Journalisten des Jahres 2014: die Feier, die Reden

Rund 100 Gäste feierten am 23. Februar 2015 die „Journalisten des Jahres“ in Berlin – also: die Top-Journalisten und Journalistinnen des vergangenen Jahres. Doch Themen und Köpfe waren so aktuell wie nie. Russland, die Lügenpresse-Debatte, das Erbe Frank Schirrmachers. Traditionell werden zur Preisverleihung die jeweils Top 3 Platzierten in den einzelnen Kategorien der Wahl, die Jurymitglieder und Vorjahressieger eingeladen. Wir dokumentieren hier einige Höhepunkte des Abends: die Reden und Laudationes als Video und Audio.

Und wir danken der Otto Group und der Metro Group für die freundliche Unterstützung der Feier – sowie unseren Kooperationspartnern Verband der Prädikatsweingüter (VDP) und Kofler & Kompanie.

Golineh Atai ist die „Journalistin des Jahres 2014“. Jörg Wagner interviewte sie vor der Preisverleihung:

 

Nach einer Laudatio des früheren ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender (PDF-Dokument), bedankte sich Golineh Atai mit einer bewegenden Rede:

 

Golineh Atais Rede dokumentieren wir hier auch noch einmal im Wortlaut:

„Ich freue mich sehr über die Auszeichnung. Sie gibt mir Kraft. Kraft, weiter zu berichten. Sie [Nikolaus Brender] haben viel über innere Freiheit gesprochen. Das ist in der Tat manchmal sehr, sehr schwierig.
Die Auszeichnung gibt mir Kraft weiter zu berichten über den Krieg in Europa und darüber, wie zwei Länder sich ganz, ganz tiefgreifend verändern. Ich freue mich sehr, ich blicke aber auch mit sehr viel Sorge in die Zukunft.

Die meisten Journalisten in dem Land, in dem ich lebe, begreifen sich mittlerweile als Informationskrieger. Und sie sehen auch mich als Informationskriegerin an. Ich werde in eine Rolle hineingedrängt, der ich entsprechen muss. Ich will aber Journalistin sein, ich will nicht Kriegerin sein. Ich will eine Journalistin sein, die die Vorgänge der Welt nach nur einem Maßstab misst und das ist ein universeller Maßstab: der Maßstab des Rechtsstaats, der Menschenwürde und des Völkerrechts.

Also sage ich mir die ganze Zeit: Bleib gelassen, nicht angreifen, nicht zurück angreifen. Widerleg einfach Stück für Stück die tausend erfundenen Geschichten, Verdrehungen, Verschleierungen, die die Infokrieger jeden Tag produzieren. Aber, ich komme nicht nach mit dem Widerlegen. Ich werde überrollt von der Spin-Lawine, von der Inszenierungsmaschinerie des Kremls. Und sie hat so eine fantastische Ausstrahlungskraft, dass mittlerweile alle meine deutschen Freunde gar nicht mehr wissen, was eigentlich in der Ukraine und in Russland passiert. Nur noch Zweifel sind übrig, wenn wir uns zusammen hinsetzen bei einem Glas Wein, abends, und miteinander diskutieren, dann kommt oft: Nichts ist wahr, alles ist möglich.

Während der Zuschauer also Vertrauen verliert, verliere ich Vertrauen in die Heimatredaktionen, in langjährige Kollegen, in journalistische und intellektuelle Vorbilder. Ich erlebe wie die Angst in das Programm hineinspielt. Ich höre jeden Tag von den Kollegen in Deutschland, dass sie bestimmte Wortmeldungen und Formulierungen vermeiden – wegen der Beschwerden. Wissen Sie, dass ich nicht mehr über die russische Opposition berichten kann, ohne Anfeindungen zu bekommen oder Programmbeschwerden? Das ist mir neu.

Ich werde oft gefragt, ob ich Angst habe, wenn ich aus der Ostukraine berichte und, ja, ich habe Angst. Ich habe aber eine noch größere Angst, wenn ich sehe, wie die Angst und die Zweifel und die Beschwerden und die Anfeindungen uns verändern. Und wie die Kollegen nicht wahrnehmen, dass jemand mit ihren Ängsten spielt. Deshalb mein dringender Wunsch heute Abend an Sie: Haben Sie keine Angst! Diejenigen, die mit ihren Ängsten spielen, die sagen zu Ihnen: Du willst Propaganda bloßlegen? Du bist doch selber ein Propagandist! Du bist doch selbst ein Informationskrieger!

Und ich sage Ihnen: Wenn Sie jenen nachgehen, die Wirklichkeit inszenieren und manipulieren, dann sind Sie ein Journalist und Sie sind kein Informationskrieger. Legen Sie die Mittel der Informationskrieger bloß. Zeigen Sie der Welt, wer Informationskriege angefangen und wer sie perfektioniert hat. Und vergessen Sie und verdrängen Sie bitte nicht: Wir stehen vor der elementaren Frage, wie wir leben wollen in Europa. Ich danke Ihnen!“

Klicken Sie auf die einzelnen Punkte, um zu den jeweiligen Laudationes zu gelangen:

Mehr Informationen:

Die Bilder des Abends

Die Begründungen der Jury

Wer in der Jury mitwirkte (PDF-Dokument)

Infos zum Wahlverfahren