Anett Selle (Foto: Manfred Heyne)

Anett Selle

Freie Journalistin


Wichtigste Stationen?



2007 Sechs Monate Radioshowhost bei KMXT in Alaska, 2013-2015 akduell – Studentische Zeitung im Ruhrgebiet, 2015-2017 Deutsche Journalistenschule München, 2017-2018 Redakteurin WELT in Berlin, seit 2018 freie Reporterin.

Auf welche Geschichte sind Sie besonders stolz?



Gelungen ist kürzlich ein Text über ein besetztes Haus, in dem obdachlose Frauen über 70 lebten. Kölner*innen wollten das Haus für sie kaufen – die Eigentümerin Deutsche Bahn Immobilien lehnte mit Hinweis auf Investoren ab und ließ das Haus räumen. Nun steht es wieder leer. Ein größeres Projekt mit Texten und Livestreams war eine dreiwöchige Begleitung einer Segeldemo für Seenotrettung auf dem Mittelmeer im Juni, samt Interviews auf der Sea Watch 3.

Was planen Sie als nächstes?
 

Recherchiere. Verkaufe. Wiederhole. Außerdem: Lesen, lesen, lesen, lesen.

Wie würden Sie gerne in zehn Jahren arbeiten?
 


Besser, da mit mehr Erfahrung als heute. Langfristig: Peter Handke meinte, “Ich will etwas schreiben können, das ganz und gar notwendig ist, notwendig wie ein Haus”. Jup, ich auch.

Welcher gute Rat hat Ihnen in Ihrer Laufbahn besonders weitergeholfen?
 

Was du nicht erfliegen kannst, kannst du erhinken.

Welche/r Kollege/in hat Ihnen besonders geholfen?
 



Martin Kaul, jetzt WDR Investigativ, hat mir viel Feedback gegeben und sein Erfahrungswissen mit mir geteilt. Menschen in der taz geben mir Raum für Ideen und ziehen bei der Umsetzung voll mit, auch wenn das Thema nicht in ihr Ressort fällt. Timm Klotzek, Chefredakteur des SZ Magazins, Henriette Löwisch, Schulleiterin der DJS, Ileana Grabitz, jetzt bei Zeit Online und Michael Watzke vom Deutschlandfunk haben mir ihre Zeit und Rat geschenkt. Ein Stipendium der taz-Panter-Stiftung hat u.a. Live-Berichte bei den Paris-Protesten der Gelbwesten ermöglicht.

Warum tun Sie eigentlich, was Sie tun?

Ich will berichten, was passiert und dazu beitragen, dass sich alle unabhängig und gesichert informieren können. Dass ich neben dem Schreiben auch live streame, hat sich spontan ergeben. Inzwischen schätze ich Liveschalten als journalistisches Werkzeug immens: Sie ermöglichen, so manches Geschehen transparenter zu dokumentieren und Einblicke in meine Arbeitsweise zu geben.

Überrascht hat mich anfangs, wie sehr sich Zuschauer*innen für handwerkliche Informationsbeschaffung interessieren. Was bedeutet „unter drei”? Was ist Quellenschutz? Was sollen Sperrfristen? Warum behandelst du diese Information als Gerücht, aber jene als gesichert? Ab wann ist eine Information “gesichert”? Wie, dein Text muss noch redigiert werden: Wieviele Leute arbeiten denn mit an so einem Artikel, über dem am Ende nur dein Name steht?

Mit Livestreams kann ich aus der Blackbox auch mal einen Glaskasten machen. Und ich lerne dazu: Bei Live-Interviews kam es schon vor, dass Zuschauer*innen spannende Fragen kommentiert haben, die mir in dem Moment nicht eingefallen wären. Leser*innen, die zuvor zugeschaut haben, melden zurück, ob ich Ereignisse aus ihrer Sicht gut zusammengefasst habe. Und glücklicherweise haben alle Verständnis, wenn ich den Livestream mal wieder unterbrechen muss, um zu schreiben und die Deadline einzuhalten.

Außerdem wurden ausgezeichnet: