenn eine heikle Recherche gelingt, ein hartnäckiger Skript-Fehler behoben ist, ein Jahre dauerndes Projekt nach Publikation Millionen Leser findet.
Im DACH-Raum wird mit Blick auf FT, NYT, Washington Post gern behauptet: Ja, solche Etats haben wir hier nicht. Wie überzeugt man Verleger, in digitale Qualität zu investieren?
In aller Regel laufen Redakteure mit ihren Ideen ja erst mal zum Chefredakteur. Und wenn der seine Etats nicht allzu unflexibel plant, hat er Spielmasse für Projekte, die den Ruf der Redaktion mehren – was dann auch beim Verleger hilft. Allerdings sollte das schon der Anspruch sein, den Ruf zu mehren, und nicht l’art pour l’art zu machen, also ein digitales Projekt schnell anzuleiern, ohne an Aufwand, Ertrag und die Leser zu denken.
Nicht wenige Zeitungs- und Zeitschriftenverleger sehen in Google und Facebook Feinde und eine wirtschaftliche Bedrohung. Kooperationsangebote oder gar finanzielle Förderung durch z. B. Googles DNI lehnen sie strikt ab, allen voran Axel Springer. Wie stehen Sie zu der Auseinandersetzung?
Erstens ist es wie bei jedem Frenemy – halb Friend, halb Enemy – schlau, auf Gesprächsangebote einzugehen, gerade wenn man selber die schlechteren Karten hat. Zweitens sollte man sich keinen Illusionen über den Umstand hingeben, dass wir unterschiedliche Geschäftsinteressen haben und deshalb mit Google und Facebook immer werden ringen müssen. Fanboytum ist da so unangebracht wie Kulturpessimismus. Drittens ist meiner Einschätzung nach das Maximum, was Verlage durch ihren Leistungsschutzrecht-Kampf von Google bekommen werden, die DNI-Förderung. Warum also sie nicht nutzen? Natürlich muss man in Google-geförderten Projekten transparent machen, wer da mitfinanziert hat, aber ob Google nun ein Advertorial kauft oder ein Digitalprojekt sponsert, das je nach Projektziel womöglich noch dem Onlinejournalismus insgesamt hilft, ist doch egal: In keinem Fall darf es so sein, dass der Konzern inhaltlich Einfluss nimmt.
Schwierige Frage: Wie könnte die digitale „Zeitung“ der Zukunft aussehen? Welche fünf Elemente halten Sie da für erfolgversprechend?
Von den Lesern her gedacht: 1. Wenn sie uns wirklich öfter als bisher auch im Netz finanzieren sollen, dann dürfen wir ihnen nicht bloß schnelle Informationen servieren – das tun viele andere auch. Wir müssen den Anspruch haben, unsere Leser schlauer zu machen, ja: sie in die Lage versetzen wollen, über sich selbst hinauszuwachsen. Das klingt sicher schwülstig, aber darum ging es kritischem, nützlichem, aufklärerischem Journalismus im Dienste der Gesellschaft immer, und das ist der wesentliche Grund, warum manche Medienmarken besser und erfolgreicher sind als andere. Das ist das wichtigste Element. Drei weitere: eine Nachrichtenseite als aktuelles, schnelles, vertrauenswürdiges 24/7-Produkt; ein tägliches Round-up in welcher Form auch immer für Leser, die nicht den ganzen Tag online waren; etwas zum Zurücklehnen fürs Wochenende, wenn die meisten Leser Zeit und Muße für mehr haben. Man muss dann aber auch mehr bieten. Und das fünfte Element, bitte nicht das fünfte Rad am Wagen: Experimente links und rechts des Hauptweges, weil man abseits der Muttermarke in interessanten Nischen auf allen möglichen Plattformen neue Geschäfts- und journalistische Modelle testen sollte. Vielleicht ist was Lukratives dabei.
Und wie finanziert sich dieses Medium?
Überwiegend durch Abo- und Anzeigengelder. Und hoffentlich ein paar andere Finanzquellen, von denen wir in der Produktentwicklung kreativ immer neue suchen sollten.
Interview: Mirko Lorenz, Journalist, Innovationsmanager und Gründer des Datawrapper; Annette Milz, Chefredakteurin „medium magazin“ . Das Interview erschien zuerst in medium magazin 6/2017
TIPP „Journalisten-Werkstatt“
Datenjournalismus I: Internationale Best-Practice-Beispielen der Data Journalism Awards 2017 (Autor: Mirko Lorenz)
Datenjournalismus II: Projekte, Tools und Teamskills. (Autor: Mirko Lorenz)
Coworking: Tools für kreatives Arbeiten in interdisziplinären Teams (Autoren: Martin Virtel, Annette Milz).
Preis je Ausgabe: 6,99 Euro (verfügbar als Print oder E-Paper hier).